Carstens, Asmus Jakob, ein ausgezeichneter Historienmaler, wurde 1754 zu Sankt Jürgen, einem Dorf bei Schleswig, wo sein Vater Müller war, geboren. Schon frühe äußerte sich bei ihm eine große Neigung zum Zeichnen und Malen, die durch die mächtigen Eindrücke, welche die Gemälde von Jurian Ovens, einem Schüler von Rembrandt, im Dome von Schleswig auf ihn machten, noch gesteigert wurde; allein die Bemühungen, ihn bei dem obskuren Schleswiger Maler Gewe, oder später gar bei dem berühmten Tischbein in Kassel in die Lehre zu bringen, zerschlugen sich, und so musste er sich entschließen, Kaufmann zu werden und zu Eckernförde als Lehrling in eine Weinhandlung zu treten. Nachdem er in derselben fünf Jahre zugebracht, während welcher Zeit er sich in seinen Freistunden immerdar mit Zeichnen und Porträtmalen beschäftigt hatte und sein Trieb zur Malerei unwiderstehlich geworden war, verließ er den Kaufmannstand und begab sich im Jahr 1776 nach Kopenhagen, wo die Gemälde und Antiken der k. Galerie seine Seele so mächtig ergriffen, dass sein Entschluss, Maler zu werden, jetzt fürs Leben gefasst war. Hier studierte er nun die Antiken, aber ohne sie nachzuzeichnen, sondern indem er sie lediglich durch Betrachtung seinem Geiste einprägte, wodurch er eine ungemeine Fertigkeit erlangte, sich alle Formen des menschlichen Körpers rund vorzustellen; auch hörte er einen Kursus über Anatomie, die Akademie besuchte er aber nicht, da sein selbstständiger Geist schon früh einen natürlichen Widerwillen gegen die akademische Lehrmethode: durch geisttötendes Kopieren, Antiken- und Modellzeichnen zur Kunst zu gelangen, fühlte, und er sich lieber durch eigene Versuche im Komponieren, durch Bücher, Kupferstiche und die freundschaftlichen Belehrungen anderer, in den Hauptregeln der Komposition, der malerischen Gruppierung, in der massenhaften Verteilung von Schatten und Licht u.s.w. ausbilden, Alles aus sich selbst, ohne Meister und Akademie, werden wollte. Er hat auch, außer zwei Kopien in seiner Jugend, einigen Modellzeichnungen auf der Kopenhager-Akademie, die er, durch äußere Rücksichten genötigt, zeichnete, weder in Deutschland noch Italien je etwas kopiert. Seine erste große Komposition war der Tod des Aeschylos. Ihr folgte bald eine andere größere: Aeolus und Odysseus, die er auf die Ausstellung sandte und mit der er allgemeines Lob einerntete. Unterdessen war er auch in die Akademie eingetreten, weil er hoffte, durch den Einfluss des Erbprinzen, dem seine Zeichnungen sehr wohl gefallen hatten, zu einer Reise nach Italien, dem Ziel aller seiner Wünsche, befördert zu werden, und man, um zu einer solchen Unterstützung zu gelangen, Zögling derselben sein musste. Er besuchte sie indessen, wie er selbst sagt, nur „Scheines halber" und es war ihm völlig gleichgültig, als er von ihr ausgewiesen wurde, weil er die ihm für eine Modellzeichnung zuerkannte große silberne Medaille aus dem Grunde zurückgewiesen hatte, weil bei einer Konkurrenz um den großen Preis, an der er gar nicht beteiligt war, ein Verwandter des Direktors Abilgaard dem würdigeren vorgezogen worden und sein strenges Gefühl für Rechtlichkeit diese Ungerechtigkeit nicht leiden