Pressestellen
Was ein richtiger Kolonialwarenhändler ist, so hat derselbe heute seine eigene Pressestelle. Wie viele solcher Dinger wir in Deutschland haben, entzieht sich zum Glück der Statistik, aber auf jeden zweiten Mann wird wohl eine kommen. Woher kommt sie? Und was tun sie alle?
Als der Ludendorffsche Laden im Jahre 1914 fühlte, dass es ohne einen gelegentlichen Saisonausverkauf nicht abgehen würde, schuf er sich das Kriegspresseamt, einen Ausschank, der ausdrücklich dazu da war, in die Presse diejenigen lügenhaften Nachrichten einzuschmuggeln, die nötig waren, um dem Volke das gewisse Quantum Kriegsbesoffenheit einzutrichtern. Es gelang. Das Kriegspresseamt machte Schule, und jedesmal, wenn ein preußisches Ressort Magenbeschwerden bekam, gliederte es sich eine Presseabteilung an, die den Zeitungen mitzuteilen hatte, dass das Befinden des Patienten ausgezeichnet sei.
Diese Pressestellen haben sich nach dem Kriege karnickelhaft vermehrt, und eine Armee von kriegsund lebensuntauglichen Schreibern, von Brillenmenschen, von Registratoren, Schmöcken und Bureaubeamten ergoß sich stellenlos über Deutschland, hatte keine Arbeit und machte sich welche.
Das Wesen der Presse wird durch diese korrumpierenden Pressestellen völlig umgekrempelt. Der Reporter und der Journalist, die von Berufs wegen die Augen aufzumachen hätten, um das Leben so abzuschildern wie es ist, und dazu ihre Bemerkungen zu machen, telefonieren heute die zuständige Pressestelle an und bekommen von ihr – also von interessierter Seite – fix und fertig einen Salat vorgesetzt, der den Leser so unterrichtet, wie es die Macht, die hinter der Pressestelle steht, haben will. Also falsch unterrichtet.
Wenn man unsere allzu vielen Organisationen jedweden Gebiets betrachtet, so muß man glauben, dass das gesamte Leben nur noch der Zeitung wegen da ist. Jedes Theater, jedes Amt und jedes Bataillon uniformierter Nichtstuer hat eine Pressestelle. Die Pressestelle wird entweder von einem Journalisten oder einem ansonsten arbeitslosen Offizier kommandiert. Sie besteht aus je zwei Schreibmaschinen, acht Tippfräuleins, zwei Journalisten, einem Registrator – und sie gründet sich auf die Angst vor der Presse. Die Pressestelle hat zweierlei Aufgaben: einmal macht sie den Zeitungen und damit der zu täuschenden Öffentlichkeit die Notwendigkeit der Dienststelle klar, der sie angegliedert ist. Sie wird also dauernd von der emsigen Arbeit der Dienststelle, von ihrem Bienenfleiß und ihrer großen kulturellen Bedeutung im öffentlichen deutschen Leben zu schreiben haben. Die Pressestelle hat zweitens die Aufgabe, etwaige Fehlgriffe der Dienststelle – also ungefähr die Hälfte ihrer Tätigkeit – vor der Öffentlichkeit zu beschönigen, zu bemänteln oder abzuleugnen. Beides tut die Pressestelle. Beides druckt die Zeitung. Der Landsknecht verachtete früher den Schreiber als etwas Minderwertiges. Heute kann er ohne ihn gar nicht bestehen. Das erste, was die Mörderliga des späteren Hochverräters Lüttwitz im Hotel Eden tat, war, dass sie eine Pressestelle errichtete, die ja dann auch prompt funktionierte. Sie war es, die den Mord an Liebknecht und Rosa Luxemburg der Öffentlichkeit zunächst als einen kleinen Betriebsunfall darstellte. Die Pressestellen der deutschen Militärorganisationen verfolgen ja sonst in erster Reihe den Zweck, für die Vergrößerung ihrer Dienststellen anläßlich des Etats Stimmung zu ma-chen. Sie gaben die üblichen lächerlich aufgeplusterten Tätigkeitsberichte, die jeder vom Kommiß her kennt, sie malen in den dicksten Farben die Gefahren an die Wand, die ohne die Existenz ihrer Dienststellen heraufziehen würden (Antibolschewismus) – sie bestätigen vor allem die Zahl der etatsmäßigen und damit pensionsberechtigten Stellen.
Der Machtkreis der wirtschaftlichen Pressestellen ist nicht kleiner. Sie haben in erster Linie die Aufgabe, das Publikum über den Stand des Marktes zugunsten der Produzenten zu täuschen und die Ursache der wirtschaftlichen Notlage auf die andern abzuwälzen. Es entstehen dann manchmal die bekannten Kleinkriege der Produzenten, aus denen der unbefangene Betrachter häufig das Bild gewinnt, dass am Ende der Konsument an der Teuerung schuld sei. Die wirtschaftliche Pressestelle arbeitet entweder für die ganz großen Verbände oder – und dann ist ihr Wirken deutlicher erkennbar – für kleinere Organisationen.
Die Pressestellen sind deshalb so unendlich gefährlich, weil ihre Auslassungen die Quelle natürlich nicht erkennen lassen. Die völlig einseitigen Darlegungen der Interessenten werden ja gerade zu dem Zweck in die Presse lanciert, damit es den Anschein hat, als hätten sie eben »in der Zeitung gestanden«, wie tausend andere Dinge so »in der Zeitung« stehen. Und weil ja für die meisten Menschen die Zeitung außer den Filmtiteln das einzige ist, was sie lesen, so kann man die Wirkung dieser verlogenen und zurechtgemachten Nachrichten gar nicht genug überschätzen.
Der Interessent hat ganz recht. Er wehrt sich eben seiner Haut, will Offizier bleiben oder Kohlen teuer verkaufen und benutzt dazu jedes Mittel – auch die Presse. Aber die anständige Presse sollte es sich nicht länger gefallen lassen.
Hier wächst eine Gefahr herauf, die so groß ist, dass sie das Wesen der unabhängigen Berichterstattung überhaupt zunichte machen kann. Ich halte es für eine Ehrenpflicht der deutschen Journalistenwelt, darauf zu dringen, dass Auslassungen von Pressestellen als solche gekennzeichnet werden. Es ist gar nichts dagegen einzuwenden, wenn eine Zeitung eine Mitteilung aus dem Reichswehrministerium bringt, aber dann möge sie dazusetzen, dass diese Mitteilung von Interessenten stammt. Tut sie es nicht, so haben wir ja aus dem Fall der Pinkerton-Gesellschaft gesehen, was dabei herauskommt, wenn skrupellose Schmierer im Solde irgendwelcher Stellen die Presse mit Lügennachrichten überschwemmen. Für viel zu viele ist die Zeitung immer noch der Hort objektiver Nachrichten. Sie ists heute weniger denn je. Was aber nicht, wie bei der Parteizeitung, aus der Überzeugung herausfließt, muß mit der Herkunftsbezeichnung abgestempelt sein.
Dann verlieren sich die Pressestellen ganz von selbst, denn ihr ganzes Interesse und ihre ganze Kunst geht dahin: zu täuschen. Sie wollen ja gerade, dass ihre Auslassungen nicht gekennzeichnet werden, damit man nicht weiß, dass sie der öffentlichen Meinung von interessierter Seite eingeflüstert sind.
Die deutsche Presse, die auf Sauberkeit hält, sollte sich die Pressestellen abschminken.
Ignaz Wrobel
Freiheit, 08.08.1920.