III. [Die Änderungen der Distanz zwischen dem Ich und den Dingen als Ausdruck für die Stilverschiedenheiten des Lebens]
Dieses Verhältnis aber wird nun auch rückläufig gültig, als Deutung des äußeren Geschehens nach den Inhalten des Innenlebens. Ich meine hier nicht, daß ja auch jenes von vornherein nur eine Welt von Vorstellungen ist, sondern, nachdem einmal auf dieser oder einer anderen erkenntnistheoretischen Basis ein relatives Außen einem relativen Innern gegenübergestellt ist, dienen die spezifischen Erscheinungen des letzteren dazu, das erstere zu einem verständlichen Bilde zu gestalten. So kommt wohl der einheitliche Gegenstand aus der Summe seiner Eigenschaften, die allein er uns doch darbietet, nur so zustande, daß wir ihm die Einheitsform unseres Ich leihen, an der wir im tiefsten erfahren, wie eine Fülle von Bestimmungen und Schicksalen an einer beharrenden Einheit haften kann. Nicht anders dürfte es sich, wie man oft betont hat, mit der Kraft und der Ursächlichkeit äußerer Dinge verhalten: die Gefühle der physisch-psychischen Spannung, des Impulses, der Willenshandlung projizieren wir in die Dinge hinein, und wenn wir hinter ihre unmittelbare Wahrnehmbarkeit jene deutenden Kategorien setzen, so orientieren wir uns eben in ihnen nach den Gefühlserfahrungen unserer Innerlichkeit. Und so stößt man vielleicht, sobald man unter jener ersten Symbolisierung des Innern durch das Körperhafte eine tiefere Schicht aufgräbt, auf den entgegengesetzten Zusammenhang. Wenn wir einen seelischen Vorgang als Verbindung von Vorstellungen bezeichnen, so war dies allerdings eine Erkenntnis seiner nach räumlichen Kategorien; aber diese Kategorie der Verbindung selbst hat vielleicht ihren Sinn und ihre Bedeutung in einem bloß innerlichen, gar nicht anschaulichen Vorgang. Was wir als in der Außenwelt verbunden, d.h. doch, irgendwie vereinheitlicht und ineinander seiend, bezeichnen, bleibt doch in der Außenwelt ewig nebeneinander, und mit seinem Verbundensein meinen wir etwas, was nur aus unserem Inneren, allem Äußeren unvergleichbar, in die Dinge hineingefühlt werden kann: jenes also das Symbol für das, was uns an diesen nicht festzustellen und unmittelbar überhaupt nicht auszudrücken ist. So besteht ein Relativismus, gleichsam ein unendlicher Prozeß zwischen dem Inneren und dem Äußeren: eines, als das Symbol des anderen, dieses zur Vorstellbarkeit und Darstellbarkeit bringend, keines das erste, keines das zweite, sondern in ihrem Aufeinander-Angewiesen-sein die Einheit ihres, d.h. unseres Wesens verwirklichend.
Dieser gegenseitigen symbolisierenden Deutung sind die seelischen und die körperhaften Daseinsinhalte um so unbedenklicher zugängig, je einfacher sie sind. Bei den einfachen Prozessen der Verbindung, Verschmelzung, Reproduktion der Vorstellungen können wir noch einigermaßen die Idee einer allgemeinen Formgesetzlichkeit festhalten, die der inneren wie der äußeren. Welt ein analoges Verhalten vorschreibt und so die eine zur Stellvertretung der anderen geeignet macht. Bei komplizierteren und eigenartigeren seelischen Gebilden wird die Bezeichnung nach Analogien der räumlichen Anschaulichkeit immer diffiziler; immer dringender ist sie auf die Anwendbarkeit in einer Vielheit von Fällen angewiesen, um nicht zufällig und spielerisch zu erscheinen und um eine feste, wenn auch nur symbolische Beziehung zu der seelischen Wirklichkeit zu besitzen. Und von sich selbst ausgehend wird diese letztere den Weg in die Dinge, deren Sinn und Bedeutung nach sich interpretierend, um so schwerer und unsicherer finden, je spezieller oder zusammengesetzter die Vorgänge auf beiden Seiten sind; denn um so unwahrscheinlicher und schwerer herausfühlbar wird jene geheimnisvolle Formgleichheit innerer und äußerer Erscheinungen, die der Seele eine Brücke von den einen in die anderen baut. - Hiermit sollen Erwägungen eingeleitet werden, die eine Reihe mannigfaltiger innerer Kulturerscheinungen zusammenfassen und dadurch, daß diese alle die Deutung nach je einer und derselben anschaulichen Analogie gestatten, einleuchtend machen sollen, daß sie alle einem und demselben Stil des Lebens angehören.