Distichon. (Dichtkunst) Ein kleines Gedicht in zwei Versen, welches einen merkwürdigen Gedanken oder ein Bild auf eine lebhafte Weise darstellt. Es kann aber diese Benennung auch zweien aus einem großen Gedicht genommenen Versen gegeben werden, die einen außer der Verbindung bestehenden merkwürdigen Sinn haben; wovon man in Elegien unzählige Beispiele findet. Das Distichon kann demnach eine Aufschrift sein, wie folgendes, das Voltaire an dem Fuß eines ausgehauenen Amors gesetzt hat.
Qui que tu sois, voici ton maître,
Il l'est, il le sut ou le doit être.
Oder es kann ein Sinngedicht sein, wie dieses, welches dem Plato zugeschrieben [s. Diogenes Laertius] und sehr artig durch folgendes lateinische Distichon wiedergegeben wird.
Suavia dans Agathoni animam ipse in labra tenebam;
Ägra enim properans tanquam abitura fuit.
Wenn das Distichon wie hier aus einem Hexameter und einem Pentameter besteht, so scheint es die bequemste Form zu haben, um leicht ins Gedächtnis gefasst zu werden. Aus diesem Grunde haben schon die Alten den Einfall gehabt, merkwürdige Sittenlehren und Denksprüche in solchen Distichen vorzutragen, von welcher Art die bekannten Disticha Dionysii Catonis sind.