II. [Der sozial fixierte Preis als Vorstufe des sachlich regulierten]

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Aus alledem ergibt sich: der Tausch ist ein soziologisches Gebilde sui generis, eine originäre Form und Funktion des interindividuellen Lebens, die sich keineswegs aus jener qualitativen und quantitativen Beschaffenheit der Dinge, die man als Brauchbarkeit und Seltenheit bezeichnet, durch logische Konsequenz ergibt. Umgekehrt vielmehr entwickeln beide ihre wertbildende Bedeutung erst unter der Voraussetzung des Tausches. Wo der Tausch, das Einsetzen von Opfern zum Zwecke des Gewinnes, aus irgendeinem Grunde ausgeschlossen ist, da kann alle Seltenheit des begehrten Objektes es nicht zu einem wirtschaftlichen Wert machen, bis die Möglichkeit jener Relation wieder eintritt. - Die Bedeutung des Gegenstandes für das Individuum liegt immer nur in seiner Begehrtheit; für das, was er uns leisten soll, ist seine qualitative Bestimmtheit entscheidend, und wenn wir ihn haben, in dem positiven Verhältnis zu ihm, ist es für diese Bedeutung seiner völlig einerlei, ob außer ihm noch viele, wenige oder keine Exemplare seiner Art existieren. (Ich behandle hier die Fälle nicht gesondert, in denen die Seltenheit selbst wieder eine Art qualitativer Bestimmtheit wird, die uns den Gegenstand begehrungswürdig macht, wie bei alten Briefmarken, Kuriositäten, Antiquitäten ohne ästhetischen oder historischen Wert u. ähnl.) Übrigens mag die Unterschiedsempfindung, deren es für den Genuß im engeren Sinne des Wortes bedarf, allenthalben durch eine Seltenheit des Objekts, d.h. dadurch, daß es eben nicht überall und jederzeit genossen wird, bedingt sein. Allein diese innere psychologische Bedingung des Genusses wird nicht praktisch, schon weil sie nicht zur Überwindung, sondern gerade zur Konservierung, ja zur Steigerung der Seltenheit führen müßte, was erfahrungsgemäß nicht geschieht. Um was es sich praktisch außer dem direkten, von der Qualität der Dinge abhängigen Genuß ihrer nur handeln kann, ist der Weg zu demselben. Sobald dieser Weg ein langer und schwieriger ist, über Opfer an Geduld, Enttäuschungen, Arbeit, Unbequemlichkeiten. Verzichtleistungen usw. hinwegführt, nennen wir den Gegenstand »selten«. Man kann dies unmittelbar so ausdrücken: die Dinge sind nicht schwer zu erlangen, weil sie selten sind, sondern sie sind selten, weil sie schwer zu erlangen sind. Die starre äußerliche Tatsache, daß es einen zu geringen Vorrat an gewissen Gütern gibt, um all unser Begehren nach ihnen zu befriedigen, wäre an sich bedeutungslos. Es gibt viele objektiv seltene Dinge, die nicht im wirtschaftlichen Sinne selten sind; ob sie dies letztere sind, darüber entscheidet allein der Umstand, welches Maß von Kraft, Geduld, Hingabe zu ihrem Tauscherwerbe nötig ist - Opfer, die natürlich das Begehrtwerden des Objekts voraussetzen. Die Schwierigkeit des Erlangens, d.h. die Größe des in den Tausch einzusetzenden Opfers ist das eigentümliche konstitutive Wertmoment, von dem die Seltenheit nur die äußere Erscheinung, nur die Objektivierung in der Form der Quantität ausmacht. Man übersieht oft, daß die Seltenheit rein als solche doch nur eine negative Bestimmung ist, ein Seiendes durch ein Nichtseiendes charakterisiert. Das Nichtseiende aber kann nicht wirksam sein, jede positive Folge muß von einer positiven Bestimmung und Kraft ausgehen, von der jene negative gleichsam nur der Schatten ist. Diese konkreten Kräfte sind aber ersichtlich nur die in den Tausch eingesetzten. Nur darf man den Charakter der Konkretheit dadurch nicht herabgesetzt glauben, daß er hier nicht an dem Einzelwesen als solchem haftet. Die Relativität zwischen den Dingen hat die einzigartige Stellung: über das Einzelne hinauszureichen, nur an der Mehrheit als solcher zu subsistieren und doch keine bloß begriffliche Verallgemeinerung und Abstraktion zu sein.
Auch hierin drückt sich die tiefe Beziehung der Relativität zur Vergesellschaftung aus, die die unmittelbarste Veranschaulichung der Relativität an dem Material der Menschheit ist: die Gesellschaft ist das übersinguläre Gebilde, das doch nicht abstrakt ist. Durch sie wird das geschichtliche Leben der Alternative enthoben, entweder an bloßen Individuen oder in abstrakten Allgemeinheiten zu verlaufen; sie ist das Allgemeine, das zugleich konkrete Lebendigkeit hat. Daher die einzigartige Bedeutung, die der Tausch, als die wirtschaftsgeschichtliche Verwirklichung der Relativität der Dinge, für die Gesellschaft hat: er erhebt das einzelne Ding und seine Bedeutung für den einzelnen Menschen aus ihrer Singularität, aber nicht in die Sphäre des Abstrakten hinein, sondern in die Lebendigkeit der Wechselwirkung, die gleichsam der Körper des wirtschaftlichen Wertes ist. Man mag den einen Gegenstand noch so genau auf seine für sich seienden Bestimmungen untersuchen: den wirtschaftlichen Wert wird man nicht finden, da dieser ausschließlich in dem Wechselverhältnis besteht, das sich auf Grund dieser Bestimmungen zwischen mehreren Gegenständen herstellt, jedes das andere bedingend und ihm die Bedeutung zurückgebend, die es von ihm empfängt.
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