September 1915
Zwei Stimmen
VATIKAN
Benedikts Gebet
»... Im heiligen Namen Gottes, unseres himmlischen Vaters und Herrn, um des gesegneten Blutes Jesu willen, welches der Preis der menschlichen Erlösung gewesen, beschwören wir Euch, die Ihr von der göttlichen Vorsehung zur Regierung der kriegführenden Nationen bestellt seid, diesem fürchterlichen Morden, das nunmehr seit einem Jahre Europa entehrt, endlich ein Ziel zu setzen. Es ist Bruderblut, das zu Lande und zur See vergossen wird. Die schönsten Gegenden Europas, dieses Gartens der Welt, sind mit Leichen und Ruinen besät .... Ihr tragt vor Gott und den Menschen die entsetzliche Verantwortung für Frieden und Krieg. Höret auf unsere Bitte, auf die väterliche Stimme des Vikars des ewigen und höchsten Richters, dem Ihr werdet Rechenschaft ablegen müssen sowohl für die öffentlichen Unternehmungen wie für Eure privaten Handlungen. Die Fülle der Reichtümer, mit denen Gott der Schöpfer die Euch unterstellten Länder ausgestattet hat, erlauben Euch gewiß die Fortsetzung des Kampfes. Aber um was für einen Preis? Darauf mögen die Tausende junger Menschenleben antworten, die alltäglich auf den Schlachtfeldern erlöschen ....«
REDAKTION
Benedikts Diktat
»... Und die Fische, Hummern und Seespinnen der Adria haben lange keine so guten Zeiten gehabt wie jetzt. In der südlichen Adria speisten sie fast die ganze Bemannung des ›Leon Gambetta‹. Die Bewohner der mittleren Adria fanden Lebensunterhalt an jenen Italienern, die wir von dem Fahrzeug ›Turbine‹ nicht mehr retten konnten, und in der nördlichen Adria wird den Meeresbewohnern der Tisch immer reichlicher gedeckt. Dem Unterseeboot ›Medusa‹ und den zwei Torpedobooten hat sich jetzt der Panzerkreuzer ›Amalfi‹ zugesellt. Die Musterkollektion der maritimen Ausbeute, die sich bisher auf das ›maritime Kleinzeug‹ erstreckte, hat einen gewichtigen Zuwachs erhalten, und bitterer denn je muß die Adria sein, deren Grund sich immer mehr und mehr mit den geborstenen Leibern italienischer Schiffe bedeckt, und über deren blaue Fluten der Verwesungshauch der gefallenen Befreier vom Karstplateau streicht ....«
Vgl.: Die Fackel, Nr. 406, XVII. Jahr
Wien, 5. Oktober 1915.