Jacopo Carucci, Pontormo

Carucci, Jacopo, genannt Pontormo, nach seiner Vaterstadt, geb. 1493, war der Sohn eines mittelmäßigen Malers Bartolomeo, nach dessen Tod er zu Leonardo da Vinci in die Lehre kam. Er verließ dessen Schule jedoch bald wieder und suchte sich bei Mariotto Albertinelli und Pier di Cosimo in der Malerei welter auszubilden, blieb bei diesen indessen abermals nicht lange, sondern wählte sich 1512 den Andrea del Sarto zum Lehrer, der ihn jedoch, aus Eifersucht über die höchst bedeutenden Fortschritte, die Jacopo binnen kurzer Zeit machte, durch unartiges Betragen nötigte, auch sein Haus wieder zu verlassen. Sein erstes Bild, das er noch bei Mariotto malte, eine kleine Verkündigung, erregte das Wohlgefallen des Raphael in so hohem Masse, dass dieser dem jungen Künstler eine große Zukunft prophezeite, und auch Michelangelo soll bei der Betrachtung eines Freskogemäldes von ihm, des mit den Figuren von Glaube und Liebe geschmückten Wappens der Medici (gemalt kurze Zeit nachdem Leo X. den päpstlichen Stuhl bestiegen) beim Haupteingang von S. Annunziata zu Florenz (jetzt größtenteils zerstört) einen ähnlichen Ausspruch getan haben. Diese und ähnliche Arbeiten bei den Einzugsfeierlichkeiten des Papstes Leo X. in Florenz, verschafften ihm einen so großen Ruf, dass er für die Kirchen in Florenz und Umgegend vielfach in Öl- und Freskogemälden beschäftigt wurde. So führte er unter anderem in der Vorhalle von S. Annunziata, im Jahr 1515, eine Heimsuchung Mariä aus, ein Fresko von eigentümlich großartigen Formen; im Jahr 1518 eine Madonna mit Heiligen für eine Kapelle in S. Michele Bisdomini zu Florenz, ein Ölbild von herrlichem Kolorit; den Erzengel Michael und St. Johannes, den Evangelisten, für die Hauptkirche zu Pontormo; eine Pietà für eine Kapelle des Klosters von S. Gallo, außerhalb Florenz (mit dem Abbruch von Kloster und Kirche zu Grund gegangen); einige Begebenheiten aus dem Lehen Josephs, auf zwei Kästen für Pier Francesco Borgherini gemalt, ungemein schöne Bilder (zwei davon noch in der Galerie zu Florenz); ferner mehrere Bilder religiösen und mythologischen Inhalts für andere florentinische Edelleute und Kirchen aus.

