Mai 1916
Der Krieg im Schulbuch
Eine Berliner Zeitung hatte am 16. April die folgende Notiz gebracht:
Aus dem Aprilheft der Wiener Zeitschrift Die Fackel ersehen wir, daß im Verlage von Karl Meyer, Hannover, ein für den Schulgebrauch bestimmtes Lesebuch der Rektoren Kappey und Koch in Hildesheim erschienen ist, das u.a. ein Gedicht »Regiment greift an« enthält. Die folgende Strophe gibt eine Probe dieses Gedichtes:
Da drüben, da drüben liegt der Feind
In feigen Schützengräben,
Wir greifen ihn an, und ein Hund wer meint,
Heut würde Pardon gegeben.
Schlagt alles tot, was um Gnade fleht,
Schießt alles nieder wie Hunde,
Mehr Feinde, Mehr Feinde! sei euer Gebet!
In dieser Vergeltungsstunde!
Dagegen haben wir nur eine Frage an die zuständigen Stellen: wer überwacht die Schulliteratur?; und ist dieses Lesebuch wirklich zum Schulgebrauch unserer Kinder zugelassen?!
Ein deutscher Verlag schrieb an die Fackel:
Im »Börsenblatt für den deutschen Buchhandel« wurde neulich ein ganz unglaubliches Gedicht »Regiment greift an« zitiert, welches Sie zuerst in einem deutschen Lesebuch für den Schulgebrauch gefunden und getadelt haben. (Anm.: Das Zitat war der »Arbeiter-Zeitung« entnommen.) Die Tatsache, daß solche Verse in einem deutschen Lesebuch Aufnahme finden können, finde ich so entsetzlich, daß ich gelegentlich einen meiner Autoren veranlassen möchte, an geeigneter Stelle auf diese Sache zurückzukommen. Würden Sie die Freundlichkeit haben mir mitzuteilen, in welchem Lesebuch sich dieses Gedicht findet.
Inzwischen war, am 4. Mai, in jener Berliner Zeitung die folgende Notiz erschienen:
Wir haben am 16. April, nach der Wiener Zeitschrift Die Fackel, ein einigermaßen gewalttätig gesinntes Gedicht »Regiment greift an« erwähnt, das in ein für den Schulgebrauch bestimmtes Lesebuch der Rektoren Kappey und Koch aufgenommen worden war und das in seiner Art nicht gerade für kindliche Gemüter geeignet schien. Wir erfahren jetzt durch das Oberkommando in den Marken, daß dieses Gedicht, das von einem mittlerweile gefallenen Kriegsteilnehmer zuerst in einer hannoverschen Zeitung veröffentlicht worden war, erfreulicherweise auf Verfügung des stellvertretenden Generalkommandos des x. Armeekorps aus dem Lesebuch ausgemerzt werden mußte und im Neudruck des Buches nicht mehr enthalten ist. Die Verfügung ist übrigens schon am 29. Januar, also lange vor dem Erscheinen der Aprilnummer der Fackel, erlassen worden.
Was dieser nicht bekannt sein konnte. Sonst hätte sie gleich die löbliche Austilgung zur Kenntnis genommen, um festzustellen, daß es existent war; daß es entstehen und aufgenommen werden konnte und daß deutsche Pädagogen sich von deutschen Militärs erziehen lassen mußten. Die Reproduktion in der Fackel hat zwar nicht das behördliche Einschreiten zur Folge gehabt — davon hätte sie kaum etwas erfahren —, sondern mehr: dessen Verlautbarung. Auf diesem gangbaren Weg, die pädagogische Schande nicht nur auszumerzen, sondern es auch bekanntzumachen, möge nun fortgefahren werden. Ich verspreche feierlich, daß ich es mir nicht als Erfolg anrechnen werde. Vielmehr bin ich in jedem einzelnen der folgenden Fälle bereit, festzustellen, daß die Verfügung schon lange vor dem Erscheinen der Fackel erlassen worden ist.
»Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten, in acht nach Klassenstufen geordneten Abteilungen und zwei Vorschul-Teilen, neu bearbeitet von Geh. Studienrat Professor Dr. Alfred Biese, Direktor des Königl. Kaiser-Friedrichs-Gymnasiums in Frankfurt a.M.«, enthält unter den »Lesestücken aus der Kriegsliteratur für die Unter-Klassen Sexta bis Quarta« nebst dem gräßlichen »Reiterlied« (Wer da, wer) des Gerhart Hauptmann, dem der Krieg Herz und Hirn requiriert hat, noch die folgenden Dokumente jener unnennbaren Schande, die aus Herzverhärtung und Gehirnerweichung Verse gemacht hat:
Berliner Landsturm.
Von Hans Brennert.
Es pfeift die Eisenbahne —
Adieu, Frau Nachbar Schmidt!
Der Landsturm muß zur Fahne —
der Landsturm, der geht mit.
In Frankreich und in Polen,
da müssen wir versohlen
ganz schnelle ja
die Felle ja
Franzosen, Russ’ und Brit’!
Der tapfre Landsturmmann — er rückt an, er rückt an!
Auf! Landsturm mit Waffe,
Mit Knarre und mit Affe —
Steig ein! Steig ein! Steig ein!
Zur Weichsel und zum Rhein!
Und ist uns auch zu enge
der Rock blau oder grau —
ihr kriegt doch eure Senge
nicht weniger genau!
Wir schworen es ja Muttern,
daß wir euch würden futtern,
ihr Söhnekens,
mit Böhnekens,
die sind so heiß und blau!
Der tapfre Landsturmmann — er rückt an, er rückt an!
Auf —! Landsturm mit Waffe,
Mit Knarre und mit Affe —
Steig ein! Steig ein! Steig ein!
Zur Weichsel und zum Rhein!
Lernt schießen schnell! — Ihr Jungen!
Kommt nach! Zieht bald mit aus!
Es ist genug gesungen
die Wacht am Rhein zu Haus!
Wir müssen an die Seene!
Auf, Jungens, rührt die Beene,
die Wade, marsch! —
Parademarsch!!!
Und drescht den Nikolaus! —
Der tapfre Landsturmmann — er rückt an, er rückt an!
Auf —! Landsturm mit Waffe,
Mit Knarre und mit Affe —
Steig ein! Steig ein! Steig ein!
Zur Weichsel und zum Rhein!
O Nikolaus, o Nikolaus!
Von Wilhelm Platz.
O Nikolaus, o Nikolaus, du bist ein schlechter Bruder,
du predigst uns von Frieden vor
und rüstest heimlich Korps um Korps,
o Nikolaus, o Nikolaus, du bist ein falsches Luder.
O Engelland, o Engelland, wie hast du dich benommen,
als wie ein rechter Krämersmann,
der nimmt, so oft und viel er kann.
O Engelland, o Engelland, das wird dir schlecht bekommen.
Der Franzmann auch, der Franzmann auch, zeigt wieder seine Krallen,
er möchte gern den schönen Rhein,
wir aber nach Paris hinein,
das will ihm nicht, das will ihm nicht, das will ihm nicht gefallen.
Und wenn die Welt voll Feinde wär’
und keinem wär’ zu trauen,
so fürchten wir uns dennoch nicht,
wir halten’s, wie der Kaiser spricht:
Wir werden sie, wir werden sie, wir werden sie verhauen.
Die Geschichte von Lüttich.
Von Friedrich Hussong.
Unsere Kerrels, die wollten ins Frankreich hinein,
in einem Ritt nach Paris vom Rhein.
Da lag das Lüttich mitten im Weg;
nicht links, nicht rechts Pfad oder Steg.
Da sprach der General Emmich:
»Gottsakerment, das nemm ich.«
Gotts Dunner, wie will er das nehmen ein,
wo so viel Forts und Kanonen sein?
Da sagte der: »Wir rennen ein Loch,
paßt auf, ihr Kerls, und nehmen es doch.
Daß die uns hindern, würmt mich,
aber paßt auf, das stürmt sich.«
Herr General Emmich, ich sag’s mit Gunst,
ein Ding ist’s gegen die Regel und Kunst;
man muß da erst lange vor liegen
und das Lüttich geduldig bekriegen;
doch der: »Das sind eitel Dünste,
die regelrechten Künste.«
Und die Kerrels stürmten und rannten ein Loch
und kriegten’s trotz Forts und Kanonen doch
und sind auf dem Weg ins Frankreich hinein,
in einem Ritt nach Paris vom Rhein.
