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Banause

Banause, ein Schlagwort bildungsstolzer Kreise für Gevatter Schneider und Handschuhmacher, d. he für den bezahlten Lohn- und Brotarbeiter, dessen Geschichte Arnold ZfdW. 5, 257 ff. in den Grundzügen klargestellt hat. Danach geht der dem Griechischen entstammende und dort weit verbreitete Ausdruck auch ins mittelalterliche und neue Latein über, während er dem Neuhochdeutschen bis zum 18. Jahrhundert so gut wie fremd bleibt. Erst gegen Ende dieses Jahrhunderts wird er aus der Schulgelehrsamkeit allmählich in die gesprochene Sprache übergeführt. So heißt es im Deutschen Merkur 1777, 2. Viertelj. S. 233: „Den Le Brün betreffend, so gesteh’ ich Ihnen reumütig, dass ich in dem Augenblick, da ich in einem etwas spöttischen Ton, wie nicht zu leugnen ist, von ihm sprach, nicht an die Gallerie von Luxemburg, sondern nur an seine große Spanische Perücke und seinen schamarierten Rock mit den Tressen auf allen Nähten dachte, im Gegensatz mit dem armen Teufel Le Süeur, der in einem schmutzigen halb-zerrißnen Camisol, wie ein bloßer banausos dasitzen und im Taglohn Nebenzimmerchen bemalen musste, und doch wenigstens ein ebenso großes Genie war als der große Le Brün.“ Wenn hier auch aus dem Zusammenhang die Bedeutung des Fremdwortes nicht zu verkennen ist, so zeigt eine Stelle in den vom Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg übersetzten „Auserlesenen Gesprächen des Platon“ 1, 311 (1796), dass es noch keineswegs dem gebildeten Publikum allgemein geläufig war: „Ein gemeiner Werkmeister. Das Wort Banausos bezeichnet eigentlich einen Menschen, der beim Feuer arbeitet, es werde nun hergeleitet von Baunos der Heerd, oder von auein anzünden. Überhaupt bedeutet es einen Menschen von sitzender und durch Fleiß erwerbender Lebensart. Solche wurden, als wenig fähig zu edlen Geistesbeschäftigungen und zu kühnen Taten, gering geschätzt. Eine gemeine Freundschaft wird irgendwo von Platon eine banausische Freundschaft (banausos philotês) genannt.“

Diese Stelle gab dann nach etwa einem Vierteljahrhundert Joh. Heinr. Voß in seinem stark polemischen Aufsatz „Wie ward Fritz Stolberg ein Unfreier“ (1819) willkommenen Anlaß, solchem Bildungsdünkel des Adeligen energisch zu entgegnen. Vgl. Sophronizon 1819, Heft 3, 32 f.: „Der Grieche nennt Banausos einen Handwerker von sitzender Lebensart. Warum lieh unser Graf dem verachtenden Wort einen so weiten Sinn, der auch den fleißigen Gelehrten, den selbsttätigen Geschäftsmann und den Amtsbesorger umfaßt? Mitunter gewiß, wann er dies Lieblingswort nachdrücklich mit Lächeln aussprach, war ich selbst, ohn’ es zu ahnen, der banausische Freund!“ Erst durch Voß und seine Anhänger, die gegen den anmaßlichen Ausdruck unermüdlich stichelten, wurde der „Banause“ wirklich gang und gäbe. Das bezeugt ausdrücklich Immermann an Glise v. Lützow 1. März 1824 (Ludmilla Assing, Gräfin Elise v. Ahlefeldt 1857, 216): „Mit meinem Bruder, der in ähnlicher beständiger Arbeit steckt, scherze ich oft über unsere Lage, und wir nennen uns gegenseitig die zwei Banausen. Sie erinnern sich des Worts, welches durch Vossens und Stolbergs Streit allgemein bekannt wurde und in der ursprünglichen Bedeutung einen Menschen anzeigt, der beim Feuer arbeitet, in der abgeleiteten aber jeden bezeichnet, der sich handwerksmäßig abmüht.“ Von den sonstigen Belegen Arnolds hebe ich heraus: Voß, Bestätigung der Stolbergischen Umtriebe (1820) S. 125 f.: „Dann mag die blinde gewaltsame Menge der unedlen Bürger aus dienstpflichtigem Geschlecht, in allerlei Innungen abgeschaart, als handarbeitende und kopfarbeitende Banausen bei ihrem kleinlichen und unschönen Gewerb’ in sicherer Ruhe leben, sittsam zugleich und genügsam.“ Hierzu die Anmerkung: „Banause heißt im Griechischen ein Handwerker, der mit einförmiger Sitzarbeit am Kamienlicht früh und spät um ärmlichen Lohn sich abmüht, an Geist und Leibe geschwächt. Bei Stolberg ist Banause „überhaupt ein Mensch von sitzender und durch Fleiß erwerbender Lebensart“. Also auch jeder Mensch, der ein eigenes Amt oder ein fremdes am Arbeitstische besorgt, wie z. B. Büsch, Möser, Kant, Ramler, Lessing, Gleim, Schiller, Claudius, vor allen Stolbergs banausischer Freund in Eutin.“

Außerdem notiere ich aus einem Briefe Kühnes an Varnh. 26. Sept. 1835 (Houben S. 65) einen Passus über „Gutzkows banausische Kulissenreißereien“ und Menzels Wendung vom „Kainszeichen der Banalität und spießbürgerlichen Unbehülflichkeit“ in f. Deutschen Lit. 4, 11 (1836). Neuere Zeugnisse sind reichlich und beweisen die Lebenskraft des Schlagwortes, das überdies auch im Englischen (allerdings erst recht spät) und Spanischen sich gebucht findet.