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III. [Beharrung und Bewegung als Kategorien des Weltverständnisses, ihre Synthese in dem Relativitätscharakter des Seins, das Geld als historisches Symbol desselben]

 

Wenn man den Beitrag zur Bestimmung des Lebenstempos charakterisieren will, den das Geld durch seinen eigenen Charakter und abgesehen von seinen zuerst besprochenen technischen Folgen liefert, so könnte man es mit folgender Überlegung. Die genauere Analyse des Beharrungs- und Veränderungsbegriffes zeigt einen doppelten Gegensatz in der Art, wie er sich verwirklicht. Sehen wir die Welt auf ihre Substanz hin an, so münden wir leicht auf der Idee eines hen kai pan, eines unveränderlichen Seins, das durch den Ausschluß jeder Vermehrung oder Verminderung den Dingen den Charakter eines absoluten Beharrens erteilt. Sieht man andrerseits auf die Formung dieser Substanz, so ist in ihr die Beharrung absolut aufgehoben, unaufhörlich setzt sich eine Form in die andere um und die Welt bietet das Schauspiel eines Perpetuum mobile. Dies ist der kosmologische, oft genug ins Metaphysische hinaus gedeutete Doppelaspekt des Seienden. Innerhalb einer tiefer gelegenen Empirie indes verteilt sich der Gegensatz zwischen Beharrung und Bewegung in anderer Weise. Wenn wir nämlich das Weltbild, wie es sich unmittelbar darbietet, betrachten, so sind es gerade gewisse Formen, die eine Zeit hindurch beharren, während die realen Elemente, die sie zusammensetzen, in fortwährender Bewegung befindlich sind. So beharrt der Regenbogen bei fortwährender Lageveränderung der Wasserteilchen, die organische Form bei stetem Austausch der sie erbauenden Stoffe, ja, an jedem unorganischen Ding, das eine Weile als solches besteht, beharrt doch nur das Verhältnis und die Wechselwirkung seiner kleinsten Teile, während diese selbst in unaufhörlichen molekularen Bewegungen, unserem Auge entzogen, begriffen sind. Hier ist also die Realität selbst in rastlosem Flusse, und während wir diesen, sozusagen wegen mangelnder Sehschärfe, nicht unmittelbar konstatieren können, verfestigen sich die Formen und Konstellationen der Bewegungen zu der Erscheinung des dauernden Objektes.

