Termingeschäfte in Effekten


Dem Wesen nach gleichartig verläuft die Abwicklung der Effekten-Termingeschäfte. In Effekten ist die bei uns üblichste Form der Termingeschäfte der Kauf »per ultimo fix«, d.h. ein Kauf, welcher am letzten Tage des laufenden Monats durch Lieferung und Zahlung erfüllt werden soll. In jedem einzelnen Papier sind nun an jedem Monatsultimo eine sehr große Zahl von Lieferungs-Verbindlichkeiten zwischen einer großen Zahl von Personen zu erfüllen, und sehr viele Spekulanten haben in den Papieren, in welchen sie spekuliert haben, jeder eine Mehrzahl von teils Lieferungs- , teils Abnahme-Verpflichtungen gegenüber einer Mehrzahl von Personen: sie haben je nach Gelegenheit von einem einen Posten per Ultimo gekauft, bei gestiegenem Preise an einen andern per Ultimo einen Posten verkauft usw. Zur Abwicklung dieses Rattenkönigs von Kauf- und Verkaufsverbindlichkeiten können sie sich dann am Ultimo entweder eines ähnlichen Verfahrens bedienen, wie es beim Produktenhandel Anwendung findet, d.h. ein Besitzer von Papieren, der solche per Ultimo verkauft hat, stellt seinem Käufer einen Lieferungszettel zu, den dieser als Verkäufer weitergibt und so fort, bis er in die Hände eines »letzten Mannes« gelangt, der die Papiere behalten will und sie dann zu einem am Ultimo festgestellten Abrechnungskurs abnimmt, worauf die Differenzen zwischen den Parteien gezahlt werden. So war es bisher in London. Oder aber – und dies ist an den Börsen des Kontinents meist der Fall – es wird in Gestalt des sogenannten »Kollektivkontors« oder »Liquidationsbureau« die Gesamtheit aller Verbindlichkeiten aller Spekulanten in folgender einfacher Weise abgewickelt (»liquidiert«): Das an der Börse dazu eingesetzte Bureau läßt sich von jedem am Terminhandel Beteiligten eine Aufstellung seiner Käufe und Verkäufe in jedem Papier einreichen, stellt für jedes fest, wieviel jeder mehr gekauft hat als verkauft oder umgekehrt, und weist jeden, der einen bestimmten Betrag eines Papiers mehr gekauft hat als verkauft, also diesen Betrag zu behalten hat, auf einen oder mehrere andre an, der oder die zusammen ebensoviel in diesem Papier mehr verkauft als gekauft, also diesen Mehrbetrag zu liefern haben. Die so als »letzte Männer« aufeinander Angewiesenen liefern und beziehen die betreffenden Papiere gegen Zahlung des zur Abrechnung an jedem Ultimo an den Effektenbörsen festgestellten sogenannten »Liquidationskurses« und die Unterschiede dieses nur dem Zwecke der Abrechnung dienenden Kurses gegenüber den Preisen, zu welchen die Spekulanten miteinander ihre Termingeschäfte geschlossen hatten, gleichen diese in der oben geschilderten Weise untereinander aus. Bisher haben wir angenommen, daß die Terminkäufer und -Verkäufer, soweit sie nicht die Ware als Käufer behalten wollen resp. als Verkäufer aus eignen Vorräten liefern oder aus erster Hand an die Börse bringen, mit dem Herankommen des Termins realisieren – ein Gegengeschäft schließen –, es sei nun mit Gewinn oder Verlust, und dadurch die betreffende Spekulation zu Ende führen. Dem ist aber nicht immer so. Es kann sein, daß der spekulierende Käufer (Haussier), wenn der Termin der Erfüllung heranrückt, sich zur Beendigung der Spekulation noch nicht entschließen will, weil die Preise jetzt gesunken, oder nicht so erheblich, wie er annahm, gestiegen sind und ihm also Verlust resp. kein ihm genügender Gewinn erwachsen würde, während er aus irgendeinem Grunde annimmt, daß der Kaufbegehr in Zukunft, z.B. im folgenden Monat, sich steigern, und er also Gelegenheit finden werde, die gekauften Waren oder Papiere dann zu günstigerem Gewinn resp. höheren Gewinn bringenden Preisen zu verkaufen. Das Entsprechende kann bei einem spekulierenden Verkäufer (Baissier) eintreten, der