Organisation der Börse
Wie ist nun dieser Markt, die Produkten-, Wechsel- , Effektenbörse, – zunächst äußerlich – organisiert? Die ältesten Börsen, in den Niederlanden im 15. Jahrhundert, waren einfach internationale Versammlungen von Kaufleuten, welche dorthin reisten und ihre Waren veräußerten. Allmählich aber kam das Reisen der Händler als Zeitverschwendung ab, man sandte seine Kauf- und Verkaufsaufträge durch Korrespondenz an den Börsenplatz hin, wie noch heute, und es bildete sich eine Klasse von Kaufleuten, welche aus der Besorgung dieser Aufträge einen Beruf machten und daneben selbst für ihre eigene Rechnung an der Börse handelten – ein Stand berufsmäßiger Börsenhändler. Diese vereinigen tatsächlich in ihrer Hand den Geschäftsbetrieb an der Börse. Dies einfach deshalb, weil sie allein den »Markt« kennen, täglich jahraus jahrein, damit zu tun haben und wissen, oder doch vermuten können, welche Waren und Papiere voraussichtlich besonders begehrt oder billig zu haben sein werden. Nicht weil das Gesetz sie privilegierte, sondern deshalb haben sie eine monopolartige Stellung, weil jeder andere, auch wenn er sich auf die Börse begibt und man ihn am Verkehr teilnehmen läßt (z.B. in Paris und Hamburg ist die Börse jedem ausnahmslos zugänglich), schwerlich durch Beteiligung am Geschäft Vorteil zu ziehen oder auch nur rein äußerlich sich über die Art des Geschäftsschlusses zu informieren wissen, sondern vielmehr sich ziemlich »von Gott verlassen« vorkommen wird. Denn dieser Riesenmarkt ist selbstverständlich auch ebensoviel komplizierter als ein gewöhnlicher Wochenmarkt, als er größer ist. Im allgemeinen ist vielmehr derjenige, welcher nicht berufsmäßig Börsenhändler ist, wenn er an der Börse kaufen oder verkaufen will, darauf angewiesen, sich an einen Börsenhändler zu wenden, damit dieser als »Kommissionär« für seine Rechnung das Geschäft abschließt; dafür macht sich der Börsenhändler in der einen oder anderen Form bezahlt – wie, werden wir in einem späteren Heft erörtern.
Die ältesten Börsen waren Versammlungen auf einem offenen, zuweilen eingehegten Platz. Später meist und jetzt wohl immer finden diese Versammlungen in geschlossenen großen Sälen statt. Von jeher bedurfte es naturgemäß eines Organs, welches die Marktpolizei handhabte. Das ist ebenso jetzt, es sind überall Kommissare bestellt, welche die Ordnung aufrechterhalten. – Daneben aber kannte die ältere Markt- und Börsenorganisation noch ein Glied, – und der überwiegende Teil der Börsen, darunter die deutschen, kennt es noch jetzt – welches den speziellen Zweck hat, die möglichste Beschleunigung des Abschlusses der Geschäfte herbeizuführen: die »Makler«. Der Gegensatz gegen die Kommissionäre bestand – wir werden später erörtern (im nächsten Heft), wie sich das geändert hat – darin: der Kommissionär schließt das Geschäft als Beauftragter selbst ab und verrechnet sich mit seinem Auftraggeber, dem er die gekauften Waren dann gegen Erstattung der Auslagen und der »Provision« – z.B. 1, 1/2, 1/8 von je hundert des Betrages – überweist, er ist es, durch dessen Vermittelung die außerhalb der Börse befindlichen an dem Handel, der sich darin abspielt, teilnehmen. Der Makler dagegen ist nur Vermittler, und zwar (normalerweise) nur zwischen den Börsenbesuchern auf der Börse selbst. Er erhält von dem Börsenhändler – sei es, daß dieser für sich, sei es, daß er als Kommissionär für jemand draußen ein Geschäft machen will, den Auftrag, ihm – z.B. – jemand nachzuweisen, der 100 Aktien einer bestimmten Gesellschaft oder 100 Zentner Weizen abnehmen und dafür mindestens x Mark zahlen wolle. Seine Sache ist es, einen solchen zu finden, hat er ihn gefunden, so überbringt er ihm das Angebot (die »Offerte«) und nimmt die Erklärung, daß dasselbe angenommen sei, entgegen. Ueber das so zustande gekommene Geschäft, welches er sich zunächst in einem Notizbuch notiert, stellt er jeder der Parteien eine gleichlautende Bescheinigung, die sog. »Schlußnote«, zu9 und erhält dann – von jeder Partei normalerweise zur Hälfte – die übliche »Courtage«: z.B. 1, 1/2 usw. vom Tausend des Betrages als Entgelt für seine Mühewaltung. Er ist also nach dem Gedanken, der seiner Stellung zugrunde liegt, das Werkzeug, welches die ausgestreckten Hände von Angebot und Nachfrage zusammenführt, so daß sie sich fassen können. Seine Unentbehrlichkeit beruht darauf, daß sonst bei der großen Zahl der Börsenbesucher – an den größten Börsen verkehren mehrere Tausend – die Wahrscheinlichkeit, sich zu treffen, für die Kaufs- und Verkaufslustigen gering, jedenfalls unerhört zeitraubend wäre. Der Geldwert der Zeit aber ist seit Jahrhunderten im Handel enorm gestiegen. – Der einzelne Makler vermittelt meist – wir werden das im einzelnen noch sehen – Geschäfte in einem oder mehreren bestimmten Gegenständen (z.B. in Aktien der Berliner Diskonto-Gesellschaft), man kennt diejenigen Makler, an welche man sich zu wenden hat, wenn man in diesem Gegenstand Geschäfte machen will und in ihrer Hand läuft daher alles zusammen, was an Angebot und Nachfrage »zu Markte« kommt. –
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9 Es ist – beiläufig – angesichts mancher Dinge, die der Börsenspekulation, und zum Teil mit Recht, vorgeworfen werden, immerhin bemerkenswert, daß alle die zahllosen Vereinbarungen über Geschäfte sich durchweg mündlich und keineswegs so, daß etwa regelmäßig Zeugen zu haben wären, vollziehen, und es doch so gut wie niemals vorkommt, daß jemand, auch ein sonst wenig bedenklicher Spekulant, das Zustandekommen einer Vereinbarung bestreitet, auch wenn ihm das Geschäft gewaltigen Verlust bringt. Der Betreffende wäre fortan völlig unmöglich auf der Börse, denn die absolute Zuverlässigkeit des Wortes ist Grundlage ihres Bestehens.