konnte. Ja, er wies sogar spätere Anträge, sich um den großen Preis, mit dem ein sechsjähriges Reisestipendium nach Italien verbunden war, stolz zurück; denn durch die allgemeine Anerkennung, die seinen Arbeiten sowohl von den Professoren der Akademie, als ändern Künstlern zu Teil geworden, war sein Selbstgefühl so erstarkt, dass er der Akademie sagen lassen konnte: er bedürfe keiner Medaillen, seine Kunst sei ihm durch sich selbst Aufmunterung und Belohnung genug und er hoffe auch ohne sie nach Rom zu kommen. Bald darauf verließ er auch wirklich Kopenhagen, um mit seinen geringen Ersparnissen in der Porträtmalerei seine Sehnsucht, Rom zu seien, zu stillen. Im Jahre 1783 machte er sich auf den Weg, hielt sich längere Zeit in Mantua auf, wo die Malereien des Giulio Romano in Palazzo del Te einen gewaltigen Eindruck auf ihn machten; Mangel an Geld und Unkenntnis der Sprache nötigten ihn aber gar bald wieder zur Rückreise nach Deutschland. Über Zürich, woselbst er Lavater und Gessner kennen lernte, gelangte er endlich nach Lübeck, wo er sich niederließ und vom Porträtmalen lebte. Die Reise war jedoch für ihn nicht ohne Nutzen gewesen. Er hatte Werke von Giulio Romano, das Abendmahl von Leonardo da Vinci und die Schweiz gesehen, und seine Phantasie war mit ganz neuen Ideen bereichert worden, die er fortan in den schönsten Kompositionen nach Homer, Aeschylos, Ossian, Klopstock, Allegorien nach eigener Erfindung u.s.w., mit denen er seine Portefeuilles füllte, aussprach. Diese Arbeiten entstanden in seinen Mußestunden, da er den Tag über für Geld arbeiten musste, auch fehlte es ihm an fördernden Hilfsmitteln, an der Nahrung für seinem Kunstsinn und an äußerer Aufmunterung. Da hatte er nach einem fast fünfjährigen Aufenthalte in Lübeck endlich das Glück, durch den Dichter Overbeck mit einem reichen Kunstliebhaber bekannt zu werden, der ihn in den Stand setzte, sich nach Berlin zu wenden, woselbst er eine bessere Wendung seines Schicksals erwartete und wohin er sich dann auch im Frühjahr 1787 begab. Hier ging es Carstens, da er sich vorgesetzt hatte, keine Porträts mehr zu malen, anfangs sehr kümmerlich; er war daher auf den Erwerb durch Zeichnungen für Buchhändler beschränkt, bis ihm eine auf die zweite Ausstellung geschickte Komposition von mehr als zweihundert Figuren, den Sturz der Engel darstellend, eine Zeichnung von außerordentlichem Reichtlium der Phantasie, im Jahr 1790 die Stelle eines Professors hei der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften zu Berlin verschaffte. Unter seinen hier entstandenen Kompositionen, von denen das Gastmahl des Plato eine der schönsten des Künstlers überhaupt ist, nennt man auch noch; die Schlacht bei Rossbach und das Modell zu einem Standbilde Friedrich des Großen zu Pferd, doch führte ihn erst ein Saal in dem v. Dornville'schen Palaste, den er in demselben Jahre für den Minister Heinitz mit mythologischen Gegenständen schmückte, endlich dem Ziel seiner Wünsche entgegen. Bei der Einweihung desselben ward Carstens durch den Minister dem König vorgestellt und bald darauf erhielt er ein Stipendium von jährlich 450 Thaler auf zwei Jahre zu einer Reise nach Italien.
