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15) Warmes und heißes Wasser

Aber nicht allein das kalte, auch das warme und das heiße Wasser (Aqua tepida et calida) sind wichtige, sehr wirksame und geschätzte Volks- und Hausmittel, welche ihre vorzüglich wirksamen Eigenschaften in Form der Bäder, Bähungen, Umschläge, Fomentationen etc. nicht allein der Feuchtigkeit, sondern auch der Wärme und Hitze verdanken. Wir bemerken hierüber in der Kürze Folgendes:

a) Das warme, nicht über 27° R. Wärme haltende Wasser ist in Form von Fußbädern, halben und ganzen Bädern ein ganz vorzügliches Mittel zur Reinigung des Körpers und zur Heilung vieler Krankheiten (s. Bäder).

b) Das heiße Wasser in Dampfform ist gegen Engbrüstigkeit, Stockschnupfen und Ohrenschmerz, gegen rheumatische und nervöse Übel ein ganz vorzügliches Mittel. Man appliziert es örtlich mittels eines Apparats, eines auf das Gefäß gesetzten Trichters etc, so warm, als man es ertragen kann (durch Annähern oder Entfernen) an den leidenden Teil, oder man atmet den heißen Wasserdunst ein (Ramadge’s Hauptmittel gegen die Lungenschwindsucht, s. oben Andorn, weißer), oder wendet ihn als russisches Dampfbad auf den ganzen Körper im dazu geeigneten Badezimmer an (s. Bäder).

c) Ein im kochenden Wasser heiß gemachtes Messer oder sonstiges Stück Metall Ist ein herrliches ableitendes, die Haut rötendes Mittel gegen innere Schmerzen: Koliken, Magenkrampf, Krämpfe aller Art, Cholera etc., gegen heftige rheumatische Schmerzen u. s. w. (s. Brennzylinder).

d) Viele Landleute stecken ihren am Fingerwurm leidenden Finger zu Anfange des Übels täglich vier bis sechs Mal eine Minute lang in heißes Wasser, und die Entzündung zerteilt sich in der Regel, so dass keine Eiterung erfolgt. Auch gegen nicht aufgebrochene Frostbeulen ist dieses Verfahren von gutem Erfolg.

e) Gegen eingewurzelte Gicht empfahl vor Jahren der Arzt Cadet de Vaux warmes Wasser in großen Quantitäten zu trinken, worauf starker Schweiß und bedeutende Harnabsonderung erfolgt. Dieses Mittel kann aber, wie ich Fälle der Art kennen gelernt, sehr gefährlich, ja tödlich werden. Hier ist auf jeden Fall die Prießnitz’sche Kaltwassertrink- und Schwitzkur vorzuziehen.

Der Dr. E. Th. Gritzner hat über die modernen Wasserkuren eine lesenswerte Dissertation (Leipz. 1841) geschrieben und den Nutzen und Schaden derselben für einzelne Krankheitsfälle näher besprochen. Um aber sich zu überzeugen, was der anhaltende innere und äußere Gebrauch des Wassers für einen Einfluss auf Gesunde habe, machte Gritzner an sich selbst einen Versuch, wobei man den Mut and die Ausdauer bewundern muss, welche er dabei bewies.

