Aufträge nach Marktlage
Je nach dem Maße nun, in welchem Aufträge zum Verkauf oder zum Kauf bestimmter Warensorten oder Wertpapiere an den Markt gelangen – je nach der jeweiligen »Marktlage« – müssen die zu einem bestimmten Preise keinen Verkäufer mehr findenden Kaufreflektanten mit ihren Preisangeboten in die Höhe gehen und so zu dem teureren Preise weitere Warenbesitzer zum Verkaufe zu bewegen suchen, oder umgekehrt die Verkaufsreflektanten mit ihren Preisforderungen herabgehen, um so durch die billigeren Preise einen Anreiz zum Kauf zu schaffen. Der ganze Verkehr trägt demgemäß den Charakter eines unablässigen gegenseitigen Ansteigerns an sich: die Kommissionäre und Makler mit Kaufaufträgen in der Tasche gehen mit ihren Preisangeboten herauf, diejenigen mit Verkaufsaufträgen mit den Preisforderungen herunter, so nähern sich die Gebote einander, bis ein Geschäftsabschluß zwischen zwei Beteiligten zustande kommt. In der Vergangenheit und auch heute noch vielfach in England und Amerika trägt der Verkehr auch geradezu die Form der öffentlichen Versteigerung an sich: ein Börsenbeamter ruft von erhöhter Stelle aus die einzelnen Waren und Papiere auf; im weiten Kreise um ihn stehen die Reflektanten und rufen ihm ihre Gebote zu, die er mit lauter Stimme wiederholt, bis die Annahme eines Gebotes durch einen Anwesenden erfolgt, worauf die Gebote von neuem beginnen. Meist vollzieht sich der Verkehr ohne einen solchen amtlichen Ausrufer, aber dem Wesen nach in ähnlicher Weise. Die Händler in einem Papier oder in einer Warensorte mit besonders lebhaftem Verkehr haben meist einen bestimmten allgemein bekannten Standort auf der Börse, dorthin begibt sich, wer davon kaufen oder verkaufen will, und es bildet sich ein Knäuel von Menschen, welche sich ihre Kaufs- und Verkaufsofferten zurufen, oft geradezu zubrüllen, indem sie sich dabei bestimmter kurzer Ausdrücke bedienen, die an der Börse üblich sind. Zum Beispiel: Ein Rubelmakler Meier hat einen Auftrag zum Kauf von 30 000 Rubel russischer Noten, nicht über 211 Mk. pro 100 Rubel, erhalten. Er begibt sich an den Rubel »markt«, d.h. zu demjenigen Knäuel, in welchem Rubelnoten gehandelt werden, und ruft: »210 Geld!« – das heißt im Börsendialekt: Ich biete 210 Mark für je 100 Rubel. Ein anderer ruft darauf: »211 Brief!« – das heißt: Ich bin bereit, zu 211 für 100 Rubel Rubelnoten zu verkaufen. Darauf ruft z.B. Meier: »210 Geld!« – d.h. ich will nur 210 geben. Darauf ein Dritter: »2103/4 Brief!« – d.h. ich gebe Rubelnoten schon zu 2103/4 für 100 Rubel her. Nun geht Meier, einsehend, daß er zu 210 Mk. keine R. erhält, mit seinem Gebot in die Höhe und ruft z.B. zunächst: »2101/4 Geld«, d.h. ich bin bereit 2101/4 für 100 R. zu zahlen, worauf z.B. ein Dritter ruft: »2105/8 Brief!« und Meier, nochmals höher bietend: »2101/2 Geld!« Auf dies Gebot hin ruft ihm ein Vierter zu: »Wievielmal?« – nämlich: wievielmal die sogenannte »Schlußeinheit«, – d.h. das der Einfachheit der Verständigung halber, wie wir noch sehen werden, von den Börsenusancen ein für allemal als gemeint festgesetzte Quantum, z.B. in Berlin bei Rubeln 10000 Rubel – wollen Sie zu diesem Preise kaufen? – worauf Meier antwortet: »3 mal!« (d.h. 3 x 10000 = 30000 Rubel will ich kaufen) – und der Gegner, wenn ihm 30000 Rubel zum Preise von 2101/2 Mark für je 100 Rubel feil sind, antwortet: »an Sie!« (nämlich: an Sie verkaufe ich die betreffende Quantität zu dem gebotenen Preise, – der entsprechende Ausdruck des Käufers würde lauten: »von Ihnen!«) worauf beide sich den Kurs und die Quantität schleunigst in ihren Notizbüchern vermerken, um alsbald sich der Erledigung weiterer Aufträge zuzuwenden. Oft müssen Gestikulationen alle Worte ersetzen. Denn die ungeheure Zahl der fortwährend hin- und herschwirrenden Gebote verursacht einen geradezu betäubenden donnerartigen Lärm und ist, verbunden mit dem Anblick zahlreicher Knäuel sich drängender, brüllender und gestikulierenden Menschen wohl geeignet, demjenigen, der zum erstenmal die Galerien eines Börsenraums betritt, Befremden und Widerwillen einzuflößen. –