Paralogismen
Paralogismen der reinen Vernunft. Der (formal-) logische Paralogismus besteht in der „Falschheit eines Vernunftschlusses der Form nach, sein Inhalt mag übrigeng sein, welcher er wolle“. Ein „transzendentaler Paralogismus“ aber hat einen „transzendentalen Grund, der Form nach falsch zu schließen“. Ein solcher Fehlschluß hat in der Natur der Menschenvernunft seinen Grund und führt „eine unvermeidliche, obzwar nicht unauflösliche Illusion“ bei sich, KrV tr. Dial. 2. B. 1. H. (I 349—Kc 419). Diese Paralogismen sind die erste Klasse der „dialektischen Vernunftschlüsse“, welche auf den transzendentalen Ideen (s. d.) beruhen. In ihnen „schließe ich von dem transzendentalen Begriffe des Subjekts, der nichts Mannigfaltiges enthält, auf die absolute Einheit dieses Subjekts selber, von welchem ich auf diese Weise gar keinen Begriff habe“, ibid. 2. B. am Anfang (I 348—Rc 417). Die Einheit der transzendentalen Apperzeption (s. d.), des „Ich denke“, des „Vehikels aller Begriffe überhaupt“, ist die rein formale, logische Einheit des (reinen) Ich (s. d.), auf die als Subjekt sich all mein Denken bezieht, ohne daß dieses Subjekt des Denkens ein besonderer Gegenstand der Erfahrung ist. Zu einem solchen wird es erst in der Bestimmung durch die Zeitform der inneren Anschauung. Der bloße Gedanke des „Ich“ denkt nur ein „transzendentales Subjekt der Gedanken“ (= X), „welches nur durch die Gedanken, die seine Prädikate sind, erkannt wird und wovon wir, abgesondert, niemals den mindesten Begriff haben können“. Ich muß mich zwar selbst als Subjekt, als einheitliches Ich („logisch einfaches Subjekt“, „Singular“), als formal identisches Subjekt, als unterschieden von anderen Dingen außer mir und meinem Körper denken, aber dadurch erkenne ich mich keineswegs schon, wie die rationale Psychologie meint, als Noumenon, als einfache, numerisch identische, vom Körper trennbare substantielle Seele. Die rationale Psychologie schließt fälschlich: „Was nicht anders als Subjekt gedacht werden kann, existiert auch nicht anders als Subjekt und ist also Substanz.“ „Nun kann ein denkendes Wesen, bloß als ein solches betrachtet, nicht anders als Subjekt gedacht werden.“ „Also existiert es auch nur als ein solches, d. i. als Substanz.“ „Im Obersatze wird von einem Wesen geredet, das überhaupt in jeder Absicht, folglich auch so, wie es in der Anschauung gegeben werden mag, gedacht werden kann. Im Untersatze aber ist nur von demselben die Rede, sofern es sich selbst, als Subjekt, nur relativ auf das Denken und die Einheit des Bewußtseins, nicht aber zugleich in Beziehung auf die Anschauung, wodurch es als Objekt zum Denken gegeben wird, betrachtet. Also wird per sophisma figurae dictionis, mithin durch einen Trugschluß, die Konklusion gefolgert.“ Es kann legitim im Schlußsatz nur folgen: „ich kann im Denken meiner Existenz mich nur zum Subjekt des Urteils brauchen“, welches ein „identischer Satz“ ist, der absolut nichts über die Art meines Daseins aussagt, ibid. 2. B. 1. H. (I 249 ff.—Rc 418 ff.). Das Ich kann nicht als Substanz bestimmt werden, denn es fehlt dazu alles Beharrliche in der inneren Anschauung. Die Einfachheit der Seele fällt weg und verwandelt sich in „eine bloße logische qualitative Einheit des Selbstbewußtseins im Denken“, ibid. (I 358 f.— Rc 439 ff.). „Die Einheit des Bewußtseins, welche den Kategorien zum Grunde liegt, wird hier für Anschauung des Subjekts als Objekts genommen und darauf die Kategorie der Substanz angewandt. Sie ist aber nur die Einheit im Denken, wodurch allein kein Objekt gegeben wird, worauf also die Kategorie der Substanz, als die jederzeit gegebene Anschauung voraussetzt, nicht angewandt, mithin dieses Subjekt gar nicht erkannt werden kann. Das Subjekt der Kategorien kann also dadurch, daß es diese denkt, nicht von sich selbst als einem Objekte der Kategorien einen Begriff bekommen; denn um diese zu denken, muß es sein reines Selbstbewußtsein, welches doch hat erklärt werden sollen, zum Grunde legen. Ebenso kann das Subjekt, in welchem die Vorstellung der Zeit ursprünglich ihren Grund hat, sein eigen Dasein in der Zeit dadurch nicht bestimmen“, ibid. Widerlegung des Mendelssohnschen Beweises (I 365—462 f.). „Der dialektische Schein in der rationalen Psychologie beruht auf der Verwechslung einer Idee der Vernunft (einer reinen Intelligenz) mit dem in allen Stücken unbestimmten Begriffe eines denkenden Wesens überhaupt. Ich denke mich selbst zum Behuf einer möglichen Erfahrung ..., und schließe daraus, daß ich mir meiner Existenz auch außer der Erfahrung und den empirischen Bedingungen derselben bewußt werden könne. Folglich verwechsle ich die mögliche Abstraktion von meiner empirisch bestimmten Existenz mit dem vermeinten Bewußtsein einer abgesondert möglichen Existenz meines denkenden Selbst, und glaube das Substantiale in mir als das transzendentale Subjekt zu erkennen, indem ich bloß die Einheit des Bewußtseins, welche allem Bestimmen, als der bloßen Form der Erkenntnis, zum Grunde liegt, in Gedanken habe“, ibid. Beschluß d. Auflösung (I 368— Rc 473 ff.); vgl. Seele, Unsterblichkeit, Subjekt, Ich. — Die Immaterialität, Inkorruptibilität, Personalität, kurz die Spiritualität der Seele ist nicht zu erweisen, ibid. (I 352 f.— Rc 421 ff.). Vgl. Ich, Seele, Bewußtsein.