Im Jahre 1522 flüchtete er sich, der Pest wegen, in ein 3 Meilen von Florenz entferntes Karthäuserkloster, wo er im Kreuzgang nach Alb. Dürers Kupferstichen, die damals in Florenz bekannt geworden waren, mehrere Fresken aus dessen Passion Christi, auch einige Ölbilder darnach malte. (Sie sind von der Zeit zerstört worden, einige kleinere Kopien von Jacopo da Empoli sieht man in der Akademie der schönen Künste zu Florenz.) Nachdem die Pest vorüber und er wieder nach Florenz zurückgekehrt war, schmückte er in einer Kapelle in Santa Felicità daselbst die Wölbung der Decke mit den Gemälden des von vier Patriarchen umgebenen Gott Vater und der vier Evangelisten (diese Deckenbilder wurden 1766 zerstört), die Wand aber mit einer Verkündigung, und den Altar mit einer Tafel, die Kreuzabnahme darstellend (noch heute daselbst). Darauf verzierte er ein auf einer Anhöhe bei Florenz stehendes Tabernakel mit einem Kruzifix (von dem indessen kaum mehr eine Spur vorhanden ist); malte für die Nonnen von S. Anna zu Florenz eine Madonna mit der h. Anna und ändern Heiligen (jetzt im Louvre zu Paris); eine Auferweckung des Lazarus (die an den König Franz I. von Frankreich kam); die 11,000 von dem Kaiser Diocletian gekreuzigten Märtyrer (gegenwärtig im Palazzo Pitti zu Florenz) und ein anderes kleineres Bild: die Schlacht der Märtyrer und den Engel, der sie tauft, darstellend (in der öffentlichen Galerie daselbst). Dann führte er einen Karton von Michelangelo, Christus, der Maria Magdalena im Garten erscheinend, für den Alfonso Davolo, Marchese del Guasto so schön in Öl aus, dass er dasselbe Bild sogleich für Allessandro Vitelli, den damaligen Feldhauptmann der Gardesoldaten in Florenz, wiederholen musste. Diese Bilder befriedigten durch ihre treffliche Behandlung Michelangelo so sehr, dass er ihn auch einen für seinen Freund Bart. Bettini angefertigten Karton, Venus von Amor geküsst, ebenfalls in Öl malen ließ. Als aber das Gemälde vollendet war und Bettini nur eine Kleinigkeit dafür zahlen wollte, ließ es Herzog Alexander von Medici so zu sagen mit Gewalt bei Ponformo abholen und gab diesem 50 Goldgulden dafür, zum großen Verdruss Bettinis, der nur den Originalkarton zurückerhielt, und Michelangelos, der seinem Freunde hatte einen Liebesdienst erweisen wollen. Dieses vortrefflich gemalte Bild befindet sich jetzt im k. Palast von Kensington bei London, eine Wiederholung davon im Berliner Museum. Für denselben Herzog schmückte er sodann unter Beihülfe des Bronzino eine Loggia der Villa Careggi mit Fresken, die 1536 vollendet wurden und für dessen Nachfolger, Herzog Cosimo I., eine andere in dem Palast von Castello mit allerhand wunderlichen mythologischen und allegorischen Darstellungen. Endlich übertrug ihm letzterer auch noch die Malereien einer Hauptkapelle in S. Lorenzo zu Florenz, an denen er elf Jahre arbeitete. Er stellte darin Szenen aus dem alten Testament und das jüngste Gericht dar; sie gehörten übrigens zu seinen schwächsten Arbeiten, obgleich er sich darin selbst zu übertreffen wähnte, und wurden, da Ponformo im Jahr 1558 darüber starb, von Bronzino vollendet. (Sie wurden 1738 übertüncht.)

Pontormo wäre zu hoher Meisterschaft berufen worden, wenn das schwankende seines Charakters ihn nicht verleitet hätte, sich in verschiedenen Stilarten zu versuchen. Anfänglich suchte er sich den Stil seines Lehrers Andrea del Sarto anzueignen und er wetteiferte auch mit ihm an Großartigkeit der Zeichnung, feinem Verständnis der Form und Tüchtigkeit der Modellierung; später aber ahmte er Albr. Dürers Kunstweise bis auf das Kleinlichste nach und zuletzt, als er durch die Ausführung mehrerer Kartons von Michelangelo sich mit dessen Stil befreundet hätte, suchte er diesen sowohl in der Große der Formen und Abenteuerlichkeit der Stellungen, als in prunkhafter Schaustellung anatomischer Kenntnisse noch zu überbieten. Seine frühesten Werke sind darum seine besten, ausgezeichnet aber und wahrhaft großartig ist er beinahe nur in seinen Porträts (deren er eine Menge ausführte), wie man unter Anderem an den prachtvollen Bildnissen des Ippolito Medici im Pal. Pitti und des Cosimo, des alten (einem Porträt des 15. Jahrhunderts nachgebildet), in den Uffizien zu Florenz, dem Porträt des Andrea del Salto im Museum zu Berlin u.s.w. sehen kann.

 

Literatur. Vasari, Leben der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Baumeister.


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