2. Das Zusammenstimmen des konkreten Ideals mit seiner äußerlichen Realität

 

Innerhalb dieser allgemeinen Bestimmungen lassen sich nun folgende zwei Punkte bestimmter voneinander sondern.

α) Der erste bezieht sich auf den Gebrauch der Naturdinge zu einer rein theoretischen Befriedigung. Hierher gehört jeder Putz und Schmuck, den der Mensch auf sich verwendet, überhaupt alle Pracht, mit der er sich umgibt. Durch solche Ausschmückung zeigt er, daß ihm das Köstlichste, was die Natur liefert, und das Schönste, was den Blick auf sich hinzieht, Gold, Edelsteine, Perlen, Elfenbein, köstliche Gewänder, - daß dies Seltenste und Strahlendste ihm nicht für sich schon interessant sei und als Natürliches gelten solle, sondern sich an ihm zu zeigen habe oder als ihm gehörig an seiner Umgebung, an dem, was er liebt und verehrt, an seinen Fürsten, seinen Tempeln, seinen Göttern. Er wählt dazu hauptsächlich dasjenige aus, was an sich als Äußeres schon als schön erscheint, reine leuchtende Farben z. B., den Spiegelglanz der Metalle, duftende Hölzer, Marmor usf. Die Dichter, hauptsächlich die orientalischen, lassen es an solchem Reichtum nicht fehlen, der auch im Nibelungenliede seine Rolle spielt, und die Kunst überhaupt bleibt nicht bei den bloßen Beschreibungen dieser Herrlichkeit stehen, sondern stattet auch ihre wirklichen Werke, wo sie es nur vermag und wo es an seiner Stelle ist, mit dem ähnlichen Reichtum aus. An der Statue der Pallas zu Athen und des Zeus zu Olympia war Gold und Elfenbein nicht gespart; die Tempel der Götter, die Kirchen, die Bilder der Heiligen, die Paläste der Könige geben fast bei allen Völkern ein Beispiel des Glanzes und der Pracht, und die Nationen erfreuten sich von jeher, in ihren Gottheiten ihren eigenen Reichtum vor Augen zu haben, wie sie sich bei der Pracht der Fürsten erfreuten, daß dergleichen vorhanden und aus ihrer Mitte hergenommen sei. - Man kann sich einen solchen Genuß freilich durch sogenannte moralische Gedanken stören, wenn man die Reflexion macht, wie viele arme Athenienser hätten von dem Mantel der Pallas gesättigt, wie viele Sklaven losgekauft werden können; und in großen Nöten des Staats sind auch bei den Alten solche Reichtümer zu nützlichen Zwecken, wie bei uns jetzt Klöster- und Kirchenschätze, verwendet worden. Weiter noch lassen sich dergleichen kümmerliche Betrachtungen nicht nur über einzelne Kunstwerke, sondern über die ganze Kunst selbst anstellen: denn welche Summen kostet einem Staate nicht eine Akademie der Künste oder der Ankauf von alten und neuen Werken der Kunst und die Aufstellung von Galerien, Theatern, Museen. Aber wieviel moralische und rührende Bewegungen man darüber auch erregen mag, so ist dies allein dadurch möglich, daß man die Not und Bedürftigkeit wieder ins Gedächtnis zurückruft, deren Beseitigung gerade von der Kunst gefordert wird, so daß es jedem Volke nur zum Ruhme und zur höchsten Ehre gereichen kann, für eine Sphäre seine Schätze hinzugeben, welche innerhalb der Wirklichkeit selbst über alle Not der Wirklichkeit verschwenderisch hinaushebt.

 


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