Michelangelo



- Skulpturen, Staffeleibilder, Handzeichnungen


Außer dem bereits angeführten Skulpturen existieren nur wenige, die als mit Sicherheit von Michelangelo herrührend betrachtet werden können. In der Kunstkammer zu Berlin hat man ihm drei in Blei gegossene Reliefs zugeschrieben; in den Besitz des Dr. Wilhelm in Eppingen kam ein elfenbeinernes Relief der Kreuzabnahme, welches für das Original des in der reichen Kapelle zu München befindlichen Wachsmodells gehalten wurde; in dem Minutoli'schen Institut zu Frankfurt sieht man einen herrlichen Basreliefkopf von ihm und die Sammlung des Mr. Rogers in London verwahrt ein Wachsmodell der Figur des Herzogs Giuliano de' Medici in S. Lorenzo zu Florenz. Ein überaus schönes Tonmodell des Moses, wahrscheinlich die Originalskizze von Michelangelos eigener Hand, besitzt Hr. Bernhard von Lepel. Das eigene Bildnis Michelangelos, ein herrlicher Bronzekopf im Konservatorenpalast des Capitols in Rom, gilt als seine Arbeit.

Staffeleibilder von Michelangelos Hand gibt es, mit Ausnahme des Eingangs erwähnten frühen Rundbildes der heil. Familie in der Tribüne der Uffizien zu Florenz, keine. Was man in Galerien unter seinem Namen sieht, ist fast niemals echt. In der Galerie Pitti zu Florenz gilt ein Bild der drei Parzen, strenge, scharfe, bedeutsame Gestalten, für eine Arbeit von ihm, es wurde aber von Rosso Fiorentino ausgeführt. Dagegen existieren noch verschiedene Bilder, die von seinen Schülern und ändern Künstlern nach seinen Zeichnungen und Kartons gemalt wurden, und in denen fast allen sich der großartige majestätische Geist des Meisters kund gibt, deren besonderer Wert aber natürlich immer von der größeren oder geringeren Begabung des dazu verwendeten Malers abhängt. Eine der verbreitesten und schönsten, nur hin und wieder leicht durch kleine Abänderungen von einander verschiedene, Kompositionen dieser Art, die heil. Familie, Maria mit dem Kinde, dem heil. Joseph und dem kleinen Johannes, sieht man in den Palästen Corsini und Sciarra zu Rom, in der Galerie des Belvedere zu Wien, in einigen Privatsammlungen Englands u.s.w. Das vorzüglichste Exemplar derselben aber befand sich vor nicht langer Zeit noch in der Sammlung der Kunsthändler Gebr. Woodburn zu London. Einen Christus mit der Samariterin am Brunnen, von einem der besten Schüler Michelangelos ausgeführt, verwahrt die Liverpool-Institution. Mehrfach vorhanden ist ferner eine Darstellung Christi am Ölberg, von der man Exemplare in den Galerien zu Berlin, München, Wien und im Pal. Doria zu Rom trifft (die Originalzeichnung davon in der Galerie der Uffizien zu Florenz). Besonders häufig aber kommen Bilder des gekreuzigten Heilandes vor, von denen sich u. a. ein herrliches, von Fra Sebastiane del Piombo gemaltes Exemplar im Berliner Museum befindet. Andere kleinere sieht man in der Bildersammlung zu Leightcourt (England), in der Galerie des Belvedere zu Wien u. s. w. Ein Bild: Christus, wie er die Händler aus dem Tempel vertreibt, eine reiche Komposition, äußerst zart, in 4 Zoll hohen Figuren, von Venusti in Öl ausgeführt, kam aus der Galerie Borghese in den Besitz der Kunsthändler Gebr. Woodburn. . In der Sakristei des Laterans zu Rom befindet sich eine Verkündigung Maria, die aber an Grossartigkeit und feierlicher Würde von einer ähnlichen Darstellung in der Galerie des Herzogs von Wellington zu London (deren Originalzeichnung man ebenfalls in den Uffizien zu Florenz zeigt) bei Weitem übertroffen wird. Die schöne Madonna bei der Gräfin Ferrari zu Florenz wurde wahrscheinlich nach seiner Zeichnung von Daniel da Volterra gemalt. Das einzige Bildnis, das Michelangelo gefertigt, das Porträt seines Freundes Tommaso de' Cavalieri kam später in den Besitz des Kardinals Farnese und von da wahrscheinlich mit den ändern Kunstgegenständen des Palastes Farnese nach Neapel. Unter den der Mythologie entnommenen Darstellungen Michelangelos, aus welchen derselbe großartige Sinn spricht, wie er in seinen religiösen Bildern waltet, wird besonders das Bild der Venus, welche von Amor geküsst wird, als ein Gemälde von wunderbarer Freiheit, Kraft und Lebensfülle gerühmt. Eine meisterhafte Ausfühlung dieser Komposition von der Hand des Pontormo befindet sich im königl. Palast zu Kensington bei London, eine andere, vielleicht ebenfalls von letzterem ausgeführt, im Berliner Museum; den Originalkarton davon und eine minder bedeutende Wiederholung von einem der Schüler des Meisters, sieht man im Museum von Neapel. Von einer ebenfalls mehreremale vorhandenen vorzüglichen Darstellung des vom Adler durch die Lüfte getragenen Ganymeds zeigt man ein Exemplar in der Galerie des königl. Schlosses zu Berlin, ein anderes im k. Palaste zu Kensington; noch ein anderes besonders fleißiges und gutes Exemplar in der Bildersammlung zu Corshamhouse (England). Auch in der Wiener Galerie findet sich ein denselben Gegenstand darstellendes Bild. Mehrfach ist endlich der sogenannte „Traum" des Michelangelo verbreitet, von dem sich eines der besten Exemplare, vielleicht von der Hand des Sebastian del Piombo in der Nationalgalerie zu London befindet. Es ist dies ein nackter Mensch, der auf einer Steinbank lehnt, deren Höhlung mit Larven, dem Symbol der Trüglichkeit alles Daseins, angefüllt ist; unruhig aufwärts blickend, stützt er sich auf einen Globus; ihn umschweben, halb in Wolken, Bilder des Lebens, Gestalten der Liebe und des Erbarmens, wie der wilden Gewalttat, des rohen Sinnengenusses und der dumpfen Befangenheit, von oben herunter aber schwingt sich ein Genius, der ihn mit gewaltigem Posaunenschall zur Besinnung aufruft. Eine etwas veränderte Darstellung desselben Gegenstandes in der Galerie des Belvedere zu Wien. — Einen höhern Rang nehmen natürlich solche Bilder ein, welche Michelangelo unter seinen Augen ausführen ließ, namentlich durch Fra Sebastiano del Piombo. Das wichtigste derselben ist die Auferweckung des Lazarus in der Nationalgalerie zu London; dann folgt die Geißelung Christi in San Pietro in montorio zu Rom, in Öl an die Wand gemalt, wovon man eine kleine Wiederholung im Pal. Borghese findet. Auch die Kreuzabnahme des Daniele da Volterra in Trinità de' Monti in Rom soll der Erfindung nach von Michelangelo sein.