Wie sagt der General Emmich?
»Gottsakerment, das nemm ich.«
De dicke Berta.
Von Gorch Fock.
Dicke Berta heet ik,
tweeunveertig meet ik,
wat ik kann, dat weet ik!
Söben Milen scheet ik,
Steen un Isen freet ik,
dicke Muern biet ik,
grote Löcker riet ik,
dusend Mann de smiet ik!
Beuse Klüten kok ik,
Blitz un Donnr mok ik,
heete Suppen broo ik,
grote Reisen do ik:
erst vor Lüttich stunn ik,
Huy un Namur funn ik,
ok Givet, dat kreeg ik,
un Maubeuge sehg ik,
um Antwerpen stuk ik,
un Ostende duk ik.
Vor Verdun, dor stoh ik,
no Paris hen goh ik,
ok no London, gleuf ik:
op den Tag dor teuf ik!
Schient de Sünn, denn summ ik,
schient de Moon, denn brumm ik
ganz verdübelt, meen ik!
Mienen Kaiser deen ik,
dicke Berta heet ik,
tweeunveertig meet ik,
wat ik kann, det weet ik!
Eine Dichtung des Herrn Cäsar Flaischlen — was für eine Sorte doch ehedem zur »Literatur« gehört hat! — beginnt so:
Sie haben das sehr schön sich ausgedacht
von hüben wie von drüben
und mit unserer deutschen Ritterlichkeit
seit Jahren Schindluder getrieben.
Sie haben seit Jahren uns umstellt
an allen Ecken und Kanten,
Verträge und Klauseln ausgeheckt
und einander Schmiere gestanden.
Feig, wie sie sind, vermeinten sie,
uns heimlich zu Boden zu knebeln
und bei der ersten Gelegenheit
uns einfach zusammenzusäbeln.
Nicht einer hatte den traurigen Mut,
offen das Schwert zu erheben:
sie kauften sich einen kleinen Mann,
die Fackel ans Haus zu legen.
»Schrei auf, mein Herz!« Und du, Michel, greif zum Schwert:
Und hau nach hinten und hau nach vorn,
hau zu, wie nur zu hauen,
wohin es trifft, ein jeder Hieb
sei Grausen und sei Grauen!
Hau drauf und drein, durch Eisen und Stein,
mit Kolben und Kanonen —
wir wissen ja endlich, woran wir sind,
Und brauchen niemand zu schonen!
Und geht die ganze Welt kaputt
in Blut- und Flammenwehen,
und wird es wirklich Jüngster Tag —
wir bleiben und wir stehen!
Wir bleiben, Michel, und wir stehn
vor Gottes Thron zu sagen:
allwie man ihn und seine Welt
an elende Habsucht verraten!
Der Hans Heinz Ewers jedoch, der in Amerika den Deutschenhaß, den er erweckt, nach Möglichkeit zu bekämpfen sucht und zu seinem größten Bedauern rechtzeitig verhindert war, zurückzukommen, singt den Gymnasiasten eins von der »Emden« vor:
Der Kapitän der »Emden« sprach:
»Verdammt noch mal und zugenäht!
Nun liegt der deutsche Handel brach! —
John Bull hat mächtig aufgedreht
und bläht sich hinter jedem Riff;
es kapert sich der Lausebrit’
so manches gute deutsche Schiff.
Verdammt; da tu’ ich auch noch mit
mit meiner braven ›Emden‹!«
Der Japse schwimmt vor Tsingtaus Gischt
und lauert früh und lauert spät —
da ist zur Nacht ihm was entwischt,
verdammt noch mal und zugenäht!
Die Katze, die ihm schon im Sack,
will noch einmal aufs Mausen gehn!
— Und auf das gelbe Lumpenpack
pfeift unser blonder Kapitän
Karl Müller von der »Emden«!
Verschwunden! Weg! Das Schiff ist weg!
— Wie Brite auch und Japse späht,
sie finden nimmer das Versteck,
verdammt noch mal und zugenäht!
Sie fahren hin, sie fahren her
und haben weidlich durchgesucht
sechs Wochen lang des Ostens Meer —
— da schwimmt sie in Bengalens Bucht.
die liebe kleine »Emden«!
