Bildhauerkunst - Bildhauer der Antike


Von dem Ursprung dieser Kunst weiß man nichts zuverläßiges. Aus der H. Schrift ist bekannt, dass schon zu den Zeiten der Patriarchen Bilder der Götter in Mesopotamien vorhanden gewesen. Dergleichen mögen bei mehreren Völkern selbiger Zeit im Gebrauch gewesen sein. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Verehrung der Götter sichtbare Bilder derselben veranlasst und dass durch diese die Bildhauerkunst nach und nach aufgekommen sei: wiewohl auch der Einfall, durch Hieroglyphen etwas auszudrucken, die Gelegenheit dazu mag gegeben haben. Bei verschiedenen Völkern mag sie durch verschiedene Veranlassungen entstanden sein.

Unter den alten, aus der Geschichte bekannten Völkern, haben die Ägyptier, die Phönicier, die Griechen, sowohl in Kleinasien als in dem eigentlichen Griechenland und die Hetrurier, diese Kunst vorzüglich ausgeübet; aber die Griechen, und nächst diesen die Hetrurier, haben sie zur höchsten Vollkommenheit gebracht. Winkelmanns Geschichte der Kunst, die in jedes Liebhabers Händen ist, enthält die richtigsten Nachrichten und Bemerkungen über den Ursprung, den Flor und den Verfall derselben.

Es scheint, dass die Ägyptier bloß einen religiösen Gebrauch davon gemacht haben, dabei aber bei der hieroglyphischen Bedeutung der Bilder stehen geblieben sein. Wenigstens ist kein ägyptisches Bild bekannt, das außer seiner hieroglyphischen Bedeutung etwas vorzügliches hätte. Die Phönicier haben sie allem Ansehen nach auch zur Auszierung ihrer Gebäude und zur Verschönerung der Gerätschaften gebraucht und zugleich zum Vorteil der Handlung angewendet. Eigentliche Werke der Bildhauerkunst von diesem Volke haben sich nicht erhalten. Einen weiteren Umfang scheint die Kunst bei den Hetruriern gehabt zu haben. Sie hatten nicht nur vielerlei Bilder der Gottheiten, von hieroglyphischer Bedeutung und mancherlei Bilder, wodurch ihre religiöse Begriffe sinnlich vorgestellt wurden; auch politische und sittliche Gegenstände beschäftigten die bildenden Künste. Eine Menge historischer Bilder aus der ältesten Geschichte ihrer Stammväter und unzählige Vorstellungen, die sich auf das Sittliche in ihrem Charakter und in ihrer Lebensart beziehen, sind noch jetzt vorhanden. Die bildenden Künste scheinen überhaupt bei diesem Volke von einem so sehr ausgebreiteten Gebrauch gewesen zu sein, dass selbst die gemeinesten Geräte, die gewöhnlichsten zum täglichen Gebrauch dienenden Gefässe, ein Gepräge davon hatten. Was man von Werken der mechanischen Künste in die Hände bekam, hatte etwas bildliches an sich, das gewisse religiöse oder politische oder sittliche Begriffe erweckte. Auf diese Weise konnten die bildenden Künste einen unaufhörlichen Einfluss auf die Gemüter haben. Allein auch dieses geistreiche Volk scheint die wichtigste Art der Kraft in den Werken der bildenden Künste, wenig gekennt zu haben. Ihre Vorstellungen hatten wenig mehr als hieroglyphische Bedeutung. Nur den Griechen war es vorbehalten, das höchste in der Kunst zu erreichen. Sie allein scheinen empfunden zu haben, dass nicht nur menschliche, sondern so gar göttliche Eigenschaften dem Auge könnten empfindbar gemacht werden. Also erhob sich die Bildhauerei unter den Händen der griechischen Künstler nach und nach zu dem höchsten Gipfel der Vollkommenheit, bis sich Phidias getraute, die Hoheit Gottes in erhöhter menschlicher Bildung auszudrücken. Wie weit es den griechischen Künstlern gelungen, nicht nur erhabene menschliche Seelen, sondern so gar höhere Kräfte sichtbar zu machen, können wir aus verschiedenen übrig gebliebenen Werken der griechischen Kunst abnehmen. Der Gebrauch, den die Griechen von den bildenden Künsten machten, ist der höchste, den man davon machen kann. Denn von allem was in ihrer Götterlehre, in ihrer Geschichte und überhaupt in dem menschlichen Charakter groß ist, suchten sie ihren Mitbürgern eine Empfindung zu erwecken, indem sie in den Statuen der Götter, der Helden und der tugendhaften Männer nicht sowohl ihre körperliche Gestalt als die Größe des Geistes abbildeten. Dieses war die höchste, wiewohl nicht die einzige Bestimmung der Kunst. Gegenständen, in denen ihrer Natur nach keine moralische Kräfte liegen, konnte die bildende Kunst auch keine geben; aber sie gab ihnen, was sie geben konnte, Schönheit und Schicklichkeit der Formen.

