II. [Die Arbeitsteilung als Ursache für das Auseinandertreten der subjektiven und der objektiven Kultur]
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Je vollständiger ein Ganzes aus subjektiven Beiträgen den Teil in sich einsaugt, je mehr es der Charakter jedes Teiles ist, wirklich nur als Teil dieses Ganzen zu gelten und zu wirken, desto objektiver ist das Ganze, desto mehr lebt es ein Leben jenseits aller Subjekte, die es produzierten. - Im ganzen entspricht jener Spezialisierung der Produktion eine Verbreiterung der Konsumtion: wie selbst der in seinem Geistesleben spezialisierteste, fachmäßig einseitigste Mensch der Gegenwart oben doch seine Zeitung liest, und damit eine so umfassende geistige Konsumtion übt, wie sie vor hundert Jahren auch dem in seiner geistigen Aktivität vielseitigsten und weitestausgreifenden Menschen nicht möglich war. Die Erweiterung der Konsumtion aber hängt an dem Wachsen der objektiven Kultur, denn je sachlicher, unpersönlicher ein Produkt ist, für desto mehr Menschen ist es geeignet. Damit der Konsum des Einzelnen ein so breites Material finden könne, muß dieses sehr vielen Individuen zugängig und anziehend gemacht, kann nicht auf subjektive Differenziertheiten des Begehrens angelegt sein, während andrerseits gerade nur die äußerste Differenzierung der Produktion imstande ist, die Objekte so billig und massenhaft herzustellen, wie es der Umfang des Konsums fordert. So ist der letztere wiederum ein Band, das die Objektivität der Kultur mit ihrer Arbeitsteilung zusammenhängen läßt.
Endlich wirkt der Prozeß, den man als Trennung des Arbeiters von seinem Arbeitsmittel bezeichnet und der doch auch eine Arbeitsteilung ist, ersichtlich im gleichen Sinn. Indem es jetzt die Funktion des Kapitalisten ist, die Arbeitsmittel zu erwerben, zu organisieren, auszuteilen, haben diese letzteren für den Arbeiter eine ganz andere Objektivität, als sie für denjenigen haben müssen, der am eigenen Material und mit eigenen Werkzeugen arbeitet. Diese kapitalistische Differenzierung trennt die subjektiven und die objektiven Bedingungen der Arbeit gründlich voneinander - eine Trennung, zu der, als beide noch in einer Hand vereinigt waren, gar keine psychologische Veranlassung vorlag. Indem die Arbeit selbst und ihr unmittelbarer Gegenstand verschiedenen Personen zugehören, muß sich für das Bewußtsein des Arbeiters der objektive Charakter dieser Gegenstände außerordentlich scharf betonen, um so schärfer, als die Arbeit und ihre Materie doch andrerseits wieder eine Einheit sind und so gerade ihr nahes Aneinander ihre jetzigen Gegenrichtungen am fühlbarsten machen muß. Und das findet seine Fortsetzung und Gegenbild darin, daß außer dem Arbeitsmittel auch noch die Arbeit selbst sich von dem Arbeiter trennt: denn dies ist die Bedeutung der Erscheinung, die man damit bezeichnet, daß die Arbeitskraft eine Ware geworden ist. Wo der Arbeiter an eigenem Material schafft, verbleibt seine Arbeit innerhalb des Umkreises seiner Persönlichkeit, und erst das vollendete Werk verläßt denselben beim Verkauf. Mangels der Möglichkeit indes, seine Arbeit in dieser Weise zu verwerten, stellt er sie für einen Marktpreis in die Verfügung eines Anderen, trennt sich also von ihr von dem Augenblick an, wo sie ihre Quelle verläßt. Daß sie nun Charakter, Bewertungsweise, Entwicklungsschicksale mit allen Waren überhaupt teilt, das bedeutet eben, daß sie dem Arbeiter selbst gegenüber etwas Objektives geworden ist, etwas, das er nicht nur nicht mehr ist, sondern eigentlich auch nicht mehr hat. Denn sobald seine potenzielle Arbeitsmenge sich in wirkliches Arbeiten umsetzt, gehört nicht mehr sie, sondern ihr Geldäquivalent ihm, während sie selbst einem Anderen, oder genauer: einer objektiven Arbeitsorganisation zugehört. Das Ware-Werden der Arbeit ist also auch nur eine Seite des weitausgreifenden Differenzierungsprozesses, der aus der Persönlichkeit ihre einzelnen Inhalte herauslöst, um sie ihr als Objekte, mit selbständiger Bestimmtheit und Bewegung, gegenüberzustellen. Schließlich zeigt sich das Ergebnis dieses Schicksals der Arbeitsmittel und Arbeitskraft an ihrem Produkt. Daß das Arbeitsprodukt der kapitalistischen Epoche ein Objekt mit entschiedenem Fürsichsein, eigenen Bewegungsgesetzen, dem herstellenden Subjekt selbst fremdem Charakter ist, wird da zur eindringlichsten Vorstellung werden, wo der Arbeiter genötigt ist, sein eigenes Arbeitsprodukt, wenn er es haben will, zu kaufen. - Dies ist nun ein allgemeines Schema der Entwicklung, das weit über den Lohnarbeiter hinaus gilt. Die ungeheure Arbeitsteilung z.B. in der Wissenschaft bewirkt es, daß nur äußerst wenige Forscher sich die Vorbedingungen ihrer Arbeit selbst beschaffen können; unzählige Tatsachen und Methoden muß man einfach als objektives Material von außen aufnehmen, ein geistiges Eigentum Anderer, an dem sich die eigene Arbeit vollzieht. Ich erinnere für das Gebiet der Technik daran, daß noch am Anfang des 19. Jahrhunderts, als besonders in der Textil- und Eisenindustrie die großartigsten Erfindungen rasch aufeinander folgten, die Erfinder nicht nur die Maschinen, die sie ersannen, eigenhändig und ohne Beihilfe anderer Maschinen herstellen, sondern meistens noch vorher die dazu erforderlichen Werkzeuge selbst ausdenken und anfertigen mußten. Den jetzigen Zustand in der Wissenschaft kann man als eine Trennung des Arbeiters von seinen Arbeitsmitteln im weiteren Sinne bezeichnen, und jedenfalls in dem hier fraglichen. Denn in dem eigentlichen Prozeß der wissenschaftlichen Produktion scheidet sich nun doch ein dem Produzenten gegenüber objektives Material von dem subjektiven Prozeß seiner Arbeit. Je undifferenzierter der Wissenschaftsbetrieb noch war, je mehr der Forscher alle Voraussetzungen und Materialien seiner Arbeit persönlich erarbeiten mußte, desto weniger bestand für ihn der Gegensatz seiner subjektiven Leistung und einer Welt objektiv feststehender wissenschaftlicher Gegebenheiten. Und auch hier erstreckt sich dieser in das Produkt der Arbeit hinein: auch das Ergebnis selbst, so sehr es als solches die Frucht subjektiven Bemühens ist, muß um so eher in die Kategorie einer objektiven, von dem Produzenten unabhängigen Tatsache aufsteigen, je mehr Arbeitsprodukte Anderer schon von vornherein in ihm zusammengebracht und wirksam sind. Darum sehen wir auch, daß in der Wissenschaft der geringsten Arbeitsteilung, der Philosophie - insbesondere in ihrem metaphysischen Sinne - einerseits das aufgenommene objektive Material eine durchaus sekundäre Rolle spielt, andrerseits das Produkt sich am wenigsten von seinem subjektiven Ursprung gelöst hat, vielmehr ganz als Leistung dieser einen Persönlichkeit auftritt.
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