Spanische Fliegen
Spanische Fliegen, Cantharides (Meloe vesicatorius L.). Sowohl das Pulver, als auch die von diesem Insekt bereitete Tinktur sind ein heftiges Gift, das innerlich, schon zu ein bis zwei Gran oder 20—25 Tropfen genommen, sehr schlimme Zufälle: Schmerzhaftes Harnen, Blutharnen, Entzündung der Nieren, der Blase, der Genitalien, heftige Leibschmerzen u. s. w. erregt. Hilfsmittel: zuerst viel süße Milch, kaltes Wasser, schleimige Dinge, aber kein Öl! später innerlich Kampfer in Emulsion. Ähnlich, aber schwächer, als die spanischen Fliegen, wirken Coccionella septem punctata. In der Levante gebraucht man statt der spanischen Fliegen Mylabris fasciata, in China M. postulata (s. Osiander l. c. p. 20). Die äußerliche Anwendung der spanischen Fliegen als Zugpflaster gegen rheumatische und nervöse Kopf- und Gesichtsschmerzen, Gliederrheumatismen u. s. w. ist unter dem Volk sehr beliebt, wird aber häufig missbraucht und in Fällen angewandt, wo man mit weniger Schmerzen erregenden Mitteln ausreichen könnte. Hier mögen daher folgende Bemerkungen nicht überflüssig sein:
1) Kinder und zarte Frauenzimmer vertragen selten solche Blasenpflaster. Der örtliche Reiz, der brennende Schmerz, selbst einige in die Blutmasse eingesogene und auf die Genitalien nun stimulierend wirkende Partikeln des giftigen Insekts können allgemeine Fieberbewegungen zur Folge haben. Kindern gegen den Keuchhusten im zweiten Stadium Blasenpflaster zu legen, ist bedenklich, im ersten Stadium, wo Fieber zugegen ist, stets verwerflich und nachteilig.
2) Personen mit Mastdarm- und Blasenhämorrhoiden, mit Blutflüssen aus dem After, aus den Genitalien dürfen wir keine Blasenpflaster legen.
3) Um die Resorption des Giftes ins Blut und die dann eintretenden Harnbeschwerden und schlimmen entzündlichen, schnell in Brand übergehenden Zufälle zu verhüten, lasse man
a) das Blasenpflaster nur zwei bis sechs Stunden liegen, wo in der Regel schon die Haut stark gerötet ist, lege dann einen warmen Umschlag von Leinsamenmehl auf, und die Blasenbildung wird bald erfolgen. —
b) Man achte darauf, dass beim Abnehmen des Pflasters keine einzelne Stücke desselben auf der Applikationsstelle sitzen bleiben. Zu diesem Zwecke lege man erst feinen Flohr auf die Hautstelle und darüber die spanische Fliege. —
c) Man sorge dafür, dass bei Öffnung der Blasen oder beim Abnehmen des Verbandes die Oberhaut nicht mit entfernt werde. Dies macht nicht allein unnötigen Schmerz, sondern vergrößert auch die Resorption des Giftes. Es ist, seltene Fälle, wo man bei reizlosen Subjekten Lähmungen tüchtig irritieren will, ausgenommen, ein schlechtes Verfahren alter Wundärzte, so recht lege artis mittelst Pinzette und Schere den Kranken zu schinden und durch Entfernung der Oberhaut ihm ohne Not große Schmerzen zu machen.
4) Bei akuten, sehr schmerzhaften Rheumatismen einzelner Körperteile mit und ohne Fieber, zu Anfang aller inneren Entzündungen der Brust, bei Pleuresien, Pneumonien u. s. w., des Unterleibes, schaden sich durch frühe Anwendung der Blasenpflaster unnötig viele Menschen. Sie passen hier durchaus nicht, vermehren gegenteils durch ihren Reiz die fieberhaften Zufälle, oder führen sie, wenn sie noch nicht da sind, zum mindesten herbei, und quälen durch den Hautschmerz. Hier ist, namentlich beim hitzigen Rheumatismus, die methodische Schwitz- und Trinkkur, wie sie auf Gräfenberg zuerst durch Prießnitz eingeführt worden, allen anderen Mitteln vorzuziehen. Man wickelt den Kranken in ein mit kaltem Wasser angefeuchtetes und mäßig ausgerungenes leinenes Bettlaken so, dass nur allein der Kopf frei bleibt, darüber in eine wollene Decke; legt so verhüllt den Kranken in ein Bett von Matratze und Federunterbett, deckt ihn mit einem Federoberbett zu, und lässt ihn so 10—20 Minuten im Zimmer, bei geschlossenen Fenstern und Türen, in Wärme und Schweiß geraten. Kurz vorher gehen oft größere Schmerzen und stärkeres Fieber. Nun wird der Kranke herausgenommen, in einer gegen sechs Zoll hoch mit + 16° R. haltendem Wasser angefüllten Badewanne bis zur Abkühlung des Körpers reichlich übergossen und unmittelbar darauf in das frisch angefeuchtete Bettlaken und die wollene Decke eingewickelt. Die Übergießung darf höchstens eine bis zwei Minuten oder so lange dauern, bis Frostschauder eintritt. Wird der Kranke nach einer halben bis einer Stunde wieder recht heiß und angst, so folgt die Übergießung und darauf die Einwicklung aufs Neue. Oft aber tritt schon früher bedeutender Schweiß und Schlaf ein. Nun trinkt der Kranke alle halbe Stunden ein Glas frisches Wasser und, die Fenster werden geöffnet, damit er frische, kühle Luft atmen kann. Gegen Kopfschmerz dienen alle vier Minuten kalte Umschläge. Nun wird der Kranke mit 14° + R. kaltem Wasser übergossen, stark getrocknet, mit einem reinen Hemde versehen und in ein gewöhnliches Bett gelegt. Auf alle geschwollenen Gelenke werden mit kaltem Wasser befeuchtete und halb ausgerungene Tücher appliziert, und alle zwei Stunden erneuert. Noch einmal des Tages wird die beschriebene Prozedur des Schwitzens und Badens repetiert. Bei starkem Fieber, zumal des Abends, werden die nassen Einwicklungen öfters wiederholt. In der Regel ist indessen am folgenden Tage das einmalige Einpacken hinreichend; es erfolgt bald Schweiß. Frisches, recht kaltes Wasser, täglich zu 18 Gläsern, ist dabei das einzige Getränk, Reis, Gries, oder Wassersuppe mit Weißbrot, lauwarm genossen, frisches und gekochtes Obst, Pflaumen mit Brühe, wenn Appetit da ist, die einzige Art der Nahrung. Am dritten, vierten Tage ist das Fieber meist verschwunden. Ist noch Gelenkanschwellung da, so schwitzt der Kranke nur noch in trockner wollener Decke, bekommt nur an die schmerzhaften Teile Umwicklungen nasser Tücher, und wird dann ein bis zwei Minuten kalt begossen. (S. Piutti in der Berliner Med. Vereinszeitung 1842, auch den Artikel: Wasser.)