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Volkspolitik

Volkspolitik, ein vieldeutiges und deshalb ziemlich unklares Stichwort, das Lassalle mit besonderem Eifer vertritt. So kontrahiert er 2, 203 „Volkspolitik und Fürstendiplomatie“ und wettert S. 403 (1859) entrüstet: „Dieses feige, nichtswürdige Bubenstück machiavellistischer Kabinettspolitik … dies ist es, was ein demokratisch sein wollendes Blatt der großen deutschen Nation als demokratische, als deutsche Volkspolitik zu bezeichnen wagt?!“ Später tritt der Gegensatz zwischen Volkspolitik und Regierungspolitik wiederholt ähnlich hervor und veranlasst unter anderem Bismarck 4, 319 (am 24. Febr. 1870) gegenüber dem Abgeordneten Miquel zu einer herben Kritik: „Was der Herr Vorredner unter Volkspolitik versteht — ein Wort stellt bekanntlich zur rechten Zeit sich ein —, so weiß ich nicht, versteht er darunter die öffentliche Meinung, die im Jahre 1866 in Adressen uns bestürmte, diesen Krieg nicht zu führen — versteht er darunter die Verweigerung der Mittel, diesen Krieg zu führen? Das war Volkspolitik, wenn die Sache irgend einen Begriff hat, und ich glaube, man weiß es uns Dank, dass wir damals die Sache besser verstanden haben, wie diese Volkspolitik.“

In jüngster Zeit ertönte das Schlagwort besonders lebhaft während des Burenkrieges als Sammelname für alle England feindlichen Kundgebungen, zumal in der Presse. Doch bekämpfen die Grenzboten 1900, 1. Viertelj. S. 663 ff. diese aus Tradition, Vorurteil und den unbestimmten Empfindungen der Massen entsprungene Volkspolitik als eine recht bedenkliche Erscheinung. Denn: „Es ist ein besonderer Glücksfall, wenn das alles einmal mit einem festen, vernünftigen, klaren Regierungswillen zusammentrifft, wie 1870; dafür soll man dem lieben Gott wie für eine besondere Gnade danken, aber die Regel ist es nicht und kann es gar nicht sein. Gewöhnlich stehen Volks- und Regierungspolitik in demselben Verhältnis zu einander, wie Gefühl und Verstand, Mangel an Erkenntnis und volle Sachkenntnis, unverantwortliches Denken und verantwortliches Handeln.“ Dazu stimmt ebenda 2. Viertelj. S. 128 die präzise Angabe: „Es ist das Charakteristikum der Volkspolitik, dass sie immer wie hypnotisiert auf einen Punkt starrt, der gerade im Vordergrund steht und darum den Blick für das Ganze verliert, wie ihn der Staatsmann haben muss.“