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Halbwelt

Halbwelt, dies seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts rasch eingebürgerte verächtliche Schlagwort ist übernommen aus dem französischen Lustspiel „Le Demi-monde“, welches der jüngere Dumas im Jahre 1855 erscheinen ließ. Allerdings will der Schöpfer dieses Ausdrucks selbst damit eine enger begrenzte Gesellschaftsklasse charakterisieren. Lindau, Lit. Rücksichtslosigkeiten, übersetzt S. 154 aus der Vorrede des Stückes unter anderem die lehrreiche Definition: „Wir werden ein für allemal für die Lexikographen der Zukunft feststellen, dass die Demimonde keineswegs, wie man es glaubt und druckt, den großen Haufen der Kourtisanen, sondern nur diejenigen Weiber bezeichnen soll, welche aus der guten Gesellschaft in die schlechte gesunken sind (les déclassées). Nicht jede, die da will, gehört also zur Demi-monde. Diese Gesellschaft besteht in der Tat ausschließlich aus Frauen aus guter Familie, die als junge Mädchen, als Frauen und Mütter in den besten Kreisen mit völliger Berechtigung verkehren durften und die sich auf und davon gemacht haben.“

Als ihr fester Grundsatz wird betont: „„Wir geben, aber wir verkaufen nicht“; und sie verstoßen aus ihrer Mitte die Häuslichen, wie sie aus ihren Kreisen ausgestoßen wurden, weil sie sich verschenkt hatten. sie gehören dem, der ihnen gefällt, nicht denen, welchen sie gefallen.“ Vergl. Büchmann, S. 360.

Aber weder das deutsche Halbwelt (siehe Sanders 3, 1555b und DWb.), noch das französische demi-monde (vergl. Kladderadatsch 1862, 163 und 1863, 83, sowie Sanders, Fremdw. 1, 247), das daneben gleichfalls mit im Deutschen verwandt wird, ist auf diese besondere Grenzbestimmung beschränkt geblieben. Auch der Ausdruck deklassiert tritt übrigens neuerdings wiederholt schlagwortförmig entgegen. So äußert sich z. B. Harden, Apostata 2, 42 (1891) über „alle die Deklassierten, die heißen Liebespenderinnen vom Stamme der Manon Lescaut.“ Vergl. Soz. Monatshefte 1, 165 und 662.