Unter Beobachtung einer sehr einfachen Diät und Lebensweise fing er bei völliger Gesundheit am 1. Juni 183S die Wasserkur in der Art an, dass er in den ersten Tagen Morgens ungefähr zwölf Unzen Wasser trank, wovon er außer etwas Kältegefühl im Magen nichts weiter bemerkte. Allmählich wurde nun die Menge des Wassers so vermehrt, dass er täglich sechs bis acht Pfand zu sich nahm, und dabei noch täglich Bäder gebrauchte, die so eingerichtet waren, dass sie als Wellenbad, Tropfbad und Embrokation zugleich dienten. Nach vier Wochen lang fortgesetztem Gebrauche fühlte er, zumal Morgens und Abends, nach dem kalten Trunk ein Schaudern, das von der Magengegend anfangend, sich über den Rücken und dann über den ganzen Körper verbreitete. Dazu kam ranziges, bitteres Aufstoßen und ein größtenteils kleiner, schneller, harter Puls, doch blieb Gr. die ganze Zeit hindurch heiter und ungetrübt. Diese Symptome dauerten fort, bis nach weiteren 14 Tagen sich jeden Morgen, von neun oder zehn Uhr an bis Nachmittags sechs Uhr, reichliche Schweiße einstellten, wobei sich der Verfasser zwar angegriffen fühlte, aber dieses Gefühl nicht Müdigkeit genannt wissen will. Der Puls wurde unregelmäßig und veränderlich, und im Bad bekam er öfter Magendrücken (Cardiogmus), woran er früher nie litt. Dazu kam ein häufiger schleimiger Auswurf und dünne Stuhlgänge. Im Verlaufe des Monats Juli, wo die reichlichen Schweiße und Urinabgang mit den Diarrhöen fortdauerten, fing der Körper an abzumagern, was den August hindurch zunahm. Es stellten sich nun Kolikschmerzen ein, eine wässerige Diarrhöe, bisweilen mit Stuhlzwang; häufig ranziges, bitteres Aufstoßen; die Zunge wurde mit einem gelben Schleime überzogen, der Appetit war unterdrückt, es stellte sich Brechlust ein und der sehr reichlich abgehende Urin war so mit schleimigen Stoffen gesättigt, dass er schnell in Fäulnis überging und übel roch. Die geringste Muskelbewegung veranlasste reichliche, wässerige Schweiße. Dazu kam ein fieberhafter Zustand, welcher Abends exazerbierte, besonders aber ein Gefühl von lästiger Wärme in der Nasen- und Augengegend, Funkensehen, unruhiger Schlaf mit schreckhaften Träumen u. s. w. Blieb Gritzner länger als fünf bis zehn Minuten im Bade, so erfolgte Schaudern, Hände und Gesicht wurden blau, in den Fingern stellte sich ein Gefühl von Taubheit ein, das Atmen wurde ängstlich u. s. w. Vom Ende August an bis zur Mitte des Septembers litt er an ziehenden Schmerzen in der Nieren- und der Magengegend, mit einem Gefühl von brennender Wärme und Stuhl Verstopfung. Obgleich Gr. nun so viel Wasser trank, dass es selbst wieder ausgebrochen wurde, so blieb doch der Stuhlgang unregelmäßig, und zwar so, dass Verstopfung und wässerige Diarrhöe mit einander wechselten. Da aber gegen Ende des Septembers sich Husten einstellte, mit Blut gefärbter Schleim ausgeworfen wurde, das Fieberchen sich verschlimmerte, Schlaflosigkeit, dumpfer, drückender Kopfschmerz, Funken Vor den Augen, Ohrensausen, Respirationsbeschwerden u. s. w. hinzukamen, so fand Gr. für gut, die Kur allmählich abzubrechen, so dass er in der Mitte des Oktobers nur noch kalte Waschungen vornahm und die Menge des zu trinkenden Wassers auf das Normalmass reduzierte; dessen ungeachtet dauerten die Nachwehen dieses Versuches noch länger fort. Im Sommer 1839 setzte er die Versuche wieder fort, doch so, dass dabei das nötige Maß nicht überschritten wurde, wobei er sich ganz wohl befand. Im Juni 1840 wollte er auch den Effekt kennen lernen, welchen die Einwickelungen in wollene Tücher mit darauf folgendem kaltem Bad nach der Priessnitz’schen Methode haben möchten; allein das dreimal wiederholte Experiment bekam ihm so außerordentlich schlecht, dass er davon ganz abzustehen sich genötigt sah. — Es erhellet aus diesen Versuchen, dass die methodische innere und äußere Anwendung des kalten Wassers in Fällen, wo sie nicht passt, durchaus nicht so unschuldig und unschädlich ist, als Manche glauben, da sich Gesunde durch dieselbe krank machen können, und dass es Tadel verdient, wenn die Gesundheitspolizei Nichtärzten, die einer oder der anderen Kaltwasserheilanstalt vorstehen, erlaubt, Kranke aller Art nach Belieben mit Wasser und Schwitzen, ohne Rat und Aufsicht eines Arztes zu behandeln. Wenigstens sollten die Stadt- und Kreisphysici stets Oberaufseher solcher Anstalten sein, und zwar um so mehr, da in jüngster Zeit an einigen Wasserheilanstalten Fälle vorgekommen, wo eine unmäßige, zu anhaltend angewandte oder gar unpassende Wasserkur das Gehirn erweicht, die Kranken wahnsinnig gemacht und ins Irrenhaus geführt hat! —