Und so. In der letzten Strophe schlägt der Dichter den Grafentitel für den Kapitän der »Emden« vor, indem er »als Poet« den Wappenspruch: »Verdammt noch mal und zugenäht!« ihm »dreingibt«. Herr Ewers, wiewohl durch die Umstände an der aktiven Mitwirkung bei der Glorie rechtzeitig verhindert und gezwungen, in amerikanischen Varietés für die deutsche Sache einzutreten, hat sich schon zu Kriegsbeginn durch ein stimmungsvolles Gedicht verdient gemacht, in welchem er sein Mütterchen besang, das ein kleines, stilles Häuschen am Rhein besitze und es nunmehr natürlich in ein Spital verwandelt habe. Zwischen den Buddhas, ausgerechnet, und ähnlichen exotischen Kostbarkeiten, die Herr Ewers von seinen Weltreisen mitgebracht hat, ruhen nun, so schrieb er, brave Jungens von jenen Strapazen aus, die dem Dichter selbst erspart geblieben sind, während das Mütterchen unverdrossen der Pflege obliegt und ihr Scherflein beiträgt. Einer dieser braven Jungens sei blind, denn »sie stachen ihm bei Namur« oder Maubeuge oder sonst irgendwo, wo Herr Ewers sich nicht durch persönlichen Augenschein davon überzeugt hat, »die Augen aus«. Als der Dreck erschien, ließ sich ein Mitarbeiter des ›Vorwärts‹, der jene Lunte, die Herr Ewers nicht gerochen hat, zu riechen begann, die Mühe nicht verdrießen, beim Mütterchen des Herrn Ewers sich nach dem blinden Soldaten zu erkundigen. Aus Teilnahme, warum nicht. Wiewohl aber sonst jedes Mütterchen in Deutschland Bescheid weiß — dieses eine ward verlegen und erklärte sich um so mehr außerstande, den blinden Soldaten vorzuführen, als sich herausstellte, daß sie zwar ein Häuschen am Rhein bewohne, aber nie der Spitalstätigkeit obgelegen habe. Aber auch sonst habe sie in ganz Düsseldorf weit und breit einen blinden Soldaten nicht gesehen, was sei denn das nur, so oft sei schon wegen des schönen Gedichtes ihres Sohnes, auf den sie stolz sei, bei ihr angefragt worden, sie möchte es auch gern lesen, aber sie habe wirklich kein Spital und wisse auch nichts davon, daß wo anders einer liege, dem die Augen ausgestochen worden seien, das wäre ja auch gar zu schrecklich, aber der gute Junge, an alles denkt er doch, immer habe er schon eine lebhafte Phantasie gehabt, und kehre er dereinst gesund heim, das Mutteraug werde ihn eben darum erkennen .... Verdammt noch mal und zugenäht. Herr Ewers aber vertritt seitdem die deutsche Sache in Amerika und kämpft in Versen gegen allerlei Lumpenpack. Und in den Unterklassen von Sexta bis Quarta, geführt von einem Geheimen Studienrat, liest es die deutsche Jugend.
