Bild, Redende Künste

Bild. (Redende Künste) Ein sinnlicher Gegenstand, der in der Rede entweder bloß genannt oder ausführlich beschrieben wird, insofern er durch seine Ähnlichkeit mit einer anderen Sache bedeutend wird. So wird der Schlaf ein Bild des Todes, der Frühling ein Bild der Jugend genannt und so singt Haller:

 

Ihr Wälder, wo kein Licht durch finstre Tannen strahlt, Wo sich in jedem Busch die Nacht des Grabes mahlt u. s. f.

 

Seit mir ein Bild der Ewigkeit. Die Bilder erwecken klare und lebhafte Vorstellungen, die sehr faßlich sind, und darin man viel auf einmal, wie mit einem einzigen Blick, erkennt: wenn sie eine fühlbare Ähnlichkeit mit abstrakten Vorstellungen haben, so können sie also mit großem Vorteil an deren Stelle gesetzt werden. Sie tun dann in der Rede den Dienst, den eine gemalte Landschaft tut, die man jemanden vorlegt, um ihm einen Begriff von der Gegend zu machen, die dadurch abgebildet ist; folglich sind sie Gemälde der Gedanken.

Die Bilder veranlasen ein anschauendes Erkenntnis der abgebildeten Sachen; sie geben den abstrakten Vorstellungen einen Körper, wodurch sie faßlich werden. Gedanken, die wegen der Menge der dazu gehö rigen Begriffe schwerlich mit einem Blick könnten übersehen werden, lassen sich dadurch festhalten. Also dienen die Bilder überhaupt, die verschiedenen Verrichtungen des Geistes zu erleichtern. Hierzu kommt noch, dass das Vergnügen, welches allemal aus Bemerkung der Ähnlichkeit zwischen dem Bild und dem Gegenbilde entsteht, die Eindrücke desto lebhafter und unvergeßlicher macht.

So lang eine Sprache an allgemeinen Ausdrücken arm ist, muss notwendig das meiste durch Bilder ausgedrückt werden: daher sind die Reden der noch wenig gesitteten Völker durchaus mit Bildern angefüllt. Aber auch da, wo man die Gedanken allgemein ausdrücken könnte, werden die Bilder gebraucht, um die Vorstellungen ästhethisch zu machen: daher die Dichter vorzüglich und nach ihnen die Redner, einen vielfältigen Gebrauch darvon machen.

Sie bekommen aber nach ihrer äußerlichen Form und auch nach der Art, wie sie angebracht werden, verschiedene Namen. Sind sie bloß besondere Fälle, an denen man das Allgemeine leichter erkennen soll, so werden sie Beispiele genannt; sind sie Dinge von einer anderen Art, die neben das Gegenbild gestellt werden, so bekommen sie nach Beschaffenheit der Sache den Namen der Vergleichung oder des Gleichnisses, wobei die gewöhnliche Vergleichungswörter, wie, alswie, gleichwie, u. d. gl. gebraucht werden. Setzt man sie aber ganz an die Stelle der abgebildeten Sache, so dass diese gar nicht dabei genannt wird; so bekommen sie allgemein den Namen der Allegorie, auch bisweilen der Fabel, der Parabel oder des allegorischen Bildes. Diejenigen Bilder, die nur beiläufig, ohne die Vergleichungsformeln und so gebraucht werden, dass die Hauptsache ihren eigentlichen Namen behält, ihre Eigenschaften oder Wirkungen aber durch Bilder ausgedrückt werden, bekommen den Namen der Metaphern, wie wenn man sagt: Die Jugend verblüht bald.



Inhalt:


Eigenschaften und Quellen der Bilder
Gebrauch und Nutzen der Bilder

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