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II. [Psychologische Folgen der teleologischen Stellung des Geldes: Geldgier, Geiz, Verschwendung, asketische Armut, moderner Zynismus, Blasiertheit]

 

Es ist nun für die Herrschaft, die das Geld über die allgemeine Denkart gewonnen hat, sehr bezeichnend, daß man eine Reihe von Erscheinungen als Geiz - im Sinne des Geldgeizes - zu bezeichnen pflegt, die in Wirklichkeit das genaue Gegenteil desselben sind. Es handelt sich um die Menschen, die ein abgebranntes Streichholz nochmals benutzen, leere Briefseiten sorgfältig abreißen, kein Stückchen Bindfaden wegwerfen und auf jede verlorene Stecknadel eine Mühe des Suchens verwenden. Man nennt solche Personen geizig, weil man sich gewöhnt hat, den Geldpreis der Dinge ganz unbefangen als ihren Wert anzusehen. Tatsächlich aber denken sie nicht in den Geldwert jener Objekte, die Stärke ihres Gefühls gilt gerade dem sachlichen Wert derselben, auf den ihr Geldwert gar keine irgend proportionierte Hinweisung gibt. Wenigstens in sehr vielen Fällen sind es durchaus nicht die Bruchteile eines Pfennigs, um deren Rettung es sich für jene Sparsamen handelt; gerade sie sind von der Rücksicht auf das Geld, durch das die Objekte ohne weiteres wieder beschaffbar sind, oft genug unabhängig und werten eben bloß die Sache selbst. In diese Kategorie gehören auch die sonderbaren, aber nicht allzu seltenen Menschen, die ohne Bedenken hundert Mark, aber nur mit wahrer Selbstüberwindung einen Bogen Papier aus ihrem Schreibvorrat oder ähnliches verschenken. Hier liegt also das direkte Gegenteil des Geizes vor: dem Geizigen sind die Dinge gerade gleichgültig - außer insoweit sie Geldwert darstellen -, weil das Geld sie ihres Endzweckcharakters beraubt hat, während das Verhalten jener ganz sinnlos wäre, wenn es durch den Geldwert der Dinge bestimmt wäre; freilich kann es durch das völlige Außerachtlassen desselben auch wieder unvernünftig werden. Sie vergessen über den Zweck das Mittel, das ihn jederzeit wieder erreichbar macht, während der Geizige über das Mittel den Zweck vergißt, der jenem allein Bedeutung gibt. Es begegnen ferner Erscheinungen, die, in der äußeren Form mit jenen sachlichen Sparsamkeiten übereinstimmend, durch ihre innere Diskrepanz gegen sie den teleologischen Charakter des Geldes weiter klären helfen. Viele »sparsame« Menschen halten darauf, daß alles, was einmal bezahlt ist, auch konsumiert werde. Und zwar keineswegs nur dann, wenn damit eine anderenfalls erforderliche Ausgabe erspart würde, sondern Luxusgenüssen gegenüber, von denen man sich inzwischen überzeugt hat, daß sie keine Genüsse sind; der Zweck ist nun einmal verfehlt, aber um diese Verfehlung zu realisieren, bringt man ein weiteres Opfer; denn der Typus dieser Erscheinungen ist: »Lieber den Magen verrenkt als dem Wirt einen Kreuzer geschenkt.« Daß eine sparsame Mutter von ihren Kindern damit geneckt wurde, sie nähme die Medizinreste, die nach Krankheiten in der Familie unverbraucht geblieben waren, um sie nicht umkommen zu lassen, - zeichnet nur die Karikatur eines von vielen Menschen sehr ernsthaft betriebenen Verfahrens. Die Konsumtion des Gegenstandes ist nach der Voraussetzung indifferent oder schlimmer als indifferent; ihr Motiv kann also nicht sein, daß der Gegenstand nicht umkommen soll; denn er ist umgekommen, indem die Genußseite seiner, die seine Bedeutung für das Subjekt bildete, in Wegfall gekommen ist. Es wird in Wirklichkeit also gar nicht derjenige Gegenstand konsumiert, auf den die Absicht gerichtet war, sondern ein anderer, dem die motivierende Eigenschaft gerade fehlt. Das Motiv kann demnach nur dies sein, daß mit der Konsumierung wenigstens die Geldaufwendung ihr Äquivalent gefunden hat. Das Geld ist so zu seinem nächsten Zwecke gekommen, und damit ist eine Beruhigung des Gefühls und ein Höhepunkt der teleologischen Reihe erreicht, neben der die Verfehlung ihres subjektiven Endzwecks, als eine Sache für sich und jene Befriedigung nicht herabsetzend, steht. Diese banale und inhaltlich uninteressante Erscheinung offenbart so eine ganz eigenartige teleologische Konstellation des Geldwertes. Obgleich sie nicht an sehr erheblichen Objekten hervorzutreten pflegt und deshalb etwas Kleinbürgerliches und Unscheinbares hat, ist sie doch vielleicht der extremste Ausdruck für die Überwucherung der wirklichen Endzwecke durch die Mittelinstanz des Geldes; denn es fällt hierbei nicht nur, wie auch beim Geize, der eigentliche Sinn alles Wirtschaftens weg, sondern auch noch der Reiz der Macht und der Möglichkeiten, der bei jenem den zu nichts verwendeten Geldbesitz schmückte: das Objekt, aus dem alles, was irgendwie Sinn und Zweck seiner Konsumtion sein könnte, hinweggefallen ist, wird unter Unbequemlichkeiten und Schädlichkeiten konsumiert, bloß weil das dafür ausgegebene Geld ihm einen absoluten Wert verliehen hat. Der Zweckprozeß ist hier also nicht nur an der Geldinstanz erstarrt, sondern er wird noch darüber hinaus sozusagen rückläufig und pervers, indem die an sich nicht-zweckmäßige Wertung durch direkt unzweckmäßiges Verfahren realisiert wird.

 


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