Bild - Gebrauch und Nutzen der Bilder


So vortreflich der Nutzen der Bilder ist, so sind sie, wie alle dinge, dem Mißbrauch unterworfen. Die Redner und Dichter, die durchgehends am meisten bewundert werden, haben sie als kostbare Würze mit behutsamer Sparsamkeit angebracht. Bei sehr wichtigen Begriffen und Vorstellungen, die man gerade zu nicht mit der gehörigen Stärke und Lebhaftigkeit ausdrücken kann, werden sie notwendig; bei Nebensachen aber sind sie bloße Zierraten, womit man sparsam umgehen muss. Sie sind wie Juweelen, die man nur an wenigen Stellen anbringen darf. Man findet deswegen, dass ihr Überflus, so wie der Überflus der Verzierungen in der Baukunst, allemal ein Vorbote des sich zum Untergang neigenden Geschmacks ist.

Es wäre angenehm und nützlich, wenn sich jemand die Mühe geben wollte, aus den Überbleibseln der griechischen Literatur zu zeigen, wie von Homer bis auf die sogenannten Pleyaden und von diesen bis auf die griechischen Rhetoren, von denen Rom zur Zeit der Kaiser angefüllt war, der Gebrauch der auszierenden Bilder beständig in dem Maße zugenommen, in welchem der männliche und gute Geschmack abgenommen hat.

Doch ist es in gewissen Fällen gut, wenn Bilder auf Bilder gehäuft werden. In Oden, wo eine einzige Vorstellung, die an sich selbst einfach ist, so lange wiederholt werden und so genau auf alle Seiten gewendet werden muss, bis unsere ganze Vorstellungskraft völlig davon eingenommen ist, ist die Anhäufung der Bilder, die einerlei Sache in verschiedenen Gestalten ausdrücken, das einzige Mittel zum Zweck zugelangen. Davon findet man häufige Beispiele beim Horaz; so wie man beim Ovidius fast überall Beispiele von Anhäufung der Bilder bei gemeinen oder doch nur beiläufigen Vorstellungen findet, wie z. B. in dieser Stelle:

 

Littora quot conchas, quot amœna rosaria flores,

Quotve soporiferum grana papaver habet;

Silva feras quot alit, quot piscibus unda natatur;

Quot tenerum pennis aèra pulsat avis,

Tot premor adversis. [Trist. V. 2]  

 

Dieses fällt etwas ins läppische.

Auch da können Bilder mit Nachdruck aufgehäuft werden, wo man in starkem Affekt, den man durch Worte äußeren will, immer besorgt, man habe die Sachen noch nicht stark oder hinlänglich genug gesagt. In diesem Falle befand sich Horaz bei der folgenden Stelle, die man mit großem Unrecht mit der vorhergehenden aus dem Ovidius, in eine Klasse setzen würde. Sed juremus in hæc: simul imis saxa renârint Vadis levata, ne redire sit nefas, Neu conversa domum pigeat dare lintea, quando Padus Matina laverit cacumina, In mare seu celsus procurrerit Appenninus, Novaque Monstra junxerit libidine Mirus amor: juvet ut tigres subsidere cervis, Adulteretur & columba Milvo: Credula nec ravos timeant armenta leones, Ametque salsa levis hircus littora [Epod. Od. 16]. Dergleichen Anhäufung der Bilder dient auch, wenn man nichts mehr über eine Sache zu sagen hat, den Zuhörer eine Zeitlang in derselben wichtigen Vorstellung zu unterhalten. Dieser Fall kommt am öftersten in der Ode und in der Elegie vor. Redner befinden sich bei pathetischen Stellen oft in demselben.

Auch die Form der Bilder, ihre Kürze oder Ausführlichkeit, muss aus der Absicht, die man hat, beurteilt werden. Denn bisweilen tut ein durch wenig Züge gezeichnetes Bild alle Wirkung, die man verlangt, da es andremale muss ausgezeichnet werden. Wenn Hermione beim Euripides, zu der Andromache, die, um ihr Leben zu erretten, an den Altar der Thetis geflohen war, sagt: Und wenn dich gleich geschmolzen Blei umgäbe, so will ich dich doch von dieser Stelle wegbringen [Eurip. Androm. vs. 265]; so ist dieses Bild, ob es gleich nur angedeutet wird, von der höchsten Kraft. Hermione hatte sich vorgenommen, die Andromache aus dem geheiligten Ort ihrer Zuflucht, wo es nicht erlaubt war, Hand anzulegen, durch ein ander Mittel heraus zu loken. Sie wollte den Sohn dieser unglücklichen Königin dahin bringen und ihn vor den Augen der Mutter zu ermorden drohn, wofern sie den Altar der Thetis nicht verlassen würde. Dieses Mittel sah sie für so unfehlbar an, dass es seine Wirkung tun müsste, wenn auch geschmolzen Blei um den Altar flösse. Überlegung und Geschmack müssen dem Dichter das Maß der Ausführlichkeit an die Hand geben. Überhaupt scheint es, dass die Bilder, welche auf Verstärkung oder Verschwächung einer Empfindung abzielen, allemal eher ganz kurz sein können als die, wodurch man die Vorstellungskraft zu lenken sucht. Diese Materie von dem Gebrauch der Bilder, ihren verschiedenen Wirkungen und den daher entstehenden Formen und Gattungen derselben, verdient überhaupt von den Kunstrichtern in ein völliges Licht gesetzt zu werden. Was hier der allgemeinen Betrachtung der Bilder fehlt, ist einigermaßen in den Artikeln über die besonderen Arten derselben ersetzt worden. S. Allegorie, Beispiel, Gleichnis, Metapher.


 © textlog.de 2004 • 18.12.2024 21:06:57 •
Seite zuletzt aktualisiert: 14.11.2004 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright  A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  Z