Pariser Börse


Scheinbar den größten Gegensatz dazu stellt die größte französische, die Pariser Fondsbörse dar. Hier existiert kein geschlossener Verband von Börsenhändlern, es hat jedermann wie zu einem offenen Markt unmittelbar Zutritt und kann – wenn ihm jemand Kredit gibt! – am Handel teilnehmen. Man sieht zuweilen Arbeiter in blauer Bluse ihre Anweisungen auf Staatsschuldscheine, die sie erworben haben, an die Börse weiter verkaufen. Der Börsenhandel ist äußerlich demokratisch eingerichtet wie der Staat. Aber das hat seine Grenze. Gerade die französische Fondsbörse war von jeher eine politische Einrichtung, die der Staat für politische Zwecke dienstbar machte und in deren Organisation er dementsprechend nach Belieben eingriff. So finden wir an den 7 größten französischen Fondsbörsen, besonders der Pariser, das Institut des parquet d.h. eines privilegierten Verbandes vom Ministerium zugelassener Makler »Agents de change«. Diese Makler haben nach dem Gesetz allein das Recht, Geschäfte an der Börse gegen das übliche Entgelt (die Courtage) zu vermitteln, jeder, der einen Makler braucht, soll sich an einen von ihnen wenden und, wie schon eben gesagt, in 9 von 10 Fällen muß jemand, der ein Geschäft machen und schnell jemand finden will, mit dem er es macht, sich eines Maklers bedienen. Sie haben also das Monopol der Geschäftsvermittelung und damit sind ihnen Einkünfte von gewaltigem Umfang gesichert. Für den ganzen ungeheuren Verkehr der Pariser Börse gibt es solcher konzessionierter Makler nur sechzig. Und da jeder derartige Makler das Recht hat, wenn er sich zur Ruhe setzt, seinen Nachfolger selbst vorzuschlagen, also seine Konzession (ähnlich wie etwa die Apotheker bei uns) zu übertragen, so sind die Stellen tatsächlich verkäuflich und man zahlt jetzt etwa 2 Millionen Franken für eine solche. Jeder Makler muß außerdem eine Kaution von 250 000 Franken hinterlegen. Diese Monopolmakler sind also Millionäre12. Durch ihre Hände läuft also ein gewaltiger Bruchteil – etwa die Hälfte – aller Geschäfte der Fondsbörse. Sie haben ihren Platz innerhalb eines mit Schranken umgebenen Raumes, und der Unterschied gegen die großen englisch-amerikanischen Börsen ist also nur der, daß hier nicht der ganze Börsenverkehr, sondern nur gewissermaßen dessen innerster Kern, das letzte Bindeglied zwischen Käufer und Verkäufer, das Monopol einer privilegierten Personengruppe bildet.

 

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12 Obwohl der Verkehr z.B. in Paris ein so gewaltiger ist, daß die 60 konzessionierten Makler ihn gar nicht allein bewältigen können, sondern wohl oder übel das Vorhandensein anderer, nicht konzessionierter – der sogenannten Coulisse, – dulden müssen, so haben sie es doch in der Hand, da das Gesetz die Coulisse nicht zuläßt, jeden nicht konzessionierten Makler zur Bestrafung anzuzeigen und »zum Tempel hinauszujagen«. Sie können also jedenfalls dafür sorgen, daß ihnen, den konzessionierten, von den »Coulissiers« ein so großer und gewinnbringender Teil der Geschäfte ungestört überlassen bleibt, wie sie irgend zu erledigen imstande sind.

 


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Seite zuletzt aktualisiert: 27.10.2004 
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