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Busstag

Gestern ist Bußtag gewesen. Die Polizei hat noch einmal eine Verwarnung ins Land geschickt, die Kabaretts, die Lustspieltheater, die Tanzbühnen – sie durften in Anbetracht der Weihe des Tages nicht spielen. Nun ist das ja weiter kein Unglück, aber die Begründung ist unsinnig.

Berlin büßt nicht. Mit Ausnahme der geringen Zahl von Kirchenbesuchern, deren einer Teil wirklich gläubig ist und deren anderer nicht alle wird, kümmert sich kein Mensch um die rote Zahl im Kalender, sondern betrachtet den Tag, soweit er ins Geschäftsleben eingreift, als Gratissonntag. Ein innerliches Verhältnis zu diesem Tage hat er nicht. Er kann es nicht haben, weil er längst zur Kirche keines mehr hat und weil er sich höchstens bei Taufen, Hochzeiten und Todesfällen etwas Ähnliches vormacht. Berlin büßt nicht.

Die Revolution, die keine war, hat mit dem ungerechtfertigten Anspruch der Kirche, störend in das Leben einzugreifen, nicht aufgeräumt. Schade. Man wird den Konsistorialräten über kurz oder lang klarmachen müssen, dass die Zeit vorbei ist, wo ein kirchlicher Feiertag in der großen Stadt wirklich etwas bedeutete. Daß auch nur ein einziger Mensch etwa deshalb frommer würde, weil sich Celly de Rheidt an diesem Abend nicht die Hosen auszieht, ist nicht anzunehmen.

Tut keine Buße! Sondern spuckt der Polizeikirche in die Bouillon, wo, wann und wie oft immer ihr könnt! Amen.

Ignaz Wrobel
Freiheit, 18.11.1920, Nr. 487, S. 3.