Januar 1914
Ich habe ihn gefunden
der so aussieht, wie jener, bei dessen Zeugung Musik von Lehar gemacht wurde und die Eltern sich eine Dichtung von Stein und Bodanzky vorlasen. Wie der muntere Ladenschwengel, der direkt dem Schoß der Operette als Lebensfigur entsprungen ist. Wie jener Mustermensch, der das letzte Produkt dieser poetisch angehauchten Erde ist, über der die Fixsterne als Kommis walten und die Kometen als Reisende. Ich habe ihn gefunden, der so aussieht, wie alle beim großen Ausverkauf aussehen werden. Ich habe ihn gefunden! Er ist gut gelaunt, warum nicht, recht hat er; er will sein Glück machen, bittsie ein junger Mann; er sucht — doch hören wir ihn selbst:
Ich suche ein Mädel, ein fesches,
So was liebes, kluges, resches,
Das in Stunden der Trauer mitfühlt,
Und in tollem Witz sprüht.
Dann verlange ich Mitgift auch
Von 500.000 Kronen,
Weil dies bei uns ist Brauch.
Trifft’s zu, dann schreibe sie ein Brieflein klein
Und lege auch ihr Bildchen ein,
Das ich ihr baldigst retournier’,
Weil ich bin Ehrenmann — Reserveoffizier.
Einkommen hätt’ ich, das ist klar,
Von 80.000 Kronen im Jahr.
Auch bin ich Jude — das ist wahr,
Doch freidenkend ganz und gar.
Nun paßt’s? Ich bitte sehr.
Unter »Mädel, was willst du noch mehr
Nr. 78081« an die Exped.
Er sucht, und ich habe ihn gefunden. Ich glaube nicht, daß in diesem Jahr die Glockenblumen blühen werden. Darum: könnte ich, wie ich wollte, wäre ich Herodes im Staat, so würde ich ihn bei der nächsten Volkstheaterpremiere suchen lassen. Ich weiß, er ist eine gute Partie; aber ich gehe aufs Ganze. Und ließe ihn tanzen vor mir wie Salome und für jede Mille, die er verlangt, ließe ich ihn peitschen, das ist klar, und geböte den Firmenchefs, daß sie die Schilder über ihn senkten: »Man erschlage diesen Freidenker!« Weil dies bei mir ist Brauch. Weil er ist Ehrenmann — Reserveoffizier. Nun paßt’s? Ich bitte sehr! Die Brut will sich vermehren? Strychnin für eure Mitgift!
Vgl.: Die Fackel, Nr. 391/92, XV. Jahr
Wien, 21. Januar 1914.