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III. [Rolle des Geldes in diesem Doppelprozeß]

 

Die gleiche Funktion des Geldes für den Lebensstil steigt nun noch tiefer in das Einzelsubjekt selbst hinab, als Distanzierung nicht gegen andere Personen, sondern gegen die Sachgehalte des Lebens. Schon daß ein Vermögen heute aus Produktionsmitteln, statt wie in primitiven Epochen aus Konsumtionsmitteln besteht, ist eine enorme Distanzierung. Wie sich in die Herstellung der Kulturobjekte selbst immer mehr und mehr Stationen einschieben - indem das Produkt immer weiter vom Rohstoff abliegt -, so stellt die jetzige Art des Vermögensbesitzes den Eigentümer technisch und infolgedessen auch innerlich in eine viel weitere Entfernung von dem definitiven Zwecke alles Vermögens, als zu den Zeiten, wo Vermögen nur die Fülle unmittelbarer Konsumtionsmöglichkeiten bedeutete. Auf dem Gebiet der Produktion wird der gleiche innere Erfolg durch die Arbeitsteilung begünstigt, die durch das Geldwesen wechselwirkend bedingt ist. Je weniger jeder Einzelne ein Ganzes schafft, desto durchgehender erscheint sein Tun als bloßes Vorstadium, desto weiter scheint die Quelle seiner Wirksamkeiten von deren Mündung, dem Sinn und Zweck der Arbeit, abgerückt. Und nun unmittelbar: wie sich das Geld zwischen Mensch und Mensch schiebt, so zwischen Mensch und Ware. Seit der Geldwirtschaft stehen uns die Gegenstände des wirtschaftlichen Verkehrs nicht mehr unmittelbar gegenüber, unser Interesse an ihnen wird erst durch das Medium des Geldes gebrochen, ihre eigene sachliche Bedeutung rückt dem Bewußtsein ferner, weil ihr Geldwert diese aus ihrer Stelle in unseren Interessenzusammenhängen mehr oder weniger herausdrängt. Erinnern wir uns der früheren Ausmachungen, wie oft das Zweckbewußtsein auf der Stufe des Geldes halt macht, so zeigt sich, daß das Geld uns mit der Vergrößerung seiner Rolle in immer weitere psychische Distanz zu den Objekten stellt, oft in eine solche, daß ihr qualitatives Wesen uns davor ganz außer Sehweite rückt und die innere Berührung mit ihrem vollen, eigenen Sein durchbrochen wird. Und das gilt nicht nur für die Kulturobjekte. Unser ganzes Leben wird durch die Entfernung auch von der Natur gefärbt, die das geldwirtschaftliche und das davon abhängige städtische Leben erzwingt. Allerdings wird vielleicht erst durch sie die eigentlich ästhetische und romantische Empfindung der Natur möglich. Wer es nicht anders kennt, als in unmittelbarer Berührung mit der Natur zu leben, der mag ihre Reize wohl subjektiv genießen, aber ihm fehlt die Distanz zu ihr, aus der allein ein eigentlich ästhetisches Betrachten ihrer möglich ist, und durch die außerdem jene stille Trauer, jenes Gefühl sehnsüchtigen Fremdseins und verlorener Paradiese entsteht, wie sie das romantische Naturgefühl charakterisieren. Wenn der moderne Mensch seine höchsten Naturgenüsse in den Schneeregionen der Alpen und an der Nordsee zu finden pflegt, so ist das wohl nicht allein durch das gesteigerte Aufregungsbedürfnis zu erklären; sondern auch so, daß diese unzugängige, uns eigentlich zurückstoßende Welt die äußerste Steigerung und Stilisierung dessen darstellt, was uns Natur überhaupt noch ist: ein seelisches Fernbild, das selbst in den Augenblicken körperlicher Nähe wie ein innerlich Unerreichbares, ein nie ganz eingelöstes Versprechen vor uns steht und selbst unsere leidenschaftlichste Hingabe mit einer leisen Abwehr und Fremdheit erwidert. Daß erst die moderne Zeit die Landschaftsmalerei ausgebildet hat - die, als Kunst, nur in einem Abstand vom Objekte und im Bruch der natürlichen Einheit mit ihm leben kann - und daß auch erst sie das romantische Naturgefühl kennt, das sind die Folgen jener Distanzierung von der Natur, jener eigentlich abstrakten Existenz, zu der das auf die Geldwirtschaft gebaute Stadtleben uns gebracht hat. Und dem widerspricht nicht, daß gerade der Geldbesitz uns die Flucht in die Natur gestattet. Denn gerade daß sie für den Stadtmenschen nur unter dieser Bedingung zu genießen ist, das schiebt - in wie vielen Umsetzungen und bloßen Nachklängen auch immer - zwischen ihn und sie jene Instanz ein, die nur verbindet, indem sie zugleich trennt.

 


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