Gesunder Volksegoismus
Gesunder Volksegoismus war die Parole, welche Wilhelm Jordan in seiner bekannten Rede über die Polenfrage am 24. Juli 1848 (Wigard 2, 1145) ausgab: „Es ist hohe Zeit, uns endlich einmal aus jener träumerischen Selbstvergessenheit, in der wir schwärmten für alle möglichen Nationalitäten, während wir selbst in schmachvoller Unfreiheit darniederlagen und von aller Welt mit Füßen getreten wurden, zu erwachen zu einem gesunden Volksegoismus, um das Wort einmal gerade herauszusagen, welcher die Wohlfahrt und Ehre des Vaterlandes in allen Fragen oben anstellt.“ Gombert, Festg., macht auf den großen Unterschied aufmerksam zwischen der Auffassung des polenkundigen Insterburgers Jordan und der des Rheinländers Jak. Venedey, welcher in seiner Schwärmerei für Völkerbeglückung zornigen Einspruch gegen dies kecke und ungerechte Schlagwort erhob. Sein ganzer Aufsatz in s. Wage 6, 31 ff. (1849) ist ein Philippika dagegen.
Und doch betont auch Bismarck, Polit. Reden 1, 264s. (am 3. Dez. 1850): „Die einzig gesunde Grundlage eines großen Staates, und dadurch unterscheidet er sich wesentlich von einem kleinen Staate, ist der staatliche Egoismus und nicht die Romantik, und es ist eines großen Staates nicht würdig, für eine Sache zu streiten, die nicht seinem eigenen Interesse angehört.“ Joh. Scherr, Dämonen (1878) S. 125 spricht dann in ähnlicher Weise von einem „gesunden“ Nationalegoismus.
Jordans Schlagwort war natürlich durch ältere Wendungen vorbereitet. Nationalegoismus kennt schon Börne 6, 359 und Grün (1845), der S. 42s. über einen belgischen Sozialisten urteilt: „Der Nazionalegoismus wird bei Jottrand sogar zum sozialen Egoismus überhaupt.“ Vergl. auch S. 69.