Der unsichtbare Schäfer
Es riefen mal drei Zwerge
Vor einem hohlen Berge:
„Vater Klaus, Vater Klaus,
Wirf Hütchen heraus!“
Und eins, zwei, drei im selben Nu
Fliegt jedem Zwerg ein Hütchen zu.
„Juhe! Jetzt kann uns keiner sehn,
Wenn wir zur Bauernhochzeit gehn.“
Der Schäferbartel, der im Gras
Versteckt gelegen, hört’ und sah’s.
Potztausend! — denkt er sich —
Das wär’ so was für mich.
„Vater Klaus, Vater Klaus,
Wirf ’n Hütchen heraus.“
Und richtig fliegt im selben Nu
Auch ihm ein solches Hütchen zu.
So schleicht er heimlich allgemach
Ins Dorf den klugen Zwergen nach;
Und also kommen diese Gäste
Ganz unbemerkt zum Hochzeitsfeste.
Da schmaust man grad nach alter Weis’
Den süßen Zimt= und Zuckerreis.
Hei! Wie dem Bartel das gefiel;
Faßt flugs den Löffel bei dem Stiel
Und führt ihn emsig hin und her;
Und wie er spürt, er kann nicht mehr —
Schlapp! — so zum Spaß
Schlägt er den Löffel
Dem Nachbarn Töffel
Auf seine Nas.
Der wischt und wischt und staunt und spricht:
„Hier fühl’ ich was und seh’ es nicht.“
Gleich bleibt, als dies geschehn,
Ein Zwerglein stutzig stehn
Und flüstert: „Seht mal den!
Der Schäfer hier
Hat ’nen Hut wie wir.
Paßt auf und kuckt!
Wenn er sich duckt,
Dann zieht dem langen Tropfe
Geschwind den Hut vom Kopfe.“
Der Bartel, arglos und vergnügt,
Geht eben hin wo’s Fäßlein liegt.
Da bückt er sich und macht sich klein
Und rührt den Hahn und zapft sich Wein.
Und — wutsch! — ist’s Hütlein weg.
Das war ein Schreck.
Da sitzt er vor dem Faß,
So sichtbar wie nur was.
Ho! heißt es jetzt und angefaßt!
Hinaus mit diesem frechen Gast!
Und alsogleich in einem Bogen
Kommt er zur Tür herausgeflogen.
Die Zwerge kichern,
Sie sind im sichern.
Sie nippen und naschen
Und füllen die Taschen
Von niemand gesehn,
Bis morgens früh die Hähne krähn.
Dann noch zu dritt ein Kännchen.
Husch! Fort sind die Männchen.
Weit draus im Felde, kurz vor Tag,
In seinem Schäferkarren lag
Der Bartel bei den Schafen
Und konnte noch nicht schlafen.
Tripptripp! Was feine Tritte?
Es klopft an seine Hütte:
„He, Bartel, Bartel,
Willst wieder mit?“
Im Kasten tönt ein kurz Gebrumm.
Der Bartel rührt sich nit;
Weiß wohl warum.