Die Römer hatten diese Kunst anfänglich ohne Zweifel von ihren Nachbaren, den Hetruriern, bekommen und wie es scheint, einen mäßigen Gebrauch davon gemacht, indem sie Bilder zur symbolischen Vorstellung ihrer Gottheiten und andre, um das Andenken ihrer Voreltern und einiger ihrer verdienten Männer zu erhalten, aufstellten. Lange danach aber, da sie erst in den griechischen Colonien, danach in Griechenland selbst, ihre Eroberungen ausgebreitet, lernten sie die Werke der Griechen kennen. Es scheint aber, dass sie dieselben bloß als einen Gegenstand der Pracht oder höchstens als Monumente der Kunst und des Geschmacks und auf die Weise geliebt haben, wie etwa gegenwärtig die sogenannten Liebhaber alle Werke der zeichnenden Künste lieben. Der ursprüngliche Gebrauch der Bilder wurde aus dem Gesichte verloren und man sah sie größtenteils als Zierraten an, wodurch man den öffentlichen Plätzen, den Gebäuden, den Säälen und Gallerien ein Ansehen geben konnte. So wie die Üppigkeit in Rom überhand nahm, stieg auch zugleich diese Liebhaberei an den Werken der griechischen Kunst, die zuletzt bis zur Raserei ausartete. Man weiß, dass der gute Cicero selbst nicht ganz frei davon war.

Man hat also in diesem Zweig der Kunst die Römer mehr wie bloße Liebhaber als wie Künstler anzusehen. Sie plünderten ganz Griechenland aus, um durch die geraubten Werke der Kunst ihre Kabinetter zu bereichern;*) so wie jetzt mancher Naturaliensammler aus Osten und Westen Schmetterlinge und Muscheln einsammelt, nicht um die Natur kennen zu lernen, sondern ein reiches Kabinet zu haben. Schon daraus allein könnte man vermuten, dass Rom keine Bildhauer von der ersten Größe wird gezogen haben; denn dieses ist nur da möglich, wo die Künste zu ihrer höchsten Bestimmung angewendet werden. Jedermann kennt die schönen Verse, durch welche Virgil die Römer wegen Mangels dieser Kunst tröstet:

 

Excudent alii spirantia mollius æra: –– –– –– –– ––

 Tu regere imperio populos Romane memento: [Än. VI.]

 

Man kann hieraus den nicht unwichtigen Schluss ziehen, dass die höchste Liebhaberei und die reichsten Kunstsammlungen eben keinen großen Einfluss auf die Erhöhung der Kunst haben. An keinem Orte der Welt sind jemal mehr schöne Werke der bildenden Künste zusammen gewesen als in Rom, das zu den Zeiten des Augustus vermutlich mehr Bilder aus Erzt und Marmor als lebendige Menschen gehabt; und nirgend ist die Liebhaberei stärker gewesen: dennoch hat Rom wenig gute Künstler hervorgebracht. Selbst unter der Regierung des Augustus waren die meisten Bildhauer in Rom Griechen. Diese scheinen mehr die Werke ihrer ehemaligen großen Meister nachgeahmet als selbst große Werke erfunden zu haben. Indessen erhielt sich die Kunst unter den Kaisern, in dem Grad der Vollkommenheit, den sie unter Augustus gehabt hatte, noch eine ziemliche Zeit hindurch. Winkelmann setzt ihren Verfall in die Regierung des Severus und ihren Untergang noch vor Constantinus dem Grossen.

Nachher war die Verehrung der Bilder in der christlichen Kirche eine Gelegenheit, wenigstens das mechanische der Bildhauerkunst von dem gänzlichen Untergange zu retten. Es wurden durch alle Zeiten der Barbarei, die auf die Zerstörung des abendländischen Reichs folgten, noch immer Bilder gehauen; und etwas, das dem Schatten der Kunst ähnlich ist, erhielt sich. Kaiser Theodosius der Grosse hat eine Ehrensäule, nach Art der trajanischen setzen lassen, auf welcher Bildhauerarbeit sein soll, in der man den guten Geschmack nicht gänzlich vermißt: die Academie der Maler in Paris soll eine Zeichnung davon haben [Histoire des arts qui ont rapport au dessein par Mr. Monier].

 

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*) Marcellus – – ornamenta urbis, signa tabulasque, quibus abundabant Syracusæ, Romam devexit. Hostium quidem illa spolia & parta jure belli. Cœterum inde primum initium mirandi grœcarum artium opera licentiaque hinc sacra profanaque omnia vulgo spoliandi, factum est. Liv. L. XXV. 40


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