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I. [Einstellung in das Problem der Maximisierung der Werte durch den Besitzwechsel]

 

Ich habe schon angedeutet, wie dies die Menschheitstragödie der Konkurrenz mindert. Das ist die eigentliche Versittlichung durch den Kulturprozeß, daß immer mehr Lebensinhalte in transindividueller Gestalt objektiviert werden: Bücher, Kunst, ideale Gebilde wie Vaterland, allgemeine Kultur, die Formung des Lebens in begrifflichen und ästhetischen Bildern, das Wissen von tausenderlei Interessantem und Bedeutsamem - alles dies kann genossen werden, ohne daß einer es dem anderen wegnimmt. Je mehr die Werte in solche objektive Form übergehen, um so mehr Platz ist in ihnen, wie in Gottes Hause, für jede Seele. Vielleicht wäre die Wüstheit und Erbitterung der modernen Konkurrenz überhaupt nicht erträglich, wenn ihr nicht diese wachsende Objektivierung von Daseinsinhalten, in ihrer Unberührsamkeit von allem ôte-toi que je m'y mette, zur Seite ginge. Es ist wohl von tieferer Bedeutung, daß eben dasselbe, was den Menschen rein tatsächlich-psychologisch von der niederen Tierreihe scheidet: die Fähigkeit der objektiven Betrachtung, des Absehens vom Ich mit seinen Impulsen und Zuständen zugunsten der reinen Sachlichkeit - daß eben dies dem geschichtlichen Prozeß zu seinem vielleicht edelsten, veredelndsten Ergebnis verhilft, zu dem Aufbau einer Welt, die ohne Streit und gegenseitige Verdrängung aneigenbar ist, zu Werten, deren Erwerb und Genuß seitens des einen den anderen nicht ausschließt, sondern tausendmal dem anderen den Weg zu dem gleichen öffnet. Der Lösung dieses Problems, die der Welt des Objektiven gleichsam in substanzieller Form gelingt, nähert sich der Tausch in funktioneller. Gegenüber dem einfachen Wegnehmen oder der Schenkung, in denen sich der rein subjektive Impuls auslebt, setzt der Tausch, wie wir früher sahen, eine objektive Abschätzung, Überlegung, gegenseitige Anerkennung, eine Reserve des unmittelbar subjektiven Begehrens voraus. Daß diese ursprünglich keine freiwillige, sondern durch die Machtgleichheit der anderen Partei erzwungene sein mag, ist dafür ohne Belang; denn das Entscheidende, spezifisch Menschliche ist eben, daß die Machtgleichheit nicht zum gegenseitigen Raub und Kampf, sondern zu dem abwägenden Tausch führt, in dem das einseitige und persönliche Haben und Habenwollen in eine objektive, aus und über der Wechselwirkung der Subjekte sich erhebende Gesamtaktion eingeht. Der Tausch, der uns als etwas ganz Selbstverständliches erscheint, ist das erste und in seiner Einfachheit wahrhaft wunderbare Mittel, mit dem Besitzwechsel die Gerechtigkeit zu verbinden; indem der Nehmende zugleich Gebender ist, verschwindet die bloße Einseitigkeit des Vorteils, die den Besitzwechsel unter der Herrschaft eines rein impulsiven Egoismus oder Altruismus charakterisiert; welche letztere übrigens keineswegs immer die zeitlich erste Stufe der Entwicklung ausmacht. Allein die bloße Gerechtigkeit, die der Tausch bewirkt, ist doch nur etwas Formales und Relatives: der eine soll nicht mehr und nicht weniger haben als der andere. Darüber hinaus aber bewirkt er eine Vermehrung der absoluten Summe empfundener Werte. Indem jeder nur in den Tausch gibt, was ihm relativ überflüssig ist, und in den Tausch nimmt, was ihm relativ nötig ist, gelingt es durch ihn, die zu jedem gegebenen Zeitpunkt der Natur abgewonnenen Werte zu immer höherer Verwertung zu bringen. Angenommen, die Welt wäre wirklich »weggegeben« und alles Tun bestünde wirklich in einem bloßen Hin- und Herschieben innerhalb eines objektiv unveränderlichen Wertquantums, so bewirkte dennoch die Form des Tausches gleichsam ein interzellulares Wachstum der Werte. Die objektiv gleiche Wertsumme geht durch die zweckmäßigere Verteilung, die der Tausch bewirkt, in eine subjektiv größere, in ein höheres Maß empfundener Nutzungen über. Das ist die große kulturelle Aufgabe bei jeder Neuverteilung von Rechten und Pflichten, die doch immer einen Austausch enthält; selbst bei scheinbar ganz einseitiger Verlegung des Vorteils wird ein wirklich soziales Verfahren sie nicht vernachlässigen. So war es z.B. bei der Bauernbefreiung des 18. und 19. Jahrhunderts die Aufgabe, die Herrschaften nicht einfach das verlieren zu lassen, was die Bauern gewinnen sollten, sondern einen Verteilungsmodus von Besitz und Rechten zu finden, der zugleich die Totalsumme der Nutzungen vergrößerte.

 


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