Denkmal

Denkmal. (Zeichnende Künste) Ein an öffentlichen Plätzen stehendes Werk der Kunst, das als ein Zeichen das Andenken merkwürdiger Personen oder Sachen, beständig unterhalten und auf die Nachwelt fortpflanzen soll. Jedes Denkmal soll das Auge derer, die es sehen, auf sich ziehen und in den Gemütern empfindungsvolle Vorstellungen von den Personen oder Sachen, zu deren Andenken es gesetzt ist, erwecken. Zu dieser Gattung gehören also die Grabmäler, die Statuen verdienstvoller Personen, Trophäen, Triumphbogen, Ehrenpforten und solche Werke der Baukunst, auf denen die zeichnenden Künste mit der Nachwelt sprechen. Da der vornehmste Zweck der schönen Künste, in einer lebhaften und auf Erweckung tugendhafter Empfindung abzielenden Rührung der Gemüter besteht, so gehören die Denkmäler unter die wichtigsten Werke und verdienen daher in eine ernsthafte Betrachtung gezogen zu werden.

 Seit dem die Schrift erfunden worden ist, scheint eine, an öffentlichen Plätzen gesetzte schriftliche Nachricht, das leichteste Mittel den Endzweck der Denkmäler zu erreichen und daher haben auch die einfachsten der Denkmäler ihren Ursprung, Pyramiden, Säulen oder bloße Mauern, auf welchen eine Schrift in Stein gehauen oder in Erz gegossen, zu lesen ist. Es scheint überaus natürlich, dass unter einem Volke, das öffentliche Tugend und Verdienst zu schätzen weiß, dergleichen Denkmäler häufig sollten anzutreffen sein. Man stelle sich eine Stadt vor, deren öffentliche Plätze, deren Spaziergänge in den nächsten Gegenden um die Stadt herum, mit solchen Denkmälern besetzt wären, auf denen das Andenken jedes verdienstvollen Bürgers des Staats, für die Nachwelt auf behalten würde; so wird man leicht begreifen, was für großen Nutzen solche Denkmäler haben könnten. Man muss sich in der Tat wundern, dass ein so sehr einfaches Mittel die Menschen auf die nachdrücklichste Weise durch die Beispiele ihrer Vorfahren zu jedem Verdienst aufzumuntern, fast gar nicht gebraucht wird. Diese Nachlässigkeit beweist unwidersprechlich, wie wenig man es darauf anlegt, die Menschen zum Verdienst und zur bürgerlichen Tugend aufzumuntern. Man begnügt sich an den Begräbnisstellen, wo niemand gerne hingeht, das Andenken der Verstorbenen durch elende Denkmäler zu erhalten und auf öffentlichen Plätzen, die jedermann mit Vergnügen besucht, und wo man mit leichter Mühe täglich den besten Teil der Bürger versammeln könnte, sieht man nichts, das irgend einen auf rechtschaffene Gesinnungen abzielenden Gedanken erwecken konnte.

In Athen war einer der öffentlichen Spatziergänge, eine bedeckte Säulenlaube1, in welcher die Taten der verdientesten Bürger abgemalt waren. Was wäre leichter als alle Spatziergänge durch Denkmäler, nicht bloß zu verschönern, sondern zu Schulen der Tugend und der großen patriotischen Gesinnungen zu machen?

 Inzwischen soll der wenige Gebrauch, den man von öffentlichen Denkmälern macht, uns nicht abhalten, ihre Arten, nebst dem, was zu dem guten Geschmack derselben gehört, in reifliche Erwägung zu ziehen.

 Man hat bei jedem Denkmal auf zwei Dinge zu sehen, auf den Körper desselben, der eine freistehende Maße ist, die durch eine gute Form einer eigenen Art das Auge auf sich zieht; und denn auf den Geist oder die Seele desselben, wodurch eigentlich der Haupteindruck, auf den das Denkmal abzielt, soll gemacht werden. Die Erfindung des Körpers zu einem Denkmal hat keine Schwierigkeit. Eine Pyramide, ein Pfeiler, eine Säule, eine mit Fuß und Gesims versehene Mauer, entweder ganz einfach oder mit Pfeilern und Säulen ausgeziert, ist dazu schon hinlänglich. Nur gehört die gesunde Beurteilung des schicklichen und wohlanständigen dazu, dass die Größe und Pracht des Werks, genau nach der Wichtigkeit der Sache abgewogen werden, damit man nicht in das Unschickliche verfalle, durch ein Werk, das das große Ansehen eines Triumphbogens hat, das Andenken einer Privattugend oder durch das bescheidene Ansehen, einer ganz schlechten Wand, eine glänzende, den ganzen Staat in die Höhe schwingende Begebenheit, auf die Nachwelt zu bringen. Sowohl die Größe als der Charakter des Baues muss der Sache, derenthalben er gemacht wird, auf das richtigste angemessen sein: und dadurch muss sich der Erfinder als einen Mann von Geschmack und von richtigem Urteil zeigen.

  Also stehen dem Künstler unzählige Formen und Gestalten der Denkmäler, vom schlechtesten Grabstein, bis auf den majestätischen Triumphbogen und von der bloßen Säule bis auf den prächtigsten Porticus, zu Diensten, damit er für jede Sache, das schicklichste wähle. Nach der guten Wahl der Form, kommt auch sehr viel auf eine schickliche Verzierung an.

