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II. [Psychologische Folgen der teleologischen Stellung des Geldes: Geldgier, Geiz, Verschwendung, asketische Armut, moderner Zynismus, Blasiertheit]

 

Übrigens muß der Machtcharakter des Geldes, auf den ich jetzt noch einmal komme, fast am fühlbarsten, wenigstens am unheimlichsten da hervortreten, wo die Geldwirtschaft noch nicht vollkommen durchgedrungen und selbstverständlich ist, sondern wo das Geld seine zwingende Macht an Verhältnissen zeigt, die ihm, ihrer eigentlichen Struktur nach, nicht von selbst gehorchen. Daß gerade in der höchst ausgebildeten Kultur das Geld seinen Machthöhepunkt erreicht zu haben scheint, liegt daran, daß in ihr freilich unendlich viele, früher überhaupt unbekannte Objekte ihm zur Verfügung stehen; aber sie sind von vornherein auf den Gehorsam gegen das Geld angelegt; es kommt nicht zu jener Reibung, die die ganze Art und Wertungsweise naturalerer Verhältnisse dem ihnen heterogenen Geldwesen entgegensetzen, und deren Überwindung erst das Bewußtsein der Macht besonders zuspitzen muß. Wie das Geld der Wert der Werte ist, so nennt ein Kenner des indischen Lebens den indischen Dorfbankier, den Geldleiher: the man of all men in the village; sein indischer Name bedeute: the great man! Es wird hervorgehoben, daß, als im 13. Jahrhundert zuerst wieder größere Kapital vermögen aufkamen, das Kapital ein Machtmittel war, das der Masse des Volkes noch unbekannt war und zu dessen Wirkung deshalb noch der psychologische Zuschlag des Unerhörten und sozusagen Überempirischen trat. Ganz abgesehen davon, daß Kirche und Volk damals das Geldgeschäft überhaupt verwerflich fanden - zu dem kirchlichen Grundsatz: mercator sine peccamine vix esse potest, bekannte sich sogar ein Kölner Patrizier des 13. Jahrhunderts - mußte die Ausnutzung einer so mystischen und unberechenbaren Macht, wie das Kapital war, als etwas sittlich Bedenkliches, als ein vergewaltigender Mißbrauch erscheinen. Und wie so oft irrige Vorurteile den davon Betroffenen in ihre Bewahrheitung hineintreiben, so verfielen die handelsaristokratischen Geschlechter dieser Zeit tatsächlich dem gewissenlosen Mißbrauch ihrer Macht, dessen Art und Umfang eben durch die Neuheit des Geldkapitals und die Frische seines Eindrucks auf ganz anders konstruierte Verhältnisse möglich war. Damit hängt es zusammen, daß das niedere Volk - vom Mittelalter an bis in das 19. Jahrhundert hinein - sich die Entstehung großer Vermögen als mit nicht ganz rechten Dingen zugegangen und ihre Besitzer als etwas unheimliche Persönlichkeiten zu denken pflegt: über den Ursprung des Vermögens der Grimaldi, der Medici, der Rothschild waren die ärgsten Schauermärchen verbreitet, und zwar nicht nur im Sinne moralischer Zweideutigkeit, sondern in abergläubischer Weise, als wäre eine dämonische Macht im Spiel. Indem die auseinandergesetzte Art des im Geld verkörperten Könnens ihm ein sublimiertes Machtgefühl gerade vor seinem Ausgegebenwerden zuwachsen läßt - der »fruchtbare Moment« ist in ihm gleichsam zum Stehen gekommen -, ist der Geiz eine Gestaltung des Willens zur Macht, und zwar, den Charakter des Geldes als des absoluten Mittels beleuchtend, so, daß die Macht wirklich nur Macht bleibt und sich nicht in ihre Ausübungen und deren Genuß umsetzt. Dies ist ein wichtiges Erklärungsmoment für den Geiz des hohen Lebensalters. Gewiß ist diese Tendenz als Fürsorge für die nächste Generation zweckmäßig - so wenig dieses Motiv gerade dem Geizhais bewußt zu sein pflegt, der vielmehr, je älter er wird, um so weniger an die Trennung von seinen Schätzen denken mag. Subjektiv ist vielmehr wohl der Umstand wesentlich, daß im Alter einerseits die sinnlichen Seiten des Lebens ihren Reiz oder die Möglichkeit des Genossenwerdens verlieren, andrerseits die Ideale durch Enttäuschungen und Mangel an Schwung ihre erregende Kraft einbüßen; so bleibt als letztes Willensziel und Lebensreiz oft nur noch die Macht übrig, die sich zum Teil in der Neigung des Alters, zu tyrannisieren, offenbart, und darin, daß Personen höherer Stellungen im Alter oft eine krankhafte Sucht nach »Einfluß« zeigen; zum Teil aber im Geize, für den eben dieselbe abstrakte »Macht« sich im Geldbesitz verkörpert. Ich halte es für einen Irrtum, wenn man sich jeden Geizigen mit der Ausmalung aller ihm zur Verfügung stehenden Genüsse, all der reizvollen Verwendungsmöglichkeiten des Geldes beschäftigt denkt. Die reinste Form des Geizes ist vielmehr die, in der der Wille wirklich nicht über das Geld hinausgeht, es auch nicht einmal in spielenden Gedanken als Mittel für anderes behandelt, sondern dir Macht, die es gerade als nicht ausgegebenes repräsentiert, als definitiven und absolut befriedigenden Wert empfindet. Für den Geizigen liegen alle sonstigen Güter in der Peripherie des Daseins und von jedem derselben führt ein eindeutig gerichteter Radius seinem Zentrum, dem Gelde zu, und es hieße das ganze spezifische Lust- und Machtgefühl verkennen, wenn man diese Richtung umdrehen und sie von ihrem Endpunkt auch nur innerlich wieder auf die Peripherie zurückleiten wollte. Denn indem die Macht, die in jenem Zentrum ruht, in das Genießen konkreter Dinge umgesetzt würde, ginge sie als Macht verloren. Unser Wesen ist auf die Zweiheit von Herrschen und Dienen angelegt, und wir schaffen uns Beziehungen und Gebilde die beiden einander ergänzenden Trieben in mannigfaltigsten Mischungen genugtun. Im Gegensatz zu der Macht, die das Geld verleiht, erscheint das Unwürdige des Geizes von einem Dichter des 15. Jahrhunderts erschöpfend ausgedrückt: wer dem Geld dient, der sei »seines Knechtes Knecht«. Tatsächlich enthält der Geiz, indem er uns vor einem gleichgültigen Mittel wie vor einem höchsten Zwecke knien läßt, die sublimierteste, man könnte sagen: karikierte Form inneren Unterworfenseins, wie ihn auf der anderen Seite das sublimierteste Machtgefühl trägt. Das Geld zeigt auch hier sein Wesen, unseren antagonistischen Strebungen ein gleichmäßig entschiedenstes und reinstes Sichdarstellen zu gewähren. In ihm hat sich der Geist das Gebilde der größten Spannweite geschaffen, das, gleichsam als reine Energie wirkend, die Pole jenes um so weiter auseinander treibt, je einheitlicher - d.h., als bloßes Geld, jede Sonderbestimmtheit ablehnend - es sich selbst darstellt.

 


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