Außerdem sind noch eine große Anzahl höchst wertvoller Handzeichnungen von Michelangelo vorhanden. Sie sind meist mit schwarzer, einige auch mit roter Kreide gezeichnet und es gibt sich darin ein vorwaltendes Bestreben nach Form und Modellierung sehr auffallend kund. Verschiedene sind mit dem tiefsten Naturgefühl im Einzelnen durchgebildet. In England findet man ihrer eine große Menge. Eine Zeichnung des sogenannten Traums des Michelangelo, einige Studien zu der bekannten Komposition des Christus am Kreuz und eine Röthel-Zeichnung des Modells zur Figur des Haman in der sixtinischen Kapelle, im Besitz der Kunsthändler Gebr. Woodburn zu London. Das britische Museum zu London verwahrt mehrere Studien nach der Natur zu einzelnen Propheten und der Figur des Adam, dem Gott das Leben einhaucht, in der Sixtina; den Entwurf zu einer heil. Familie u. s.w. In der Sammlung der Handzeichnungen im königl. Palaste zu London sieht man gegen 30 Originalzeichnungen Michelangelos, worunter: die Werke des Herkules, drei Zeichnungen in Rothstein; die Laster, welche nach der Scheibe schiessen (gest. v. Beatrizet); das sogenannte bacchanalische Kinderfest; Phaeton wird vom Sonnenwagen zur Erde geschleudert; die Auferstehung Christi; Prometheus; ferner verschiedene Studien zu einzelnen Figuren aus den sixtinischen Gemälden, und einzelne Köpfe. Tinter den Handzeichnungen des Herzogs von Devonshire in Chatsworth befinden sich mehrere Entwürfe zu Figuren an der Decke der sixtinischen Kapelle und eine flüchtige Skizze zu einer Madonna mit dem Kinde. Die Sammlung von Handzeichnungen im Christ Church College zu Oxford besitzt eine Darstellung aus Dantes Hölle in einer sehr flüchtigen Federzeichnung, mehrere Entwürfe zur Fassade eines Hauses und ein großes Blatt mit verschiedenen anatomischen Studien. Ein großer Karton, eine heil. Familie vorstellend, lebensgroß in schwarzer Kreide ausgeführt, war im Besitz des Sir Thomas Lawrence m London. Im Pal. Buonarotti zu Florenz sind eine Anzahl Zeichnungen von Michelangelo ausgestellt, unter denen die einer säugenden Madonna besonders schön ist, auch ein früherer Entwurf des Weltgerichts verdient Würdigung; wenn Michelangelo jedoch auch das dort befindliche große Bild der heil. Familie begonnen hat, kann es, der vielen Verzeichnungen und Hoheiten wegen, nicht von ihm ausgemalt worden sein. Die Brera in Mailand enthält das früher in Raphaels Besitz befindliche sogenannte Götterschiessen, il bersaglio de' Dei. Viele Zeichnungen Michelangelos, die früher in der Sammlung Wilhelms II., König der Niederlande, waren, kamen in die Hände des Kunsthändlers Woodburn zu London. — Ein Exemplar von Dantes göttlicher Komödie mit breitem Rande, auf den Michelangelo die schönsten Stellen des großen Gedichts mit der Feder gezeichnet hatte, zuletzt im Besitz des Bildhauers und Architekten Montausi (gest. 1740), ging zwischen Livorno und Civita vecchia bei einem Schiffbruche zu Grund.

