2. Das Zusammenstimmen des konkreten Ideals mit seiner äußerlichen Realität

 

b) Eine zweite Art der Zusammenstimmung bleibt bei diesem bloßen Ansich nicht stehen, sondern wird ausdrücklich durch die menschliche Tätigkeit und Geschicklichkeit hervorgebracht, indem der Mensch die Außendinge zu seinem Gebrauch verwendet und sich durch die hiermit erlangte Befriedigung seiner selbst mit ihnen in Harmonie setzt. Jenem ersten, bloß das Allgemeinere betreffenden Einklänge gegenüber bezieht sich diese Seite auf das Partikuläre, auf die besonderen Bedürfnisse und deren Befriedigung durch den besonderen Gebrauch der Naturgegenstände. - Dieser Kreis der Bedürftigkeit und Befriedigung ist von der unendlichsten Mannigfaltigkeit, die natürlichen Dinge jedoch sind noch unendlich vielseitiger und erlangen erst eine größere Einfachheit, insofern der Mensch seine geistige Bestimmungen in sie hineinlegt und die Außenwelt mit seinem Willen durchdringt. Dadurch vermenschlicht er sich seine Umgebung, indem er zeigt, wie sie fähig zu seiner Befriedigung sei und keine Macht der Selbständigkeit gegen ihn zu bewahren wisse. Erst vermittels dieser durchgeführten Tätigkeit ist er nicht mehr nur im allgemeinen, sondern auch im besonderen und einzelnen in seiner Umgebung für sich selber wirklich und zu Hause.

Der Grundgedanke nun, der in betreff auf die Kunst für diese ganze Sphäre geltend zu machen ist, liegt kurz in folgendem. Der Mensch, den partikulären und endlichen Seiten seiner Bedürfnisse, Wünsche und Zwecke nach, steht zunächst nicht nur überhaupt im Verhältnis zur äußeren Natur, sondern näher in dem Verhältnis der Abhängigkeit. Diese Relativität und Unfreiheit widerstrebt dem Ideal, und der Mensch, um Gegenstand der Kunst werden zu können, muß sich deshalb von dieser Arbeit und Not schon befreit und die Abhängigkeit abgeworfen haben. Der Akt der Ausgleichung beider Seiten kann nun ferner einen doppelten Ausgangspunkt nehmen, indem erstens die Natur von ihrem Teil her dem Menschen freundlich gewährt, was er bedarf, und, statt seinen Interessen und Zwecken ein Hemmnis in den Weg zu stellen, sich ihnen vielmehr von selber darbietet und auf allen Wegen entgegenkommt. Der Mensch aber zweitens hat Bedürfnisse und Wünsche, denen die Natur nicht unmittelbar Befriedigung zu verschaffen imstande ist. In diesen Fällen muß er sich das nötige Selbstgenügen durch seine eigene Tätigkeit erarbeiten; er muß die Naturdinge in Besitz nehmen, zurechtmachen, formieren, alles Hinderliche durch selbsterworbene Geschicklichkeit abstreifen und so das Äußere zu einem Mittel umwandeln, durch welches er sich allen seinen Zwecken nach auszuführen vermag. Das reinste Verhältnis nun wird da zu finden sein, wo beide Seiten zusammentreten, indem sich mit der Freundlichkeit der Natur die geistige Geschicklichkeit insoweit verbindet, daß statt der Härte und Abhängigkeit des Kampfs bereits die vollbrachte Harmonie durchweg zur Erscheinung gekommen ist.

Auf dem idealen Boden der Kunst muß die Not des Lebens schon beseitigt sein. Besitz und Wohlhabenheit, insofern sie einen Zustand gewähren, worin die Bedürftigkeit und Arbeit nicht nur für den Augenblick, sondern im ganzen verschwindet, sind daher nicht nur nichts Unästhetisches, sondern konkurrieren vielmehr mit dem Ideal, während es nur eine unwahre Abstraktion bezeigen würde, das Verhältnis des Menschen zu jenen Bedürfnissen ganz in Darstellungsarten beiseite zu lassen, welche auf die konkrete Wirklichkeit Rücksicht zu nehmen genötigt sind. Dieser Kreis gehört zwar der Endlichkeit an, aber die Kunst kann das Endliche nicht entbehren und hat es nicht als etwas nur Schlechtes zu behandeln, sondern versöhnt mit dem Wahrhaftigen zusammenzuschließen, da selbst die besten Handlungen und Gesinnungen, für sich in ihrer Bestimmtheit und ihrem abstrakten Gehalt nach genommen, beschränkt und dadurch endlich sind. Daß ich mich nähren, essen und trinken, wohnen, mich kleiden muß, eines Lagers, Sessels und so vieler anderweitiger Gerätschaften bedarf, ist allerdings eine Notwendigkeit der äußeren Lebendigkeit; aber das innere Leben zieht sich auch durch diese Seiten so sehr hindurch, daß der Mensch seinen Göttern selbst Kleidung und Waffen gibt und sie in mannigfachen Bedürfnissen und deren Befriedigung sich vor Augen stellt. Diese Befriedigung muß dann jedoch, wie gesagt, als gesichert erscheinen. Bei den fahrenden Rittern z. B. kommt das Entfernen der äußeren Not beim Zufall ihrer Abenteuer selbst nur als ein Verlassen auf den Zufall vor, wie bei den Wilden als ein Verlassen auf die unmittelbare Natur. Beides ist ungenügend für die Kunst. Denn das echt Ideale besteht nicht nur darin, daß der Mensch überhaupt über den bloßen Ernst der Abhängigkeit herausgehoben sei, sondern mitten in einem Überfluß stehe, der ihm mit den Naturmitteln ein ebenso freies als heiteres Spiel zu treiben vergönnt.

 


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