II. [Psychologische Folgen der teleologischen Stellung des Geldes: Geldgier, Geiz, Verschwendung, asketische Armut, moderner Zynismus, Blasiertheit]
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Wo das Heil der Seele als Endzweck empfunden wird, da er scheint zu ihm die Armut in manchen Doktrinen als ein ganz positives und unerläßliches Mittel, das sich aus dieser Stellung dann zu der Würde eines durch sich selbst bedeutungsvollen und gültigen Wertes erhebt. Das kann auf verschiedenen Staffeln der Zweckreihen und von verschiedenen Motiven aus geschehen. Zunächst wird die bloße Gleichgültigkeit gegen alles irdische Genießen und Interessiertsein dahin führen. Von der Seele, die zum Höchsten aufstrebt, fällt dieser Ballast wie von selbst ab, ohne daß es eines besonders darauf gerichteten Willens bedürfte. So mögen sich vielfach die ersten Christen verhalten haben: nicht direkt feindselig und aggressiv den Gütern der Sichtbarkeit gegenüber, sondern einfach ohne Beziehung zu ihnen, wie zu Dingen, für deren Wahrnehmung man kein Organ besitzt. Deshalb ist der - äußerst sporadische Kommunismus des Urchristentums den Bestrebungen des modernen Kommunismus im tiefsten Wesen entgegengesetzt: jener aus der Gleichgültigkeit gegen die irdischen Güter, dieser gerade der allerstärksten Wertung derselben entsprungen. Eine Mischform beider liegt auch zeitlich zwischen ihnen: die sozialistisch-revolutionären Bewegungen am Ende des Mittelalters waren zwar durchaus begehrlicher Natur, aber doch wurden sie teilweise von asketischen Strömungen, mit ihrem Ideal völliger Bedürfnislosigkeit, genährt. In Hinsicht auf das Geld freilich müssen diese letzteren aus dem bloßen Jenseits der materiellen Interessen herabsteigen und entschiedenere und positivere Formen annehmen, da man auf dem Wege auch zum Unentbehrlichsten ihm immerwährend begegnet und da der Erwerb seiner mehr Aufmerksamkeit und Willensbeschäftigung fordert, als die daraufhin erfolgende Beschaffung des Unterhaltes selbst. Wer gegen diesen so abgestumpft sein sollte, daß er wie jener Kirchenvater Wagenschmiere für Butter aß, ohne es zu merken, kann den noch, wenn er in einer Zeit des Geldverkehrs überhaupt existieren will, für den Erwerb auch der bescheidensten Summe sein Bewußtsein nicht in derselben Weise ablenken lassen. Deshalb wird, wo prinzipiell nur Gleichgültigkeit gegen alles Äußere herrscht, diese gerade dem Gelde gegenüber leicht in wirklichen Haß übergehen. Darauf wirkt, zweitens, der versucherische Charakter des Geldes noch entschiedener ein. Weil es in jedem Augenblick zur Verwendung bereit ist, ist es der schlimmste Fallstrick der schwachen Stunden, und da es alles zu beschaffen dient, so bietet es der Seele das ihr jeweilig Verführerischste dar; und alles dies ist von um so unheimlicherer. Gefährlichkeit, als das Geld, so lange es wirklich bloß als Geld in unseren Händen ist, das indifferenteste und unschuldigste Ding von der Welt ist. So wird es für asketische Empfindungsweisen das richtige Symbol des Teufels, der uns in der Maske der Harmlosigkeit und Unbefangenheit verführt; so daß dem Teufel wie dem Gelde gegenüber die einzige Sicherung im absoluten Fernhalten liegt, in der Ablehnung jeglicher Beziehung, wie ungefährlich sie auch scheine. In der frühesten Gemeinde Buddhas ist dies zum prinzipiellen Ausdruck gekommen. Der Mönch, der in die Gemeinde eintritt, gibt eben damit seinen Besitz überhaupt auf, wie er seine Familienbeziehungen und seine Gattin aufgibt, und darf, gelegentliche Ausnahmen abgerechnet, nichts weiteres als die kleinen Gegenstände des täglichen Bedarfs besitzen, und auch diese eigentlich nur, wenn sie ihm als Almosen zufließen. Wie fundamental diese Bestimmung war, zeigt der Name, mit dem sich die Mönche bezeichneten: die Gemeinde der Bettler. Indem sie täglich erbettelten - und nicht einmal durch ausgesprochene Bitten, sondern das Almosen stillschweigend erwartend - was sie täglich bedurften, war die Bindung an jegliches Eigentum soweit gelöst, wie es überhaupt möglich war. Wie es bei gewissen arabischen Nomadenstämmen durch Gesetz verboten war, Getreide zu säen, ein Haus zu bauen und ähnliches, damit keine Verführung zur Seßhaftigkeit den Einzelnen den Lebensbedingungen des Stammes untreu mache, so galt dasselbe in innerlicher Wendung von den buddhistischen Mönchen. Sie, die sich den Vögeln vergleichen, die nichts mit sich tragen, als die Flügel, wohin sie auch fliegen, dürfen kein Ackerland, kein Vieh, keine Sklaven zum Geschenk nehmen. Am strengsten aber ist dies Verbot in bezug auf Gold und Silber. Der Wohltäter, der den Mönchen ein Geldgeschenk zugedacht hat, darf es nicht ihnen geben, sondern einem Handwerker oder Händler, der dann den Mönchen dafür die Naturalien liefert, die sie annehmen dürfen. Hat aber dennoch ein Bruder Gold oder Silber angenommen, so muß er vor der Gemeinde Buße tun und das Geld wird, wenn ein gutgesonnener Laie in der Nähe ist, diesem zum Einkauf von Lebensmitteln gegeben; selbst darf kein Mönch dies besorgen. Ist aber keiner gleich zur Hand, so wird das Geld einem Mönche zum Fortwerfen überliefert, und zwar einem, »der frei ist von Begehren, frei ist von Haß, frei von Verblendung« - und der so die Garantie gibt, daß er es auch wirklich wegwirft. Hier ist - wenn auch mit der eigentümlichen anämischen Gedämpftheit dieser gleichsam in einem Gedanken erstarrten Seelen - das Geld zu einem Gegenstand der Furcht und des Abscheus, die Armut zu einem eifersüchtig gehüteten Besitz, zu einem kostbaren Stück in dem Wertinventar dieses, aller Mannigfaltigkeit und Interessiertheit der Welt abgewandten Daseins geworden. Im Gelde war der einheitliche Wert gegeben, mit dessen Ablehnung gerade alle Vielheit der Welt abgelehnt war.
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