für die Zukunft Gelegenheit zu billigem resp. noch billigerem Einkauf erwartet, als sie ihm bis zum Termin zu finden gelungen war. In diesem Fall schreiten die betreffenden Spekulanten nicht zur endgültigen Realisation des Engagements durch Abschluß eines Verkaufes bzw. Kaufes auf den betreffenden Termin, sondern sie greifen zu demjenigen Mittel, welches man in der Börsensprache »Prolongation« nennt. Sie finden nämlich Kapitalisten, welche über große Vorräte an Waren und Papieren verfügen und bereit sind, dem Käufer (Haussier) das zur Abnahme und Bezahlung der gekauften Papiere oder Waren erforderliche Geld zu leihen gegen Hergabe der von ihm gekauften Papiere und ihnen die gleiche Anzahl Papiere resp. Waren am nächsten Termin gegen Rückzahlung des Geldes zurückzugeben, und ebenso dem Verkäufer (Baissier) die Papiere oder Waren, die er verkauft und zu liefern hat, zu leihen gegen Geld mit dem Versprechen, am nächsten Termin gegen Rückgabe der gleichen Anzahl Papiere oder Waren ihm das Geld wieder herauszugeben. Der Haussier läßt also die Waren oder Papiere an den Kapitalisten liefern und bezahlt sie mit dessen Geld, der Baissier bezahlt aus dem Preis dem Kapitalisten das Geld und liefert die von diesem dargeliehenen Papiere oder Waren. Sie gewinnen damit eine Frist bis zum nächsten Termin – z.B. bei Effekten bis zum nächsten Ultimo – um zu versuchen, nunmehr: der Käufer einen Abnehmer zu günstigerem Preise zu finden, der Verkäufer die Papiere oder Waren billiger einzukaufen. Glückt dies, so läßt sich nun am nächsten Termin der Haussier die Waren oder Papiere, der Baissier das Geld von den Kapitalisten zurückgeben, erfüllen damit ihrerseits das Realisationsgeschäft, und es leistet der Haussier aus dem Preise, den er erhält, dem Kapitalisten das dargeliehene Geld, der Baissier durch Hingabe der eingekauften Waren oder Papiere das ihm in solchen gewährte Darlehen zurück. Spekulanten, die als unsicher gelten, müssen eventuell noch besondere Sicherheit durch Pfand dafür geben, daß sie zur Rückerstattung des geliehenen Geldes oder der Waren und Papiere gegen Herausgabe dessen, was sie dafür gegeben haben, imstande sein werden. – Die Kapitalisten ihrerseits, die so für den Zeitraum zwischen zwei Terminen Geld gegen Hergabe von Papieren oder Waren, und umgekehrt Waren oder Papiere gegen Hergabe von Geld darleihen, benutzen dies sogenannte »Reportgeschäft« als sehr bequeme und gefahrlose Form der Anlage ihres Kapitals, denn selbstverständlich haben die Spekulanten den ihnen gewährten Kredit durch Erstattung von Zinsen – sogenannte »Prolongationszinsen« – zu vergüten. Man nennt denjenigen, der Geld auf Termin hergibt, und Waren oder Papiere dafür erhält, »Hereinnehmer«, denjenigen, der auf Termin Waren oder Papiere gegen Geld hergibt »Hereingeber«. Den besonderen Entgelt, den der erstere erhält, nennt man »Report«, denjenigen, den der letztere erhält, »Deport«24. Der »Prolongationszinsfuß« ist oft recht hoch. Dies besonders dann, wenn eine einseitige Richtung der Preisentwicklung eingetreten ist, z.B. zufolge massenhafter spekulativer Käufe zu hohen Preisen, und nun eine sehr große Anzahl von Spekulanten ihre Engagements, da ihnen die Realisation auf dieser Preisgrundlage nicht gelingt, oder sie die weitere Entwicklung abwarten wollen, gern prolongieren möchten. In diesen Fällen schröpft das Kapital die Spekulanten oft in ganz ungeheuerlichem Maße. –

 

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24 Die komplizierteren Grundlagen der Einzelberechnung je nach den Usancen über die Erstattung der sogenannten »Stückzinsen« neben dem Vertragspreise müssen hier übergangen werden, ebenso alle andren Einzelheiten.

 


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