Breiteste demokratische Grundlagen
Breiteste demokratische Grundlagen für eine neue konstitutionelle Verfassung lautete eins der Lieblingsschlagworte des Jahres 1848, das aus verschiedenen Äußerungen des Königs Friedrich Wilhelms IV. geschliffen wurde. Nach Büchmann S. 628 f. beschied er am 22. März 1848 eine Breslauer und Liegnitzer Deputation u. a. mit der Versicherung: Nachdem ich eine konstitutionelle Verfassung aus den breitesten Grundlagen verheißen habe“. Gombert zeigt freilich ZfdW. 3, 167 ff., dass in den Berichten über den Erfolg der Berliner Abordnung, aus welche sich der König hier bezieht, noch am 18. März selbst und weiter immer die freisinnigsten oder freisinnigen Grundlagen eine Rolle spielen, und meint, dass diese Variante einem Hörfehler der städtischen Deputierten zuzuschreiben sei, da der ältere Sprachgebrauch auch für diese Audienz bereits den obigen Wortlaut wahrscheinlich mache. Diese Annahme ist kaum nötig. Begrifflich decken sich ja beide Erklärungen nahezu.
Diese Besprechungen wurden geschäftig zum bündigen Programmwort umgeprägt. Schon am 1. April d. J. benutzt sie Friedr. v. Tippelskirch in einer Anspielung im Volksbl. 1848, 420 auf „den nach der Absicht des Königs und wie wir hören anderer deutscher Stämme und Fürsten aus der breiten Basis des vereinigten Deutschlands zu gründenden konstitutionellen Thron“. Siehe ferner die von Gombert angeführte Stelle aus Mundts Katechismus der Politik (1848) S. 53: „Preußen begann die konstitutionelle Umbildung sogleich mit einem Wahlgesetz auf den freisinnigsten und unbedingtesten Grundlagen, indem es Wahlrecht und Wählbarkeit als ein unbedingtes politisches Ehren- und Mündigkeitsrecht jedes Staatsangehörigen anerkannte und darin die demokratische Basis seiner neuen Verfassung in einem so weiten Umfang nahm, wie es das konstitutionelle Staatsrecht bisher noch nicht gekannt hatte.“
Rasch genug rührte sich aber auch die Opposition gegen diese nicht unbedenkliche Parole. Noch am 30. April 1848 erfolgte die von Meyer S. 57 erwähnte böse Parodie Freiligraths. Am 27. Mai wendet sich das Volksbl. S. 628 gegen die sog. monarchische Partei mit den Worten: „„Die Monarchie aus den breitesten demokratischen Grundlagen“, dieses heutzutage so beliebte Stichwort ist ihr politisches Glaubensbekenntnis. Mit anderen Worten: sie wollen das Königtum ohne die unerläßlichen Bedingungen, an welche dasselbe geknüpft ist … Ein König, der nicht die pyramidalische Spitze einer ständisch gegliederten Gesellschaft ist, der ist rein in die Luft gestellt und hat keine feste Grundlage. Wir haben nichts gegen die sogenannte demokratische Grundtage einzuwenden: aber wir glauben nicht, dass die Krone unmittelbar aus ihr ruhen kann, wenn sie überhaupt sichtbar über das Ganze sich erheben und nicht in Staub und Kot zu liegen kommen soll.“
Vgl. ebenda S. 745 „Die breiten demokratischen Grundlagen, die jetzt zur Redephrase geworden sind“. S. 746: „Ein breiter demokratischer Fuß, der sich nach obenhin immer mehr aristokratisch zuspitzt und zuletzt in der Krone endigt, dass ist eine Form, die sich sowohl ästhetisch als politisch bewährt hat.“ Ferner S. 819 und 1567 usw.