Ich würde mich freuen, feststellen zu können, daß auf Verfügung eines österreichischen Militärkommandos die zugleich mit »Regiment greift an« zitierten Sätze eines Wiener Pädagogen lange vor dem Erscheinen des Aprilheftes jeder Möglichkeit künftigen Schulgebrauches entzogen waren. Sie seien zum Gebrauch für eine Menschheit hieher gesetzt, die einen Leitfaden durch unser Labyrinth der Nächstenliebe nötig haben wird, worin, wenn man schon glaubte, beinahe im Freien zu sein, schnell noch Aristokratinnen ein Kinderspiel »Russentod« erfunden haben und Pädagogen die Theorie dazu:
»Auf daß ihr mit wissendem Herzen und Munde hasset, halte ich euch einen Spiegel vor, aus dem euch das neidverzerrte und haßverfärbte Antlitz des falschen Albion entgegengrinst.«
»Jetzt freilich möchte ich nur wünschen, daß den Russen Galizien all seine Gaben: Armut und Schmutz, verseuchte Brunnen und tolle Hunde, Hunger und Seuchen in verschwenderischem Maße zuteil werden läßt.«
»Von den Kerlen aber ist nichts zu sehen! Schauen in ihren Monturen aus, als wären sie aus demselben Lehm und Sand geformt, um den wir uns nun tagelang raufen. Sind feige Hunde, die Erdfarbenen!«
»Alles schwarz von Russen, grad so wie in einer vernachlässigten Küche! Man braucht nicht zu zielen: einfach losdrücken und schon liegt einer. Na, da knallten wir sie nieder, wie die Köchin raschen Fußes das Ungeziefer zertritt.«
»Sakra, dös war höllisch fein! Bald hab’i’s Vurtl heraußt g’habt. Eini das Messer ins Russenfleisch und gach umdraht!«
»Hei, da haben wir mit unseren Karabinern dreingehauen, als gälte es Klötze zu spalten. Hab’ auch viele Russenschädel zerschlagen. Hurra!«
»Es muß ein ganz eigenartiges Gefühl sein: Hier zu stehen, den Feind ’rankommen zu sehen und ihn niederknallen zu können, ohne daß er einem recht ankann.«
»... und jetzt darf ihnen (den Russen, die sich ergeben) niemand mehr etwas tun als: gefangennehmen. Und hätten doch so gern diese Gazember (magyarisches Schimpfwort) ein bißl massakriert ....«
»Jeden einzelnen von uns hat der Krieg aus dem Alltag gerissen, hat ihn umgeformt und sittlich wachsen lassen. Wir alle sind bessere Menschen, bessere Österreicher geworden!«
Zum versöhnlichen Ausgang aber sei noch angemerkt, daß jene Berliner Zeitung durch das Oberkommando in den Marken offenbar auch erfahren haben will, das Gedicht — das Gedicht!- sei »von einem mittlerweile gefallenen Kriegsteilnehmer zuerst in einer hannoverschen Zeitung veröffentlicht worden«. An dieser Mitteilung ist zwar die literarhistorische Genauigkeit rührend, aber keineswegs die Mitteilung, daß der Dichter inzwischen gefallen sei. Es kann auch unmöglich beabsichtigt sein, durch den Hinweis darauf, daß ein Mann seinen Untergang in der nämlichen Begebenheit gefunden habe, in die er mit einem »Gebet« um »mehr Feinde« und mit der Parole »Schießt alles nieder wie Hunde« eingegriffen hat, eine mildere Beurteilung dieses Standpunktes zu erwirken, um so weniger, als ja das Niederschießen von Hunden in Friedenszeiten auch nicht gerade gang und gäbe oder die Übung höher gesitteter Naturen war. Eher müßte man schon sagen, daß ein Kriegsteilnehmer, der als Dichter dazu beigetragen hat, daß »alles totgeschossen wird, was um Gnade fleht«, zwar durch sein persönliches Fortleben Aufsehen erregen würde, aber im andern Fall das Faktum nur folgerichtig und das Diktum nicht sympathischer erschiene. Wie dem nun immer sein mag, das Oberkommando in den Marken dürfte eine gute Absicht an unrichtiger Stelle betätigt haben. Denn es gibt eine Instanz, die es noch besser mit dem Dichter meint:
Hannover, den 19. 5. 16.
Soeben erfahre ich durch Zufall, daß in Ihrer Aprilnummer ein Gedicht meines Schwiegersohnes besprochen ist und möchte ich Sie höfl. bitten, ein Exemplar Ihrer Zeitschrift an genannten Herrn möglichst gleich abzusenden. Adresse ist: Leutnant F.L. Hoppe, X. Armeekorps, 20. Inf. Division, Inf. Reg. 79, 3. Bat., 11. Komp.
Hochachtend, im voraus bestens dankend
Frau G. Haase
Hannover, Geibelstr. 27
Das heiße ich einen versöhnlichen Ausgang! Belegexemplare für solche Rezensionen über solche Gedichte pflegen zwar nicht abgesandt zu werden. Aber wenn hinter Maschinengewehren als deus ex machina solch eine freundlich besorgte Frau am Schluß erscheint und das unnennbare Grauen dieses Weltabends zu einem deutschen Schwiegermutterscherz wendet, so sind wir’s auch zufrieden.
Vgl.: Die Fackel, Nr. 426-430, XVIII. Jahr
Wien, 15. Juni 1916.