Im Sommer des Jahres 1792 trat Carstens die Reise nach Rom an. Nach einem einmonatlichen Aufenthalt zu Florenz, wo ihn besonders die Werke der alten Florentiner groß angesprochen hatten und er eine reiche Komposition, die Schlacht der Centauren und Lapithen entwarf, langte er im September desselben Jahrs in der ewigen Stadt an. Wohin hier Carstens seine ersten Schritte lenkte, lässt sich leicht erraten, in den Vatikan, zum Studium der Werke Michelangelos und Raphaels, die auch zeitlebens seine Vorbilder blieben und von denen die des Letzteren namentlich ihn von seiner übertriebenen Neigung für allegorische Darstellungen allmählich abbrachten. Sein erstes Werk zu Rom war: der Besuch der Argonauten bei dem Centauren Chiron, ein Gegenstand, den er früher schon in Berlin behandelt hatte, der aber in der neuen Darstellung bedeutend gewonnen und in der Reinheit des Stils und der Schönheit der Formen bereits die großen Fortschritte zeigte, den der Abfegt zu Rom in seiner künstlerischen Ausbildung bewirkt hatte. Um sich einen Namen zu verschaffen, veranstaltete er darauf im Jahr 1795 in Rom eine öffentliche Ausstellung seiner Werke, und das Urteil der Sachverständigen über die ausgestellten Kompositionen, an denen man besonders den Reichtum an origineller Erfindung und den großartigen Stil bewunderte, fiel, trotz einem ganzen Chor neidischer und eifersüchtiger, im akademischen Schlendrian befangener Maler, für Carstens so günstig und ehrenvoll aus, dass er dadurch seine Absicht: sich durch dieselben so vorteilhaft bekannt zu machen, um sich unabhängig von der Berliner Akademie, mit der er vollständig gebrochen hatte, seine Existenz in Rom gründen zu können, für erreicht hielt. Seine Hoffnung täuschte ihn auch nicht. Seine Arbeiten fanden Bewunderer und Käufer, ein Kreis wackerer Künstler scharte sich um ihn, um mit ihm denselben Weg einzuschlagen, ja von jener denkwürdigen Ausstellung datiert die zweite Restauration der modernen Malerei zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Carstens arbeitete fleißig fort und es entstanden in den folgenden zwei Jahren noch verschiedene großartige Kompositionen nach Lucian, Philostrat, Homer, Ossian, Dante, Sophokles, Pindar, Goethe u.s.w. Aber, frei von den Ansprüchen der Berliner Akademie, hochgeachtet und geschätzt von Künstlern, Kennern und Kunstfreunden, ganz nahe dem Ziele seiner Laufbahn, ereilte ihn der Tod. Zu seinen letzten Arbeiten gehören eine Reihenfolge von trefflichen Zeichnungen zur Geschichte der Argonauten und des Oedipus, nach Sophokles, die letzte aber war: das goldene Zeitalter, eine der herrlichsten und anmutsvollsten Kompositionen, die je des Künstlers Phantasie beschäftigt. Ein unheilbares Brustübel machte nach einem langwierigen Krankenlager, auf dem er sich immer noch mit Kompositionen beschäftigte, seinem Leben im Frühjahr 1798 ein Ende.
Carstens Werke bestehen meistens nur aus Aquarellmalereien und Zeichnungen, zur Ausführung größerer Arbeiten hatten ihn, außer den genannten Malereien im Dorvilleschen Palaste zu Berlin, weder äußere Verhältnisse begünstigt, noch hatte er sich auch in Folge nicht genug geübter technischer Ausbildung die nötige Geschicklichkeit dazu erworben. Aber alle diese Kompositionen zeichnen sich durch edle klassische Einfalt, eine hohe Ruhe der Seele, ernsten Sinn für die Schönheit menschlicher Formen, sowie ein reges individuelles Leben aus. Frei von allem Haschen nach Effekt, theatralischer Manier, der damals üblichen vornehmtuerischen Kunstgelehrsamkeit und aller Prätension des Vertrags, erfreuen sie als die naturwüchsigen Erzeugnisse eines durch keine Schule beirrten, in edelster Geschmacksrichtung tätigen