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II. [Der sozial fixierte Preis als Vorstufe des sachlich regulierten]

 

Die qualitative Bestimmtheit der Objekte, die subjektiv ihre Begehrtheit bedeutet, kann nach alledem den Anspruch, eine absolute Wertgröße zu erzeugen, nicht aufrecht erhalten: es ist immer erst die im Tausch sich verwirklichende Relation der Begehrungen zueinander, die deren Gegenstände zu wirtschaftlichen Werten macht. Unmittelbarer tritt diese Bestimmung an dem anderen der als konstitutiv geltenden Momente des Wertes hervor, an der Knappheit oder relativen Seltenheit. Der Tausch ist ja nichts anderes als der interindividuelle Versuch, die aus der Knappheit der Güter entspringenden Mißstände zu verbessern, d.h. das subjektive Entbehrungsquantum durch die Verteilungsart des gegebenen Vorrates möglichst herabzusetzen. Schon daraus folgt zunächst eine allgemeine Korrelation zwischen dem, was man - in freilich mit Recht kritisierter Weise - Seltenheitswert, und dem, was man Tauschwert nennt. Hier aber ist der Zusammenhang in umgekehrter Richtung wichtiger. Ich habe bereits hervorgehoben, daß die Knappheit der Güter schwerlich eine Wertung ihrer zur Folge hätte, wenn sie nicht durch uns modifizierbar wäre. Das ist sie eben nur auf zweierlei Weise: entweder durch die Hingabe von Arbeitskraft, die den Gütervorrat objektiv vermehrt, oder durch Hingabe bereits besessener Objekte, die als Besitzwechsel die Seltenheit des je begehrtesten Objektes für das Subjekt aufhebt. So kann man zunächst wohl sagen, daß die Knappheit der Güter im Verhältnis zu den darauf gerichteten Begehrungen objektiv den Tausch bedingt, daß aber der Tausch seinerseits erst die Seltenheit zu einem Wertmoment macht. Es ist ein Fehler in vielen Werttheorien, daß sie, wenn Brauchbarkeit und Seltenheit gegeben sind, den ökonomischen Wert, d.h. die Tauschbewegung als etwas Selbstverständliches, als die begrifflich notwendige Folge jener Prämissen setzen. Damit haben sie aber keineswegs recht. Wenn etwa ein asketisches Sich-Bescheiden neben jenen Voraussetzungen stünde, oder wenn sie nur zu Kampf oder Raub veranlaßten - was ja auch oft genug der Fall ist -, so würde kein ökonomischer Wert und kein ökonomisches Leben entstehen.

Die Ethnologie belehrt uns über die erstaunlichen Willkürlichkeiten, Schwankungen, Unangemessenheiten der Wertbegriffe in primitiven Kulturen, sobald mehr als die dringendste Notdurft des Tages in Frage steht. Nun ist kein Zweifel, daß dies infolge - allenfalls in Wechselwirkung mit - der anderen Erscheinung stattfindet: der Abneigung des primitiven Menschen gegen den Tausch. Für diese sind mehrere Gründe geltend gemacht. Weil es jenem an einem objektiven und allgemeinen Wertmaßstab fehlt, müsse er stets fürchten, im Tausche betrogen zu werden; weil das Arbeitsprodukt immer von ihm selbst und für ihn selbst hergestellt sei, entäußere er sich damit eines Teiles seiner Persönlichkeit und gebe den bösen Mächten Gewalt über sich. Vielleicht stammt die Abneigung des Naturmenschen gegen die Arbeit aus derselben Quelle. Auch hier fehlt ihm der sichere, Maßstab für den Tausch zwischen Mühe und Ertrag, er fürchtet auch von der Natur betrogen zu werden, deren Objektivität unberechenbar und schreckhaft vor ihm steht, ehe er in ausgeprobtem und geregeltem Austausch mit ihr auch sein eigenes Tun in die Distanz und Kategorie der Objektivität eingestellt hat. Das Versenktsein also in die Subjektivität des Verhaltens zum Gegenstand läßt ihm den Tausch - naturaler wie interindividueller Art -, der mit Objektivierung der Sache und ihres Wertes zusammengeht, als untunlich erscheinen. Es ist tatsächlich, als ob das erste Bewußtwerden des Objektes als solchen ein Angstgefühl mit sich brächte, als ob man damit ein Stück des Ich als von ihm losgerissen empfände. Daher sogleich die mythologische und fetischistische Deutung, die das Objekt erfährt - eine Deutung, die einerseits dieses Angstgefühl hypostasiert, ihm die einzige für den Primitivmenschen mögliche Begreiflichkeit gibt, andrerseits aber es doch mildert und, indem es das Objekt vermenschlicht, es der Versöhnung mit der Subjektivität wieder näher bringt. Aus dieser Sachlage erklären sich vielerlei Erscheinungen. Zunächst die Selbstverständlichkeit und Ehrenhaftigkeit des Raubes, des subjektiven und unnormierten Ansichreißens des gerade Gewünschten. Noch weit über die homerische Zeit hinaus erhielt sich in zurückgebliebenen griechischen Landschaften der Seeraub als legitimer Erwerb, ja, bei manchen primitiven Völkern gilt der gewaltsame Raub sogar für vornehmer als das redliche Bezahlen. Auch dies letztere ist durchaus verständlich: beim Tauschen und Bezahlen ordnet man sich einer objektiven Norm unter, vor der die starke und autonome Persönlichkeit zurückzutreten hat, wozu sie eben oft nicht geneigt ist. Daher überhaupt die Verachtung des Handels durch sehr aristokratisch - eigenwillige Naturen. Daher begünstigt aber auch der Tausch die Friedlichkeit der Beziehungen unter den Menschen, weil sie in ihm eine intersubjektive, ihnen gleichmäßig übergeordnete Sachlichkeit und Normierung anerkennen.

 


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