I. [Durch die Geldwirtschaft vermitteltes Übergewicht der intellektuellen über die Gefühlsfunktionen; Charakterlosigkeit und Objektivität des Lebensstiles]
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Die Anzahl und Reihenlänge der Mittel, die den Inhalt unserer Tätigkeit bilden, entwickelt sich also proportional mit der Intellektualität, als dem subjektiven Repräsentanten der objektiven Welt Ordnung. Da nun jedes Mittel als solches völlig indifferent ist, so knüpfen sich alle Gefühlswerte im Praktischen an die Zwecke, an die Haltepunkte des Handelns, deren Erreichtheit nicht mehr in die Aktivität, sondern nur in die Rezeptivität unserer Seele ausstrahlt. Je mehr solcher Endstationen unser praktisches Leben enthält, desto stärker wird sich also die Gefühlsfunktion gegenüber der Intellektfunktion betätigen. Die Impulsivität und Hingegebenheit an den Affekt, die von Naturvölkern so vielfach berichtet wird, hängt sicher mit der Kürze ihrer teleologischen Reihen zusammen. Ihre Lebensarbeit hat nicht die Kohäsion der Elemente, die in höheren Kulturen durch den einheitlich das Leben durchziehenden »Beruf« geschaffen wird, sondern besteht aus einfachen Interessenreihen, die, wenn sie ihr Ziel überhaupt erreichen, es mit relativ wenig Mitteln tun; wozu besonders viel die Unmittelbarkeit der Bemühung um den Nahrungserwerb beiträgt, die dann in höheren Verhältnissen fast durchgehends vielgliedrigen Zweckreihen Platz macht. Unter diesen Umständen ist Vorstellung und Genuß von Endzwecken ein relativ häufiger, das Bewußtsein der sachlichen Verknüpfungen und der Wirklichkeit, die Intellektualität, tritt seltener in Funktion, als die Gefühlsbegleitungen, die sowohl die unmittelbare Vorstellung wie den realen Eintritt der Endzwecke charakterisieren. Noch das Mittelalter hatte durch die ausgedehnte Produktion für den Selbstbedarf, durch die Art des Handwerksbetriebes, durch die Vielfachheit und Enge der Einungen, vor allem durch die Kirche eine viel größere Zahl definitiver Befriedigungspunkte des Zweckhandelns, als die Gegenwart, in der die Umwege und Vorbereitungen zu solchen ins Endlose wachsen, wo der Zweck der Stunde so viel häufiger über die Stunde hinaus, ja, über den Gesichtskreis des Individuums hinausliegt. Diese Verlängerung der Reihen bringt das Geld zunächst dadurch zustande, daß es ein gemeinsames, zentrales Interesse über sonst auseinanderliegenden schafft und sie dadurch in Verbindung bringt, so daß die eine zur Vorbereitung der anderen, ihr sachlich ganz fremden, werden kann (indem z.B. der Geldertrag der einen und damit sie als Ganzes zum Unternehmen der anderen dient). Das Wesentliche aber ist die allgemeine, nach ihrem Zustandekommen bereits früher besprochene Tatsache, daß das Geld allenthalben als Zweck empfunden wird und damit außerordentlich viele Dinge, die eigentlich den Charakter des Selbstzwecks haben, zu bloßen Mitteln herabdrückt. Indem nun aber das Geld selbst überall und zu allem Mittel ist, werden dadurch die Inhalte des Daseins in einen ungeheuren teleologischen Zusammenhang eingestellt, in dem keiner der erste und keiner der letzte ist. Und da das Geld alle Dinge mit unbarmherziger Objektivität mißt und ihr Wertmaß, das sich so herausstellt, ihre Verbindungen bestimmt - so ergibt sich ein Gewebe sachlicher und persönlicher Lebensinhalte, das sich an ununterbrochener Verknüpftheit und strenger Kausalität dem naturgesetzlichen Kosmos nähert und von dem alles durchflutenden Geldwert so zusammengehalten wird, wie die Natur von der alles belebenden Energie, die sich ebenso wie jener in tausend Formen kleidet, aber durch die Gleichmäßigkeit ihres eigentlichen Wesens und die Rückverwandelbarkeit jeder ihrer Umsetzungen jedes mit jedem in Verbindung setzt und jedes zur Bedingung eines jeden macht. Wie nun aus der Auffassung der natürlichen Prozesse alle Gefühlsbetonungen verschwunden und durch die eine objektive Intelligenz ersetzt worden sind, so scheiden die Gegenstände und Verknüpfungen unserer praktischen Welt, indem sie mehr und mehr zusammenhängende Reihen bilden, die Einmischungen des Gefühles aus, die sich nur an teleologischen Endpunkten einstellen, und sind nur noch Objekte der Intelligenz, die wir an der Hand dieser benutzen. Die steigende Verwandlung aller Lebensbestandteile in Mittel, die gegenseitige Verbindung der sonst mit selbstgenügsamen Zwecken abgeschlossenen Reihen zu einem Komplex relativer Elemente ist nicht nur das praktische Gegenbild der wachsenden Kausalerkenntnis der Natur und der Verwandlung des Absoluten in ihr in Relativitäten; sondern, da alle Struktur von Mitteln - für unsere jetzige Betrachtung - eine von vorwärts betrachtete Kausalverbindung ist, so wird damit auch die praktische Welt mehr und mehr zu einem Problem für die Intelligenz; oder genauer: die vorstellungsmäßigen Elemente des Handelns wachsen objektiv und subjektiv zu berechenbaren, rationellen Verbindungen zusammen und schalten dadurch die gefühlsmäßigen Betonungen und Entscheidungen mehr und mehr aus, die sich nur an die Cäsuren des Lebensverlaufes, an die Endzwecke in ihm, anschließen.
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