Künstlergeistes, der sich durch das Studium der Antiken und unter den Einflüssen der Werke Michelangelos und Raphaels selbstständig durchgebildet. Ein reines männliches Gefühl, eine vollkommene Unbefangenheit der Existenz, ein hoher Adel der Erscheinung ist durchaus in allen seinen Gestaltungen ausgesprochen, wenn sie auch zuweilen mehr oder minder den Anschein eines Entwurfs, als einer bis in alle Einzelheiten empfundenen Ausführung haben. Carstens besaß eine fruchtbare und wahrhaft dichterische Einbildungskraft, die sich vorzugsweise an Gegenständen des griechischen Altertums entzündete und nährte; biblische und christliche Stoffe oder Szenen aus der Geschichte der Römer hat er nie zu Vorwürfen gewählt. Mehr als andere verraten daher diese seine Werke ein wahres und tiefes Eindringen in den Geist der alten Welt. Er strebte vor Allem nach bedeutender Auffassung des Gegenstandes und schönem Sinn des Ganzen, nach richtigem und lebendigem Ausdruck der Idee, als der wesentlichsten Forderung an das Kunstwerk. In seinem Stil der Zeichnung liegt eine ideale Großheit, die, wenn sich auch der Einfluss seiner vorgenannten großen Vorbilder nicht verkennen lässt, doch einen eigentümlichen originellen Charakter trägt. Mangel an genügender Kenntnis der Anatomie, der Perspektive und an Fertigkeit und Gewandtheit im Zeichnen nach dem Modell, das er prinzipiell ganz verwarf, weil er es nicht ohne Nachteil für seine Idee benützen konnte, tragen zwar allerdings die Schuld, dass sich viele kleine Unrichtigkeiten in seine Zeichnung eingeschlichen haben, auch brachte er es in der Ölmalerei, aus Mangel an gehörigem Studium und Übung, nicht weit, obgleich er in seinen Aquarellmalereien zeigte, dass es ihm keineswegs an Farbensinn fehlte. Dieser einzelnen kleinen Mängeln aber unerachtet und trotz der heftigen Gegner, die er fand, wurde Carstens dennoch der Begründer der neuern deutschen Malerei, indem er die Bahn eröffnete, auf der fortan die größten Künstler der deutschen Nation mit ungemeinen Erfolgen fortwandelten; ja sein Einfluss ist bis auf die neueste Zeit noch nicht erloschen: Wechter, Koch, Schick, Genelli und Thorwaldsen, ja selbst Cornelius, der jüngste und gewaltigste unter ihnen, erhielten durch ihn ihre Richtung.
Von Carsten's Kompositionen befinden sich viele im Privatbesitz. Einige der besten sind in England, mehrere in der Thorwaldsenschen Sammlung in Kopenhagen; die größte Anzahl trifft man jedoch in der großherzoglichen Kunstsammlung zu Weimar. Zu den schönsten unter den letzteren gehören: Homer, den versammelten Griechen seine Gesänge vortragend (gest. r. E. Schäffer); die Zurückbringung des entflohenen Megapenthes, nach Lucian (gest. v. Jul. Thäter); Sokrates, der dem Alcibiades in der Schlacht bei Potidäa das Leben rettet; Ganymed, vom Adler Jupiters emporgetragen; die Schlacht der Centauren und Lapithen; Oedipus in Kolonos und Oedipus Tyrannus; die Überfahrt, nach Lucian; die Parzen; die Nacht mit ihren Kindern; das Orakel des Amphiaraos; die Geburt des Lichts; Eteokles, der in den Kampf eilt; Jasons Ankunft in Jolkos; Sokrates im Korbe; das Gastmahl u.s.w.
Literatur. Fernow, Leben des Künstlers Asmus Jakob Carstens. — Leipzig 1806. — Kugler, Handbuch der Geschichte der Malerei. — Platner, Bunsen, Gerhard und Röstel, Beschreibung der Stadt Rom. —
Kupferwerke. Zeichnungen von Asmus Jakob Carstens in der großherzoglichen Kunstsammlung zu Weimar, in Umrissen gestochen und herausgegeben von W. Müller. Mit Erläuterungen von Chr. Schuchardt. Weimar und Leipzig. — Les argonautes selon Pindar, Orphée et Apollonius de Rhodes en 24 planches inv. et dess. par A. J. Carstens et grav. par. J. Koch. Rome 1798.