Hierin tut man insgemein eher zu viel als zu wenig; daher das sicherste ist, sich der Einfalt zu befleißen. Alle in Rom noch vorhandene Triumphbogen, aus den Zeiten der Cäsaren, könnten noch einer Menge von Zierraten beraubet werden und würden dadurch nur schöner werden. Bei solchen Gebäuden kommt es bloß darauf an, dass für die Schrift oder für die Bilder, die das Wesen des Denkmals ausmachen, ein schicklicher Platz, der auf eine der Sache anständige Art verziert sei, angeordnet werde. Hat der Bau überhaupt das Auge der Vorübergehenden an sich gelockt, so muss nun auch in der Nähe die Aufmerksamkeit ganz auf den Geist des Denkmals gerichtet werden, mithin in den Verzierungen nichts sein, das dieselbe von der Hauptsache ablenken könnte. Wichtig ist es, dass die Zierraten mit dem Charakter der Vorstellung wohl übereinstimmen. Grosse Gegenstände von ernsthafter Art, leiden nichts Zierliches und die von fröhlicher und belustigender Art erfordern Verzierungen, darin Lieblichkeit und Anmutigkeit liegt. Auch darin kann der Künstler ein richtiges Urteil oder eine ausschweifende Einbildungskraft zeigen; denn in den schönen Künsten ist nichts so gering, das dem Künstler nicht großes Lob oder strengen Tadel zuziehen könnte.

  Indessen bleibt das, was wir vorher die Seele des Denkmals genannt haben, allemal der wichtigste Teil desselben. Diese besteht entweder bloß in Aufschriften, von denen an einem anderen Ort gesprochen worden2, oder in bildlichen Vorstellungen, (sie seien gemalt oder mit dem Meißel gebildet,) die entweder historisch oder allegorisch sein können. Man wird allemal, wie schon irgendwo angemerkt worden, von solchen Werken fordern, dass sie mehr sagen als eine Schrift sagen könnte, weil sonst die bloße Schrift vorzuziehen wäre.3 Also können dergleichen Vorstellungen nie das Werk gemeiner Künstler sein; denn es gehört gewiss gar sehr viel dazu, die Gemüter der Menschen durch diesen Weg lebhaft zu rühren und zugleich in dem, was zum historischen gehört, verständlich zu sein und den ganzen Geist einer Begebenheit oder einer Handlung in wenig Bildern vorzustellen.

 Man hat aus dem Altertum zwei Denkmäler, die trojanische und die antonionische Säule, auf denen große Begebenheiten, durch eine lange Folge von Bildern historisch vorgestellt werden: allein solche Werke sind zu weitläufig und zu kostbar; daher sich für Denkmäler solche Vorstellungen am besten schicken, wo nur das Wesentliche der Sachen, in wenig Bildern ausgedrückt wird. Hierzu aber sind nur die größten Köpfe aufgelegt: daher man wohl behaupten könnte, dass ein vollkommenes Denkmal dieser Art, eines der schwersten Werke der Kunst sei. Es ist im Art. Allegorie eines schönen Denkmals, das den noch lebenden Bildhauer Nael zum Erfinder hat, Erwähnung geschehen, dessen Beschreibung hier einen Platz verdient.

 Es ist ein Grabmal einer tugendhaften und sehr schönen Frau, welche durch eine schwere Geburt ihr Leben eingebüßt hat. Dieses Denkmal stellt ein Grab vor, mit einem ganz schlechten Stein bedeckt. So bald man aber näher herantritt, wird man plötzlich in die erstaunliche Szene versetzt, wo die Gräber sich öffnen und ihre Toten lebendig wieder hergeben werden. Man findet den Grabstein durch ein gewaltiges Beben der Erde mitten von einander geborsten und durch die daher entstandene Öffnung sieht man die dort begrabene Person, mit allen Empfindungen der Seeligkeit, in welche sie nebst ihrem Kinde nun soll versetzt werden, auf dem Gesicht und in der ganzen Bewegung. Sie trägt ihr Kind, das nun auch lebt, in dem linken Arm, und mit dem rechten stößt sie den geborstenen Grabstein in die Höhe, um aus dem Grabe heraus zu steigen. Um den Grabstein stehen die Worte: Hier bin ich Herr und das Kind, das du mir gegeben hast, nebst dem Namen der Verstorbenen.

 Wäre der Gebrauch öffentlicher Denkmäler so allgemein, wie er sein sollte, so wäre es dann der Mühe wert, nach dem Beispiel das Ludwig der XIV in Frankreich gegeben hat, in jedem Land die Erfindung derselben und die Aufsicht über die Ausführung einer Gesellschaft gelehrter und in den schönen Künsten erfahrner Männer aufzutragen.

 Es ist kaum etwas, darin die heutigen Sitten und Gewohnheiten sich von den ehemaligen Sitten der Griechen weiter entfernen als der Gebrauch der Denkmäler. Man darf, um davon überzeugt zu sein, nur den Pausanias lesen. Ein Grieche konnte weder in den Städten noch auf den Landstrassen tausend Schritte gehen, ohne ein wichtiges Denkmal anzutreffen. Die Grabmäler wurden nicht, wie jetzt geschieht, an Orte gesetzt, wo niemand sich gerne verweilt und wohin kein Mensch geht um einen vergnügten Spatziergang zu tun, sondern an die Landstrassen, wo sie niemanden unbemerkt bleiben konnten. In den Städten waren alle öffentliche Plätze, alle Spatziergänge und verschiedene besonders dazu aufgeführte Gebäude, mit öffentlichen Denkmälern angefüllt; so dass ein Grieche nirgend wohin gehen konnte, da ihm nicht häufige Gelegenheiten zu sehr ernsthaften und den Geist erhöhenden Betrachtungen, vorkamen. Von dergleichen edeln und zugleich sehr angenehmen Veranstaltungen sieht man gegenwärtig kaum noch hier und da einige schwache Spuren.

 

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1 Der Portikus oder die Stoa , darin Zeno die Philosophie gelehrt hat, die daher die stoische genannt wird.

2 S. Aufschrift.

3 S. Allegorie S. 43 .

 


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