Hymne

Hymne. (Dichtkunst) Die Griechen nannten die Lobgesänge auf die Götter, welche gemeiniglich bei feierlichen Opfern abgesungen und durch den Ton der Flöten oder der Leier unterstützt wurden, Hymnos und man ist schon gewohnt, dieses Wort auch im Deutschen zu brauchen. Die Hymne macht eine besondere Gattung der Ode. Der darin herrschende Affekt ist Andacht und anbethende Bewunderung; der Inhalt eine in diesem Affekt vorgetragene Beschreibung der Eigenschaften und Werke des göttlichen Wesens; der Ton feierlich und enthusiastisch. Die Hymnen der Griechen scheinen meistenteils die heroische Versart gehabt zu haben, welche sich vorzüglich zu dem feierlich erzählenden Ton, in dem sie abgefasst sind, schickt. So wohl die, welche dem Homer zugeschrieben werden als die von Callimachus, sind von dieser Art; doch hatten sie vermutlich auch solche, die in lyrischen Strofen gesetzt waren1, von welcher Art das Carmen seculare des Horaz ist. Die prächtigsten und erhabensten Hymnen sind die, welche wir in der Sammlung der Psalmen Davids antreffen. Unter unseren heutigen gottesdienstlichen Gesängen oder geistlichen Liedern, kommen auch einige vor, die man zu den Hymnen rechnen kann. Woher es aber kommt, dass wir bei den hohen Begriffen von den Gegenständen unserer Anbetung, in den Kirchengesängen so gar wenig Hymnen haben, die dem gegenwärtigen Zustand der Erkenntnis, des Geschmacks und der Dichtkunst angemessen sind, verdiente eine ernstliche Überlegung. Sollte die Hymne, die den höchsten Gegenstand unserer Verehrung besingt, auch das schwerste Werk der Dichtkunst sein? Unsre Vorstellungskraft kann mit keinem höheren, mit keinem einnehmendern Gegenstand angefüllt sein als dem, den die Hymne besingt; das Herz kann von keinen erquikendern Rührungen getroffen werden als denen, die durch gottesdienstliche Gegenstände erweckt werden; die Seele kann keinen höheren Schwung bekommen als der ist, den die Hymne ihr geben könnte. Aber es ist höchst schwer von einem so hohen Gegenstand mit Einfalt und zugleich mit der höchsten Würde zu sprechen; das Höchste, dessen unsere Vorstellungskraft und unsere Empfindung fähig ist, popular auszudrücken. Dieses aber wird zu den Hymnen erfordert. Vielleicht denkt auch der große Haufe der Diener der Religion zu niedrig über die Gegenstände unserer gottesdienstlichen Verehrung als dass er eine Verbesserung der festlichen Lieder suchen sollte. So viel ist gewiss und in die Augen fallend, dass die wahre Feierlichkeit und Andacht bei unseren meisten heiligen Festen fehlt. Es ist zu viel kleines und bisweilen gar niedriges da, wo alles groß und feierlich sein sollte. Würden bei feierlichen Gelegenheiten gottesdienstliche Versammlungen mit der gehörigen Würde veranstalltet, dabei nur Hymnen von wahrer Kirchenmusik begleitet, abgesungen würden; so müssten sie notwendig die rührendsten und erwünschtesten Feierlichkeiten sein, die Menschen von edlen Empfindungen suchen könnten.

 

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1 In ipsis quoque hymnis Deorum per stropham et antistropham metra canoris versibus adhibebantur. Macrob. in somn. Scip. L. II. c. 3.

 


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