Caracci, Annibale, geb. 1560 zu Bologna, gest. 1609 zu Rom, der Bruder des Vorigen, das rüstigste und werktätigste Talent unter den Caracci, lernte bei seinem Vater das Schneiderhandwerk; allein sein Oheim, Lodovico Caracci, erkannte schon frühzeitig die hervorstechenden Fähigkeiten und Gaben des Jünglings für die Malerei, veranlasste ihn deshalb diese Kunst sich zum Lebensberuf zu wählen und unterzog sich selbst seiner künstlerischen Ausbildung. Bald erlangte er auch in der Schule des Lodovico durch beharrlichen Fleiß und die treffliche Methode seines Lehrers eine so außerordentliche Geschicklichkeit im Zeichnen, dass, als er einst mit seinem Vater von Cremona, woselbst dieser eine Summe Geldes eingenommen hatte, nach Bologna zurückkehrte und beide unterwegs von Räubern überfallen und ausgeplündert worden waren, er dem Richter die Physiognomien der Diebe so deutlich an die Wand zeichnen konnte, dass man die Jauner alsbald zu erkennen und noch im Besitz des geraubten Geldes fest zu nehmen im Stande war. Dieselben Fortschritte machte er auch im Malen, so dass der Oheim, nachdem er ihm mehrere seiner eigenen Gemälde hatte kopieren lassen, ihn schon als achtzehnjährigen Jüngling veranlassen konnte, nun auch selbstständige Werke auszuführen. Annibale kam dem Wunsche des Lodovico nach und malte zwei Altarblätter, eine Kreuzigung für die Kirche San Niccolo und eine Taufe Christi für San Giorgio. Diese, ganz gegen den Geist seiner künstlerischen Zeitgenossen, edel, einfach und natürlich ausgeführten Bilder riefen die bitterste Kritik der gleichzeitigen, in einer von aller Natur abirrenden Manier befangenen, aber in hohem Ansehen stehenden Maler: Fontana, Calvart, Passerotti und anderer hervor, so dass Lodovico, in der Hoffnung, dass ihre neue Richtung in der Kunst sich doch früher oder später Bahn brechen müsse, Annibale, der überdies mit seinem Bruder Agostino in einem eifersüchtigen Künstlerhader lebte, riet, Bologna auf einige Zeit zu verlassen und sich durch Reisen an den Vorbildern der großen Meister, denen er selbst seine Bildung verdanke, in der Kunst immer weiter emporzuschwingen. Annibale befolgte den Rat und reiste 1580 nach Parma, woselbst er drei Jahre lang die Werke des Correggio so eifrig studierte und kopierte, dass er sich einen Teil der glänzenden Eigenschaften des Pinsels dieses gefeierten Meisters ganz anzueignen wusste. Er malte dort eine Pietà für die Kirche de' Cappuccini (jetzt in der Akademie daselbst) und einige Heiligenbilder nach Correggio's Ideen für den Herzog Ranuccio. Von Parma begab sich darauf Annibale nach Venedig, wo er vornehmlich vom Anblicke der Bilder des Paolo Veronese hingerissen wurde und viele Kopien nach diesem Meister, nach Tizian, Tintoretto u. a. machte. Ins Vaterland zurückgekehrt, erregte die gewonnene große Bereicherung seiner Kenntnisse und gewaltige Ausbildung seines Talentes, wie sich solche in zwei nach der Rückkehr vollendeten Gemälden, einer Madonna mit dem heil. Johannes und ändern Heiligen für San Giorgio (nunmehr in der Pinakothek daselbst) und einer Himmelfahrt der Maria für San Francesco (ebenfalls nunmehr in der Pinakothek) aussprach, einem Bilde, in welchem er in der h. Jungfrau Paolo Veronese nachahmte, im göttlichen Kinde und dem kleinen Johannes den Correggio sich zum Vorbild nahm, den Evangelisten Johannes in der Kunstweise des Tizian und die heil. Katharina in der Manier des Parmigianino malte, nicht geringes Aufsehen. Trotzdem wurden die Caracci, als sie das Glück sahen, das die Manieristen in Mailand und Lorenzo Sabbatini und Fontana in Rom machten, öfter zweifelhaft, ob der von ihnen eingeschlagene Weg in der Malerei auch der richtige sei, bis endlich die von ihnen gestiftete Akademie siegreich durchdrang, ihren Ruhm weiter verbreitete und ihnen immer mehr Zöglinge zuführte und Aufträge verschaffte. In Gemeinschaft mit seinem Bruder und Oheim malte er sodann im Palazzo Fava einen Saal mit der Geschichte Jason's in 18 Bildern, in einem anderen kleineren daranstossenden, die Aeneide in 12 Bildern und in einem Kabinett einen Fries mit sehr hübschen, mit der Fabel der Europa staffierten Landschaften. In einem Saal des Palazzo Magnani führte er hierauf, ebenfalls gemeinschaftlich mit Agostino und Lodovico, die Geschichte von Romulus und Remus in 14 Bildern und einen mit den zierlichsten mythologischen Scherzen verzierten Fries aus. Mit diesen Gemälden begann für ihn ein sich täglich erweiternder Wirkungskreis und er vollendete für seine Vaterstadt und deren Umgegend eine Menge Bilder, unter denen vorzugsweise genannt zu werden verdienen: die Malereien in den Kapellen Caprari und Angeletti; die Bilder in einem Saale des Palastes Zampieri, die Apotheose des Herkules darstellend; ferner mehrere Altargemälde in den Kirchen San Pellegrino, Corpus Domini, San Petronio, San Eligio, San Lodovico, in der Certosa u.s.w. Außerdem malte er für die Stadt Reggio eine Himmelfahrt Maria, einen heil. Rochus, Almosen austeilend (in Kupfer geätzt von Guido Reni), eines seiner berühmtesten Gemälde (jetzt in der Dresdner Galerie); den h. Lukas und die h. Katharina, denen Maria mit dem Kinde erscheint (1592 für die Kapelle de' Notaj im Dom von Reggio gernalt, jetzt im Louvre zu Paris), ein treffliches Bild, das in der Komposition, in den Charakteren und Gewändern den Correggio als Vorbild, in der Art des tiefen, warmen Helldunkels aber mehr die bräunliche, tiziansche Weise des Paolo Veronese zeigt, und eine Madonna mit dem Kinde und Heiligen.
Durch solche erfolgreiche Wirksamkeit hatte sich Annibale's Ruf in der ganzen Lombardei verbreitet und den Herzog von Parma veranlasst, ihn, auf Anraten Lodovicos, seinem Bruder, dem Kardinal Odoardo Farnese, der seinen Palast in Rom mit Bildern schmücken lassen wollte, zu empfehlen.
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