Neben diesen, beiden Gegensätzen in der Anwendung des Beharrungs- und Bewegungsbegriffes auf die vorgestellte Welt steht ein dritter. Die Beharrung kann nämlich einen Sinn haben, der sie jenseits jeder noch so ausgedehnten Zeitdauer stellt. Der einfachste, aber für uns hier zureichende Fall derselben ist das Naturgesetz. Die Gültigkeit des Naturgesetzes beruht darin, daß aus einer gewissen Konstellation von Elementen eine bestimmte Wirkung sachlich notwendig erfolgt. Diese Notwendigkeit ist also ganz unabhängig davon, wann ihre Bedingungen sich in der Wirklichkeit etwa einstellen; einmal oder millionenmal, jetzt oder in hunderttausend Jahren; die Gültigkeit des Gesetzes ist eine ewige im Sinne der Zeitlosigkeit; es schließt seinem Wesen und Begriffe nach jegliche Veränderung oder Bewegung von sich aus. Dafür ist es hier unwesentlich, daß wir keinem einzelnen Naturgesetz diese unbedingte Gültigkeit mit unbedingter Sicherheit zusprechen dürfen: und zwar nicht nur wegen der unvermeidlichen Korrigierbarkeit unseres Erkennens überhaupt, das die oft wiederholte, aber zufällige Kombination der Erscheinungen durch kein unfehlbares Kriterium von dem wirklichen gesetzlichen Zusammenhang unterscheiden kann; sondern vor allem, weil jedes Naturgesetz doch nur für eine bestimmte geistige Verfassung gilt, während für eine andere eine abweichende Formulierung desselben Sachverhaltes Wahrheit bedeuten würde. Da nun aber der menschliche Geist einer, wie auch langsamen und unmerkbaren Entwicklung unterliegt, so kann es kein, in einem gegebenen Augenblick gültiges Gesetz geben, das der Umwandlung im Laufe der Zeiten entzogen wäre. Allein dieser Wechsel betrifft nur den jeweils erkennbaren Inhalt der Naturgesetzlichkeit, nicht den Sinn und Begriff derselben; die Idee des Gesetzes, die über jeder einzelnen ihrer unvollkommenen Verwirklichungen steht, aus der diese aber doch ihr ganzes Recht und Bedeutung ziehen - beruht in jenem Jenseits aller Bewegung, jenem Gelten, das von allen Gegebenheiten, weil sie veränderlich sind, unabhängig ist. Zu dieser eigentümlichen absoluten Form des Beharrens muß es ein Seitenstück in einer entsprechenden Form der Bewegung geben. Wie sich das Beharren über jede noch so weite Zeitstrecke hinaus steigern läßt, bis in der ewigen Gültigkeit des Naturgesetzes oder der mathematischen Formel jede Beziehung auf einen gestimmten Zeitmoment schlechthin ausgelöscht ist: so läßt sich die Veränderung und Bewegung als eine so absolute denken, daß überhaupt ein bestimmtes Zeitmaß derselben nicht mehr besteht; geht alle Bewegung zwischen einem Hier und einem Dort vor sich, so ist bei dieser absoluten Veränderung - der species aeternitatis mit umgekehrtem Vorzeichen - das Hier vollkommen verschwunden. Haben jene zeitlosen Objekte ihre Gültigkeit in der Form des Beharrens, so diese in der Form des Übergangs, der Nicht-Dauer. Es ist mir nun kein Zweifel, daß auch dieses Gegensatzpaar weit genug ist, um ein Weltbild darein zu fassen. Wenn man, einerseits, alle Gesetze kennte, die die Wirklichkeit beherrschen, so würde diese letztere durch den Komplex jener tatsächlich auf ihren absoluten Gehalt, ihre zeitlos ewige Bedeutung zurückgeführt sein - wenngleich sich die Wirklichkeit selbst daraus noch nicht konstruieren ließe, weil das Gesetz als solches, seinem ideellen Inhalt nach, sich gegen jeden einzelnen Fall seiner Verwirklichung ganz gleichgültig verhält. Gerade weil aber der Inhalt der Wirklichkeit restlos in den Gesetzen aufgeht, die unaufhörlich Wirkungen aus Ursachen hervortreiben und, was soeben Wirkung war, im gleichen Augenblick schon als Ursache wirken lassen - gerade deshalb kann man nun, andrerseits, die Wirklichkeit, die konkrete, historische, erfahrbare Erscheinung der Welt in jenem absoluten Flusse erblicken, auf den Heraklits symbolische Äußerungen hindeuten. Bringt man das Weltbild auf diesen Gegensatz, so ist alles überhaupt Dauernde, über den Moment Hinausweisende aus der Wirklichkeit herausgezogen und in jenem ideellen Reich der bloßen Gesetze gesammelt; in der Wirklichkeit selbst dauern die Dinge überhaupt keine Zeit, durch die Rastlosigkeit, mit der sie sich in jedem Moment der Anwendung eines Gesetzes darbieten, wird jede Form schon im Augenblick ihres Entstehens wieder aufgelöst, sie lebt sozusagen nur in ihrem Zerstörtwerden, jede Verfestigung ihrer zu dauernden - wenn auch noch so kurz dauernden - Dingen ist eine unvollkommene Auffassung, die den Bewegungen der Wirklichkeit nicht in deren eigenem Tempo zu folgen vermag. So ist es das schlechthin Dauernde und das schlechthin Nicht-Dauernde, in die und deren Einheit das Ganze des Seins ohne Rest aufgeht.

 


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