Barozzio, Giacomo, genannt Vignola, dem wegen seiner Werke und Schriften der Namen eines Gesetzgebers der neuern italienischen Architektur beigelegt wurde, ist 1507 zu Vignola im Modenesischen geboren. Nach seines Vaters, eines mailändischen Edelmanns Tod, schickte ihn seine Mutter, eine Deutsche von Geburt, die das frühzeitige Talent des Sohnes für die Kunst erkannt, nach Bologna, wo er sich erst der Malerei, später aber ganz der Baukunst, nach welcher Seite hin ihn auch größere Neigung und Anlagen zogen, widmete. Er besuchte hierauf Rom, um hier die bedeutendsten Baudenkmale des Altertums zu studieren, wozu sich ihm die gründlichste Gelegenheit bot, indem eine bald nach seiner Ankunft gegründete Akademie der Baukunst ihn beauftragte, die wichtigsten antiken Gebäude der Stadt für sie auszumessen und zu zeichnen. Im Jahr 1537 verließ er Rom, und folgte Primaticcio nach Frankreich, wo er für Franz I. mehrere Pläne zu Gebäuden entwarf, deren Ausführung aber der Krieg vereitelte. Nach seiner Rückkehr in die Heimath wurde er zu Bologna vielfach beschäftigt. Er entwarf die Pläne zum Frontispice der großen Kirche S. Petronio und baute den Portikus der Börse zu Bologna, den Palast des Grafen Isolani zu Minerbo, die Kirche Madonna degli. Angeli und die schöne Kapelle des heil. Franz zu Perugia u.s.w. Eine umfassendere Tätigkeit erwartete ihn aber in Rom, wo er durch Vasari dem Papst Julius III. vorgestellt, von diesem 1550 zu seinem Architekten ernannt wurde, und als solcher die Wasserleitung von Trevi, die Villa des Papstes Julius III. und die Meine Kirche S. Andrea di Ponte Molle, beide vor der Porta del popolo gelegen und unstreitig unter die besseren Werke der modernen italienischen Baukunst gehörig, die Kirche del Gesù (begonnen um 1568 und vollendet durch seinen Schüler Giac. della Porta) nach seinen Plänen ausführen ließ. Außer diesen und anderen Bauten, die alle das Gepräge der Kunstrichtung des Meisters tragen, ist das Hauptwerk seines Lebens das berühmte Schloss Caprarola, das der Kardinal Farnese auf dem Wege von Rom nach Viterbo errichten ließ, ein Gebäude von eigentümlich sinnreicher und großartiger Anlage. Nach Michelangelo's Tod bekleidete Barozzi die Stelle eines Baumeisters der Peterskirche zu Rom. Von ihm rühren die beiden Nebenkuppeln an der Vorderseite, die wie Trabanten der großen Kuppel aussehen, her. Wegen der damals herrschenden Kriegsunruhen konnte aber auch er den Bau nicht wesentlich fordern, überdies starb er nicht lange hernach im Jahr 1573.
Nicht minderen Ruf als durch seine Bauten erwarb sich Vignola durch sein bekanntes Werk über die fünf Säulenordnungen, in welchem er, nach den genausten Studien über die Architektur des alten Roms, deren Form und Verhältnisse, freilich öfters mit willkürlicher Beschränkung, bestimmte. Streng sich an das Studium des klassischen Altertums haltend und immerdar durch Beispiel und Lehre dafür zu wirken bemüht, schloss er sich in seiner Kunstweise jener mit dem Anfang des 16. Jahrhunderts in der Architektur eingeschlagenen Richtung, die dessen zeitgemäße Wiederbelebung in malerischen Massenwirkungen bezweckte, strenge an, und erreichte auch in seinen Gebäuden eine imponierende Reinheit des Stils, nur dass bei ihm an die Stelle der Anmut und des poetischen Hauchs, der die Werke seiner künstlerischen Vorfahren durchzogen hatte, öfters mehr eine verständige, tüchtige Regelmäßigkeit tritt.
Literatur. Vasari, Leben der ausgez. Maler, Bildh. und Baumeister. — Quatremère de Quincy, Dictionnaire historique d'Architecture.