Ewiger Friede
Friede, ewiger. Der Zustand einer Regelung des Verhältnisses zwischen den Staaten rein durch Rechtsprinzipien, die dem Kriege (s. d.) ein Ende machen, ist ein Ideal, das schließlich in der Geschichte sich auch verwirklichen könnte, so unausführbar es erscheint. „Präliminarartikel zum ewigen Frieden unter den Staaten“: 1. „Es soll kein Friedensschluß für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.“ 2. „Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem anderen Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können.“ 3. „Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.“ „Denn sie bedrohen andere Staaten unaufhörlich mit Krieg durch die Bereitschaft, immer dazu gerüstet zu erscheinen; reizen diese an, sich einander in Menge der Gerüsteten, die keine Grenzen kennt, zu übertreffen, und indem durch die darauf verwandten Kosten der Friede endlich noch drückender wird als ein kurzer Krieg, so sind sie selbst Ursache von Angriffskriegen, um diese Last loszuwerden.“ 4. „Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äußere Staatshändel gemacht werden.“ 5. „Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staats gewalttätig einmischen.“ 6. „Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andern solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen in künftigen Frieden unmöglich machen müssen.“ „Der Friedenszustand unter Menschen, die nebeneinander leben, ist kein Naturzustand (status naturalis), der vielmehr ein Zustand des Krieges ist, wenngleich nicht immer ein Ausbruch der Feindseligkeiten, doch immerwährende Bedrohung mit denselben. Er muß also gestiftet werden.“ „Definitivartikel zum ewigen Frieden“: 1. „Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein:“ 2. „Das Völkerrecht soll auf einem Föderalism freier Staaten gegründet sein.“ 3. „Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein.“ „Geheimer Artikel zum ewigen Frieden.“: „Die Maximen der Philosophen über die Bedingungen der Möglichkeit des öffentlichen Friedens sollen von den zum Kriege gerüsteten Staaten zu Rate gezogen werden“, Z. ew. Fried. (VI 118 ff.). Da die Vernunft „vom Throne der höchsten moralisch gesetzgebenden Gewalt herab den Krieg (s. d.) als Rechtsgang schlechterdings verdammt, den Friedenszustand dagegen zur unmittelbaren Pflicht macht, welcher doch, ohne einen Vertrag der Völker unter sich, nicht gestiftet oder gesichert werden kann“, „so muß es einen Bund von besonderer Art geben, den man den Friedensbund (foedus pacificum) nennen kann, der vom Friedensvertrag (pactum pacis) darin unterschieden sein würde, daß dieser bloß einen Krieg, jener aber alle Kriege auf immer zu endigen suchte. Dieser Bund geht auf keinen Erwerb irgendeiner Macht des Staats, sondern lediglich auf Erhaltung und Sicherung der Freiheit eines Staats für sich selbst und zugleich anderer verbündeter Staaten, ohne daß diese doch sich deshalb (wie Menschen im Naturzustande) öffentlichen Gesetzen, und einem Zwange unter denselben unterwerfen dürfen“, ibid. 2. Abs. 2. Artikel (VI 133). Was den ewigen Frieden garantiert, ist die aus dem Naturlauf sichtbarliche Zweckmäßigkeit, „durch die Zwietracht der Menschen Eintracht selbst wider Wollen emporkommen zu lassen.“ „Wenn es Pflicht, wenn zugleich gegründete Hoffnung da ist, den Zustand eines öffentlichen Rechts, obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung wirklich zu machen, so ist der ewige Friede, der auf die bisher fälschlich so genannten Friedensschlüsse (eigentlich Waffenstillstände) folgt, keine leere Idee, sondern eine Aufgabe, die, nach und nach aufgelöst, ihrem Ziele (weil die Zeiten, in denen gleiche Fortschritte geschehen, hoffentlich immer kürzer werden) beständig näher kommt“, ibid. Anh. II (VI 169). Der wechselseitige Eigennutz der Völker vereinigt sie. „Es ist der Handelsgeist, der mit dem Kriege nicht zusammen bestehen kann, und der früher oder später sich jedes Volks bemächtigt. Weil nämlich unter allen der Staatsmacht untergeordneten Mächten (Mitteln) die Geldmacht wohl die zuverlässigste sein möchte, so sehen sich Staaten ... gedrungen, den edlen Frieden zu befördern und, wo auch immer in der Welt Krieg auszubrechen droht, ihn durch Vermittelungen abzuwehren, gleich als ob sie deshalb im beständigen Bündnisse ständen.“ „Auf die Art garantiert die Natur durch den Mechanism in den menschlichen Neigungen selbst den ewigen Frieden; freilich mit einer Sicherheit, die nicht hinreichend ist, die Zukunft desselben (theoretisch) zu weissagen, aber doch in praktischer Absicht zulangt und es zur Pflicht macht, zu diesem (nicht bloß chimärischen) Zwecke hinzuarbeiten“, ibid. 2. Abs. 1. Zusatz (VI 148).
Der ewige Friede, „das letzte Ziel des ganzen Völkerrechts“, ist eine „unausführbare Idee“, aber man kann sich ihm annähern. „Man kann einen solchen Verein einiger Staaten, um den Frieden zu erhalten, den permanenten Staatenkongreß nennen, zu welchem sich zu gesellen jedem benachbarten unbenommen bleibt; dergleichen ... in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in der Versammlung der Generalstaaten im Haag noch stattfand; wo die Minister der meisten europäischen Höfe und selbst die kleinsten Republiken ihre Beschwerden über die Befehdungen, die einem von dem anderen widerfahren waren, anbrachten und so sich ganz Europa als einen einzigen föderierten Staat dachten, den sie in jener ihren öffentlichen Streitigkeiten gleichsam als Schiedsrichter annahmen.“ So allein kann „die Idee eines zu errichtenden öffentlichen Rechts der Völker, ihre Streitigkeiten auf zivile Art, gleichsam durch einen Prozeß, nicht auf barbarische (nach Art der Wilden), nämlich durch Krieg zu entscheiden, realisiert werden“, MSR § 61 (III 180 f.). — Diese Vernunftidee einer friedlichen Gemeinschaft aller Völker auf Erden ist ein rechtliches Prinzip, das eines „Weltbürgerrechts“, ibid. § 62 (III 182 f.). — Die moralisch-praktische Vernunft spricht ihr Veto aus: „Es soll kein Krieg sein.“ Also ist nicht die Frage, ob der ewige Friede ein Ding oder Unding sei, „sondern wir müssen so handeln, als ob das Ding sei, was vielleicht nicht ist, auf Begründung desselben und diejenige Konstitution, die uns dazu die tauglichste scheint (vielleicht den Republikanismus aller Staaten samt und sonders) hinwirken, um ihn herbeizuführen und dem heillosen Kriegführen, worauf als den Hauptzweck bisher alle Staaten ohne Ausnahme ihre inneren Anstalten gerichtet haben, ein Ende zu machen“. Durch „allmähliche Reform“ kann uns diese Verfassung in kontinuierlicher Annäherung zum höchsten politischen Gut, zum ewigen Frieden, hinleiten, ibid. Beschluß (III 185 f.); vgl. Lose Bl. F 8. Vgl. Völkerrecht, Staatsverfassung.