Michelangelos Gedichte wurden zuerst von seinem Neffen im Jahr 1623 durch den Druck veröffentlicht und seitdem mehrfältig herausgegeben. Eine deutsche Übersetzung von Gottl. Regis mit beigedrucktem italienischem Text erschien 1842 in Berlin.

 

 

Literatur. Vasari, Leben der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Baumeister. — Ascanio Condivi, Vita di Michelangelo Buonarotti, Roma 1553. — Quatremère de Quincy, Histoire de Michelangelo Buonarotti, Paris 1835. — Cicognara, Storia della scultura, Venez. 1813—18. — Lanzi, Geschichte der Malerei in Italien.— Fiorillo, Geschichte der Malerei in Italien. — Speth, die Kunst in Italien. — Hagen, Briefe in die Heimat. — Platner, Bunsen, Gerhard und Röstel, Beschreibung der Stadt Rom. — Dr. Afr. Reumont, Ein Beitrag zum Leben Michelangelos Buonarotti. — Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte. — Kugler, Handbuch der Geschichte der Malerei — Passavant, Kunstreise durch England und Belgien. — Waagen, Kunstwerke und Künstler in England. — Waagen, Kunstwerke und Künstler in Paris. — v. Rumohr, Italienische Forschungen. — Dr. Giov. Gaye, Carteggio inedito d'Artisti der secoli XIV, XV, XVI. Firenze. — Dr. E. Guhl, Künstlerbriefe. — Jac. Burckhardt, Der Cicerone. — Abbildungen nach Michelangelos Werken findet man in: Landon, Vies et oeuvres des peintres de toutes les écoles. — Cicognara, Storia della Scultura. — Seroux d'Agincourt, Histoire de l'art par les monumens. — Denkmäler der Kunst. Bilderatlas zu Kuglers Kunstgeschichte. — Verzeichnisse der nach ihm gefertigten Kupferstiche: Nachrichten von Künstler- und Kunstsachen. Leipzig, 1768. Band 1. — Rud. Weigels Kunstkatalog.  

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