832. Irre¹⁾. Unsinnig²⁾. Sinnlos³⁾. Verrückt⁴⁾. Wahnsinnig⁵⁾. Wahnwitzig⁶⁾.
Irre (eig. umherschweifend, dann einer, der den rechten Weg verfehlt hat und nun suchend bald hierin, bald dorthin schweift) wird der genannt, dessen Gedanken keinen innern Zusammenhang untereinander und keine Übereinstimmung mit der Wirklichkeit haben. Ein Fieberkranker z. B. redet irre. Irre ist der mildeste Ausdruck, dessen man sich zur Bezeichnung einer geistigen Störung bedient; er wird besonders in den Zusammensetzungen: Irrenanstalt, Irrenhaus, Irrenarzt u. a. gebraucht. Sinnlos bezeichnet den Zustand, in welchem jemand entweder des Gebrauchs seiner Sinne, des Bewußtseins überhaupt, oder der klaren Tätigkeit des Verstandes und der Vernunft beraubt ist. Unsinnig bedeutet nur das letzere: den Zustand, in welchem die Verrichtungen des Verstandes und der Vernunft gehemmt sind, so daß der Unsinnige allerlei Törichtes begeht, Handlungen, welche aller Vernunft widersprechen. Es kann ein Mensch auch durch einen heftigen Schlag auf den Kopf, durch die starke Erschütterung der Werkzeuge des Bewußtseins sinnlos zur Erde fallen; unsinnig könnte man ihn in diesem Falle nicht nennen. Sinnlos und unsinnig bezeichnen aber nur vorübergehende Zustände dieser Art, verrückt, wahnsinnig und wahnwitzig dagegen werden nur von einem dauernden Zustande geistiger Störung gebraucht. Verrückt (von verrücken, d. h. aus der Ordnung bringen) ist der, dessen Verstand in Unordnung geraten ist; besonders nennt man so denjenigen, der das, was ihm bloß seine Phantasie vorbildet, wirklich zu empfinden, zu sehen, zu hören, zu fühlen glaubt. Das Wort bezeichnet einen geringeren Grad geistiger Störung, als wahnsinnig, ist aber in edlem Stile nicht gebräuchlich. Den höchsten Grad geistiger Störung, eine völlige Zerrüttung des Verstandes drückt das Wort Wahnsinn aus (aus mhd. wan, d. i. mangelnd, mangelhaft, und sin, d. i. Geist, Verstand, zusammengesetzt; dieses Adjektivum wan haben wir nicht mehr, wohl aber das zu ihm gehörige Substantivum wân, d. i. falsche Meinung, die eben eine Folge des mangelhaften Verstandes ist). Wahnwitz (aus wana-, ermangelnd, got. wans, mangelhaft, fehlend, und mhd. witze, ahd. wizzî, Wissen, Verstand, Weisheit zusammengesetzt, vgl. althochd. wana-wizzi, mangelhaft, vernünftig, vgl. Art. 12). bezeichnet einen Zustand, in dem der Mensch durch fürchterliche Phantasiebilder, die er für wirklich hält, mit Entsetzen erfüllt wird, oder in dem er mit aller Energie Unheilvolles, das ihm sein umnachteter Geist eingibt, zu verwirklichen strebt. „Bin ich im Wahnwitz? Kam nicht eben jemand | vorbei und rief, die Königin sei ermordet? | Nein, nein, mir träumte nur. Ein Fieberwahn | bringt mir als wahr und wirklich vor den Sinn, | was die Gedanken gräßlich mir erfüllt.“ Schiller, M. Stuart III, 8. Besonders wird unter Wahnwitz aber auch das zu abgeschmackten Reden und zu törichten Taten führende Bestreben eines geistlosen oder geistig schwachen Menschen verstanden, unerforschbare Dinge zu ergründen oder Unausführbares zu unternehmen. Man sagt von einem solchen: Er redet wahnwitzige Dinge u. ähnl.