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Hecht im Karpfenteich

Hecht im Karpfenteich, diese sicherlich alte Wendung wird von Heinrich Leo mit besonderer Pointierung auf Napoleon III. gemünzt und so zu einem seit 1860 oft verspotteten politischen Stichwort. Nach Gombert, Festg. gebrauchte Leo die Wendung in diesem Sinne wiederholt im Volksblatt f. Stadt u. Land, „wo er Napoleon den Dritten den seiner Meinung nach allzu ruheseligen Regierungen und Völkern Europas gegenüberstellt und ihn gleichsam als einen in den stehenden europäischen Teich von der Vorsehung gesetzten Hecht bezeichnet.“ Scharfen Spott erfährt Leo darob z. B. vom Kladd. 1860, 5:

 
„Endlich an dem „Karpfenteiche“ dankt er grüßend ab die Knechte,
Bettet sich im Schlamm, zu träumen von dem „gottgesandten Hechte“.“

Ähnlich die Demokr. Studien (1860) S. 473: „Keiner jener Leoschen Hechte, welche die Vorsehung von Zeit zu Zeit in den stagnierenden Karpfenteich der Weltgeschichte setzt.“

Nach Gomberts Vermutung könnte Leo angeregt worden sein durch Görres, Charakt. u. Krit. (1804) S. 52: „In dem seichten Gewässer hockten in aller Behaglichkeit die deutschen Karpfen und saßen fest aus dem Grunde und rührten sich nicht und fraßen Schlamm und wurden fett dabei. Es mussten welche von mehr tätiger, selbständiger Natur, aus dem Hechtgeschlecht aufstehen und unter sie fahren und sie aus dem Moder heraustreiben, wenn sie genießbar werden sollten.“ Vgl. auch Bettina, Dies Buch (1852) S. 382: „Dies Einzige wäre zu versuchen, wenn man ihn bewegen könnte, den großen Karpfenteig der Wissenschaft den Verbrechern zu öffnen". Aufs wirksamste aber wurde das halb verklungene Stichwort neu belebt, als Bismarck, Polit. Reden 12, 456 (am 6. Febr. 1888) in seiner berühmten Reichstagsrede offenbar an Leos Gedanken wieder anknüpfte, indem er die Stellung Deutschlands zwischen den beiden kriegerisch gesinnten Nachbarstaaten Frankreich und Rußland damit charakterisierte: „So bekommen wir gewisser Maßen von beiden Seiten die Sporen und werden zu einer Anstrengung gezwungen, die wir vielleicht sonst nicht machen würden. Die Hechte im europäischen Karpfenteich hindern uns, Karpfen zu werden, indem sie uns ihre Stacheln in unseren beiden Flanken fühlen lassen. …. Wir müssen dieser Bestimmung der Vorsehung aber auch entsprechen, indem wir uns so stark machen, dass die Hechte uns nicht mehr tun, als uns ermuntern.“ Siehe auch Gomberts Nachtrag, ZfdW. 7, 146.