Börsen in London und New York
Die langen Zifferreihen am Schluß der Zeitungen, welche der Leser, welcher weder Kapitalist noch Geschäftsmann ist, überschlägt, sind nicht nur für die Kapitalisten und Geschäftsleute von Bedeutung, sondern die Art, wie sich im Laufe der Jahre die trocknen Zahlen darin ändern, bedeuten Aufblühen und Niedergang ganzer Produktionszweige, an deren Bestand heute Glück und Elend von Tausenden hängt. Wir sehen: die wesentliche Grundlage und die Einrichtungen der Börsen müssen in der Hauptsache gleichartige sein, weil die Bestimmung der Börse überall dieselbe ist.
Trotz dieser grundsätzlichen Gleichartigkeit der wesentlichen Zwecke zeigt aber die Organisation der Börse in den einzelnen Ländern höchst auffällige Verschiedenheiten, deren Hauptformen wir kurz an Beispielen betrachten wollen.
Die größten englischen und amerikanischen Börsen haben – nicht alle, aber gerade die bedeutendsten – den Charakter geschlossener Klubs der berufsmäßigen Börsenhändler. Regelmäßig voneinander getrennt sind Fonds- und Produktenbörsen und oft diese noch in weitere Spezialbörsen. Jede bildet einen sich selbst verwaltenden Verein, der regelmäßig als Korporation selbst beschließt, wen er in seine Mitte aufnehmen will. Die einzelnen Plätze an der Börse sind, wie früher allgemein und zum Teil noch die Kirchensitze bei uns, erblich und verkäuflich und kosten ganz bedeutende Summen, und nur wer einen Platz erworben hat und in den Verband aufgenommen wird, kann am Börsenhandel direkt teilnehmen, alle anderen müssen sich eines der Zugelassenen als Kommissionär – broker – bedienen, wenn sie Geschäfte machen wollen*).
Um in einen solchen Börsenhändlerverband eintreten zu können, muß aber nicht nur der Platz erworben werden, sondern regelmäßig fordert der Verband noch eine bedeutende Kaution, damit, wer mit dem Eintretenden Geschäfte macht, auch sicher sei, daß er imstande sein wird, seinen Verpflichtungen nachzukommen**). Hier ist also die Börse offen als Monopol der Reichen organisiert, die berufsmäßigen Händler haben sich nach Art einer Zunft des Handels allein bemächtigt, sie allein setzen die Usancen fest, d.h. die Bedingungen, unter welchen ein für allemal die Geschäfte an der Börse als geschlossen gelten, der Staat weder, noch sonst jemand hat ihnen hineinzureden. Sie bilden eine Art »Geld-Aristokratie« des Börsenhandels.
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*) So kann in New York zwar jeder in die Börsenhalle hinein, aber innerhalb derselben befindet sich eine von Schranken umgebene amphitheaterartige Estrade, innerhalb der nur die zugelassenen Börsenhändler sich aufhalten und Geschäfte schließen: man kann herantreten und, wenn man den Kredit eines der Händler genießt, ihm den Auftrag zu einem Geschäfte geben. Zum Raum der Londoner Fondsbörse hat niemand Zutritt als die zugelassenen brokers, Kommissionäre, und dealers, Händler.
**) Entweder müssen sich wohlhabende Personen für ihn verbürgen – so in London 2 Personen in Höhe von je 500 Pfund Sterling (10 000 Mark) – oder er muß einen Betrag in Geld oder Wertpapieren deponieren. Wer jemals seine Zahlungsverpflichtungen nicht hat erfüllen können, bleibt meist dauernd ausgeschlossen, und ziemlich streng ist auch die Disziplin gegen solche, welche sich unlautere Praktiken zuschulden kommen lassen.