Gian Francesco Carotto

Carotto, Gian Francesco, geb. 1470 zu Verona, erlernte die Malerei bei dem Veroneser Liberale, begab sich aber später in die Schule des Andrea Mantegna nach Mantua, wo er rasch bedeutende Fortschritte machte. In seine Vaterstadt zurückgekehrt, malte er in der Kirche des Spitals von S. Cosimo die Flügeltüren des Altars der drei Könige; in der Kirche der Jesuiten zu San Girolamo eine (noch vorhandene) Verkündigung (mit der Unterschrift Jo. Carotus f. und der Jahrszahl MDVIII) und eine Geburt Christi für den Prior der Mönche von S. Giorgio. Darauf fertigte er für S. Eufemia ein Altargemälde mit den drei heil. Erzengeln und zwei weiblichen Heiligen auf den Flügelbildern (noch vorhanden); für S. Giorgio: eine Kreuztragung, den h. Rochus und den h. Sebastian (ebenfalls noch am bezeichneten Orte); für die Bruderschaft der Madonna in S. Bernardino: die Geburt der Madonna und einen Kindermord; endlich für die Bruderschaft von S. Stefano im Dom: die Vermählung, die Geburt Christi und die Anbetung der Könige (sämtliche Bilder nicht mehr vorhanden). Nach Beendigung dieser Werke begab er sich nach Mailand, wo ihn Anton Maria Visconti vielfach für sein Haus beschäftigte, und von da nach Casale, wohin ihn der Marchese Wilhelm von Montferrat zur Ausschmückung einer Kapelle mit Darstellungen aus dem alten und neuen Testament, der Zimmer des Kastells und der Hauptkapelle in S. Domenico berufen hatte. Er führte auch für jene Kapelle eine mit höchstem Fleiß vollendete Altartafel aus, malte ferner die Porträts der ganzen Familie und mehrerer Damen des Hofs. Diese Bilder (von denen indessen kein einziges mehr in jener Stadt anzutreffen ist) gefielen dem Marchese so wohl, dass er ihn dafür nicht nur durch ehrenvolle Geschenke reichlich belohnte, sondern auch zu seinem Kammerherrn ernannte. Nach dem Tode des Marchese kehrte Carotto nach Verona zurück und malte hier für die Kapelle der Madonna im Franciskanerkloster S. Fermo eine noch jetzt wohl erhaltene Altartafel: Madonna im Schoss der heil. Anna auf Wolken mit Heiligen (bezeichnet: Fr. Krotto 1528), ein durch die Schönheit des Kolorits und Freiheit der Behandlung ausgezeichnetes Bild, ein Hauptwerk des Meisters, auf dem die Engel wirklich etwas Raphaelisches haben; ferner für die Kapelle vom Kreuz in S. Bernardino: einen Abschied Jesu von seiner Mutter (noch jetzt, nebst einem ändern Bilde, die h. h. Franz und Bartholomäus darstellend, daselbst zu sehen); sodann für die Barfüsserkirche auf Isola, im Gardersee, und für die Kirche von Malsessino mehrere andere Kirchenbilder. Um dieselbe Zeit führte er sodann für den Grafen Francesco Giusti eine Art Herkules am Scheidewege aus, auch wird er als der erste angeführt, der in Verona selbstständige Landschaften malte. Später beschäftigte er sich viel mit Modelliren und man rühmt seine Porträtmedaillen ebenso, wie seine gemalten Bildnisse. Als aber Gian Francesco alt zu werden anfing, kam er in seiner Kunst merklich zurück, wie man an mehreren seiner Malereien in Santa Maria della Scala und in Santa Anastasia zu Verona sehen kann. Er starb 1546 im Alter von 76 Jahren.  

Carotto gehörte zu den vorzüglich begabten Künstern seiner Zeit, wenn er auch keinen großen Umfang des Talents, namentlich Phantasie und dramatisches Darstellungsvermögen zu zeigen Gelegenheit hatte. Man unterscheidet in seinen Werken drei Perioden, ohne indessen die Ursachen und Einflüsse nachweisen zu können, welche diese Umwandlungen herbeigeführt. In seinen älteren Werken erscheint er noch etwas befangen und der älteren Richtung zugetan, namentlich dem Girolamo dai Libri verwandt; in den mittleren vornehmlich mild und weich und von süßem Farbenschmelz in der Weise des Leonardo da Vinci, in den letzten endlich gewinnt er eine Freiheit der Zeichnung und Darstellung, die man fast wieder mit der Gemüthsverfassung früherer Jahre gemäßigt wünschen möchte. Seine schönste Entwicklung zeigt er in den erwähnten Werken der Kapelle degli Spolverini, in der Kirche S. Eufemia zu Verona. Die Köpfe der Engel sind hier von überaus mildem und edlem Ausdruck (besonders der Engel Michael, voll von einer eigenen himmlischen Reinheit), auch die Oberkörper sind sehr schön, die Beine aber minder gelungen. Die beiden weiblichen Heiligen sind mehr statuarisch streng und kälter im Ausdruck. Eine Seitenwand dieser Kapelle schmückte Carotto mit Szenen aus der Geschichte des h. Tobias al fresco, unter denen besonders die unterste, wo die Mutter des Toblas ihre Schwiegertochter umarmt, während Tobias selbst die Augen des blinden Vaters heilt, höchst anmutig ist. Leider sind diese Fresken zum Teil übermalt und sehr beschädigt. Carotto hat ein warmes verschmolzenes Kolorit, welches auf eigentümliche Weise mit der strengen Zeichnung seiner Formen kontrastiert. — Weitere Werte von ihm finden sich zu Verona in S. Tomaso: die h. h. Rochus, Hiob und Sebastian, eines der schönsten Bilder Carottos in seinem ernstesten Stil; ferner in der Sammlung des Palazza del consiglio: eine Geburt Christi, ein ausgezeichnet schönes Gemälde. Auch die h. h. Johannes und Jakobus im Dom hält man für Werke seiner Hand. Im Museum von Berlin sieht man von ihm: eine Madonna mit dem Kinde; im Städelschen Institut zu Frankfurt a. M.: Maria mit dem Kinde, in einer Landschaft, und in der Leuchtenbergschen Galerie: die h. h. Jakobus, Antonius, der Einsiedler, und eine heil. Jungfrau. — Ein ihm zugeschriebenes Bild zu Verona, das die Auferstehung des Lazarus darstellt, trägt nebenstehendes Monogramm mit der Jahrszahl 1531.  


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