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13) Schwitzen

Die schlimmsten Fälle von chronischer Syphilis, Flechten und Gicht habe ich hier in Rostock, so wie im Auslande, nach Wasserkuren, auf die oben angegebene Prießnitz’sche Methode zwei, sechs, ja neun Monate und länger in Anwendung gebracht, gründlich heilen gesehen. Es war dazu nur einmaliges Schwitzen, anfangs nur eine halbe, dann eine, später zwei bis drei Stunden lang, und zwar früh Morgens, neben dem täglichen Genuss von drei bis zehn Maß Wasser, vieler Körperbewegung und einfacher Diät, notwendig. „Es gibt Krankheiten“ — sagt Mund (a. a. O. S. 33) sehr wahr — „bei denen der Arzt selbst überzeugt ist, dass seine Mittel keine gründliche Heilung erzielen können; er hat eine dunkle Ahnung, dass das Wasser nützen könne; allein er fürchtet, gegen die Vorurteile seines Patienten anzustoßen, seinen Ruf zu schmälern, seine Kundschaft zu verringern, und er schweigt und gibt seine Medizin, obgleich er voraussieht, dass sie, ohne in dem Falle zu nützen, Nachteile nach sich lassen müsse. Eine von diesen Krankheiten ist die Gicht. Welcher Gichtkranke hat nicht von seinem Arzte eine Masse von spanischen Fliegen, Abführmitteln, Brechmitteln und andere auf die Verrichtungen der Unterleibsorgane verderblich wirkende Dinge empfangen, ohne dass je die mindeste Besserung erfolgte? Und wenn ja sein Übel nachließ, so geschah es gewiss mehr in Folge der im Bett vermehrten Transpiration, als von jenen Mitteln, welche wohl hier und da eine kurze Erleichterung verschaffen, aber den Kranken nicht von der Gicht heilen konnten.“

„Die Ärzte selbst gestehen zu, dass sie die Gicht nicht heilen können; und die verständigen unter ihnen füllen schon jetzt den ohnehin mit Krankheitsstoffen reichlich versehenen Körper ihrer armen Gichtbrüchigen nicht mehr mit heroischen Mitteln an, welche durch die Schwächung der Verdauungskraft die Erzeugung der Materia peccans nur vermehren, sondern empfehlen ihnen einfache Diät, Bäder, Wassertrinken, und wohl gar eine vollständige Wasserkur, welche ihnen unter allen Umständen mehr nützt, als ein medizinisches Verfahren.“

„Dieses teilweise Hinneigen der Ärzte zu unserer Methode verspricht uns schon jetzt eine bessere Zukunft und erlaubt die Hoffnung, dass einst dieser achtbare Stand sich bald wieder Vertrauen erwerben und vielleicht einmal, mit Beiseitesetzung jener schädlichen Gifte, mit einfachen und unschädlichen Mitteln und namentlich dem herrlichen, uns von Prießnitz gelehrten Heilverfahren der leidenden Menschheit unendlich viel nützen wird.“

„Übrigens müssen wir“ — sagt Mund — „gerecht sein und zugeben, dass der Arzt oft auf Hindernisse stößt, welche die Anwendung einer eigentlichen Wasserkur erschweren. Entweder fehlt es an Raum oder gutem Wasser, oder bei Armen an Decken zum Schwitzen, bei den Meisten aber an Zeit, und dann ist es auch dem Arzt nicht zur Last zu legen, wenn er im passenden Falle das Wasser nicht gebraucht; allein vorschlagen könnte er es doch und durch das Vertrauen, was er zur Kur zeigte, die Vorurteile seiner Patienten am besten besiegen, die dann schon sich Mühe geben würden, alle anderen Hindernisse aus dem Wege zu räumen, um sich Gesundheit und Frohsinn im kalten Wasser zu erbaden und zu ertrinken.“