II. [Der sozial fixierte Preis als Vorstufe des sachlich regulierten]

« Zurück 1 |
2 |
3 |
4 |
5 Weiter »
Ist so der Wert gleichsam der Epigone des Preises, so scheint es ein identischer Satz, daß ihre Höhen die gleichen sein müssen. Ich beziehe mich hier auf die obige Feststellung: daß in jedem individuellen Falle kein Kontrahent einen Preis zahlt, der ihm unter den gegebenen Umständen für das Erworbene zu hoch ist. Wenn in dem Chamissoschen Gedichte der Räuber mit vorgehaltener Pistole den Angefallenen zwingt, ihm Uhr und Ringe für drei Batzen zu verkaufen, so ist diesem unter solchen Umständen - da er nämlich nur so sein Leben retten kann - das Eingetauschte wirklich den Preis wert; niemand würde für einen Hungerlohn arbeiten, wenn er nicht in der Lage, in der er sich tatsächlich befindet, diesen Lohn eben dem Nichtarbeiten vorzöge. Der Schein des Paradoxen an der Behauptung von der Äquivalenz von Wert und Preis in jedem individuellen Falle entsteht nur daher, daß in diesen gewisse Vorstellungen von anderweitigen Äquivalenzen von Wert und Preis hineingebracht werden. Die relative Stabilität der Verhältnisse, von denen die Mehrzahl der Tauschhandlungen bestimmt werden, andrerseits die Analogien, die auch das noch schwankende Wertverhältnis nach der Norm bereits bestehender fixieren, bewirken die Vorstellungen: für ein bestimmtes Objekt gehöre sich eben dies und jenes bestimmte andere Objekt seinem Wert nach als Tauschäquivalent, diese beiden bzw. diese Kreise von Objekten hätten gleiche Wertgröße, und wenn innormale Umstände uns dies Objekt mit darüber oder darunter gelegenen Gegenwerten austauschen ließen, so fielen eben Wert und Preis auseinander - obgleich sie tatsächlich in jedem einzelnen Falle unter Berücksichtigung seiner Umstände zusammenfallen. Man vergesse doch nicht, daß die objektive und gerechte Äquivalenz von Wert und Preis, die wir zur Norm der tatsächlichen und singulären machen, auch nur unter ganz bestimmten historischen und technischen Bedingungen gilt und mit der Änderung derselben sofort auseinanderfällt. Zwischen der Norm selbst und den Fällen, die sie als abweichende oder als adäquate charakterisiert, besteht hier also gar kein genereller, sondern sozusagen nur ein numerischer Unterschied - ungefähr wie man von einem außergewöhnlich hochoder außergewöhnlich tiefstehenden Individuum sagt, es sei eigentlich gar kein Mensch mehr; während doch dieser Begriff des Menschen nur ein Durchschnitt ist, der seinen normativen Charakter in dem Augenblick verlieren würde, in dem die Majorität der Menschen zu der einen oder der anderen jener Verfassungen herauf- oder herunterstiege, welche dann als die allein »menschliche« gälte. Dies einzusehen fordert freilich eine energische Befreiung von eingewurzelten und praktisch durchaus berechtigten Wertvorstellungen. Diese nämlich liegen bei irgend entwickelteren Verhältnissen in zwei Schichten übereinander: die eine gebildet aus den Traditionen des Gesellschaftskreises, der Majorität der Erfahrungen, den als rein logisch erscheinenden Forderungen; die andere aus den individuellen Konstellationen, den Ansprüchen des Augenblicks, dem Zwange der zufälligen Umgebung. Gegenüber dem schnellen Wechsel innerhalb der letzteren Schicht verbirgt sich unserer Wahrnehmung die langsame Evolution der ersteren und ihre Bildung aus der Sublimierung jener, und sie erscheint als das sachlich Gerechtfertigte, als der Ausdruck einer objektiven Proportion. Wo nun bei einem Tausch zwar unter den gegebenen Umständen die Wertgefühle von Opfer und Gewinn sich mindestens gleichstehen - denn sonst würde kein Subjekt, das überhaupt vergleicht, ihn vollziehen - dieselben aber, an jenen generellen Festsetzungen gemessen, eine Diskrepanz ergeben, da spricht man von einem Auseinanderfallen von Wert und Preis. Am entschiedensten tritt dies unter den beiden - übrigens fast immer vereinigten - Voraussetzungen auf, daß eine einzige Wertqualität als der wirtschaftliche Wert schlechthin gilt und zwei Objekte also nur insofern als wertgleich anerkannt werden, als das gleiche Quantum jenes Fundamentalwertes in ihnen steckt; und daß zweitens eine bestimmte Proportion zwischen zwei Werten als die sein-sollende mit dem Akzente einer nicht nur objektiven, sondern auch moralischen Forderung auftritt. Die Vorstellung z.B., daß das eigentliche Wertmoment in allen Werten die in ihnen vergegenständlichte, gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit sei, ist nach beiden Richtungen hin benutzt worden und gibt so einen - direkter oder indirekter anwendbaren - Maßstab, der den Wert in wechselnden Plus- und Minusdifferenzen gegen den Preis pendeln macht. Allein zunächst läßt die Tatsache jenes einheitlichen Wertmaßstabes ganz dahingestellt, wieso denn die Arbeitskraft zu einem Werte geworden sei. Sie wäre es schwerlich, wenn sie nicht, an verschiedenem Materiale sich betätigend und verschiedene Produkte schaffend, dadurch die Möglichkeit des Tausches ergeben hätte, oder wenn ihre Ausübung nicht als ein Opfer empfunden worden wäre, das man für den Gewinn ihres Ergebnisses bringt. Auch die Arbeitskraft wird erst durch die Möglichkeit und Wirklichkeit des Tausches in die Wertkategorie eingestellt, ganz unbeschadet des Umstandes, daß sie nachher innerhalb dieser den Maßstab für deren übrige Inhalte abgeben mag. Sei die Arbeitskraft also auch der Inhalt jedes Wertes, seine Form als Wert erhält er erst dadurch, daß sie in die Relation von Opfer und Gewinn oder Preis und Wert (hier im engeren Sinne) eingeht. In den Fällen des Auseinandertretens von Preis und Wert gäbe nach dieser Theorie der eine Kontrahent ein Quantum unmittelbarer vergegenständlichter Arbeitskraft gegen ein geringeres Quantum ebenderselben hin, mit welchem indes andere - keine Arbeitskraft darstellenden - Umstände derart verbunden sind, daß er dennoch den Tausch vollzieht, z.B. Befriedigung eines Bedürfnisses, Liebhaberei, Betrug, Monopole und ähnliches. Im weiteren und subjektiven Sinne bleibt also auch hier die Äquivalenz von Wert und Gegenwert bestehen, während die einheitliche Norm Arbeitskraft, die ihre Diskrepanz ermöglicht, sich auch ihrerseits nicht der Genesis ihres Wertcharakters aus dem Tausch entzieht.
« Zurück 1 |
2 |
3 |
4 |
5 Weiter »