Baukunst - Baukunst der Antike
Der Geschmack, den die neueren Europäer angenommen haben, ist im Grunde derselbe, der ehedem in Griechenland und in Italien geherrscht hat. Er scheint, wie die ersten Anfänge verschiedener anderer Künste, nicht auf dem griechischen Boden erzeugt, sondern aus Phönizien und Ägypten dahin gekommen zu sein; aber durch das feine Gefühl und den männlichen Verstand der Griechen seine Vollkommenheit erreicht zu haben. In Ägypten trifft man noch Ruinen von Gebäuden an, die allem Ansehen nach älter als der Anfang der eigentlichen Geschichte sind. An denselben ist schon der griechische Geschmack, auch so gar in kleineren Verzierungen zu entdecken [s. korinthische Säule; Knauf; dorische Säule]. Von phönizischen, babylonischen und persischen Gebäuden hat sich nichts aus dem hohen Altertum erhalten. Da aber der salomonische Tempel ohne Zweifel das Gepräge der phönizischen Bauart gehabt; so kann man auch von dieser sagen, dass sie mit der ägyptischen überein gekommen.
Man muss also den Orient und vermutlich die Länder diesseits des Euphrats, als den Geburtsort derjenigen Bauart ansehen, welche von den Griechen auf den höchsten Grad der Vollkommenheit erhoben worden. Diese scheinen die Kunst noch in einem etwas rohen Zustande bekommen zu haben. Denn noch sind ansehnliche Ruinen griechischer Gebäude vorhanden, die weit über die gute Zeit des Geschmacks heraufsteigen, wie die Ruinen von Pestum am salernitanischen Meerbusen und von Agrigent in Sizilien [s. die Vorrede zu Winkelm. Geschichte der Baukunst, und neue Bibliothek der schönen Wissenschaften]. Diese Bauart hat in Griechenland und Italien verschiedene besondere Wendungen als so viel Schattierungen bekommen, die man danach mit dem Namen der Ordnungen bezeichnet hat. Die Hetrurier und Dorier sind der alten Einfalt und Rohheit am nächsten geblieben. Die Ionier scheinen etwas mehr Annehmlichkeit und eine Art Weichlichkeit hineingebracht zu haben. Hernach aber, als Griechenland der Hauptsitz aller schönen Künste geworden war, kam noch mehr Zierlichkeit und so gar etwas Üppigkeit hinein, wie an der korinthischen Ordnung zu sehen; dieses haben die späteren Römer noch weiter getrieben [s. Ordnungen].
Noch jetzt wird allemal, wo Säulen oder Pfeiler angebracht werden, eine dieser fünf alten Ordnungen zur Richtschnur gewählt. Sie sind so gut ausgedacht, dass man, ohne Gefahr die Sachen schlechter zu machen, sich nicht weit von den Formen und Verhältnissen der Alten entfernen kann. Es ist nicht mehr zu erwarten, dass eine von diesen Ordnungen wirklich verschiedene und dennoch gute Gattung, werde erfunden werden. Die Römer scheinen schon alle möglichen Versuche hierüber erschöpft zu haben. Sie nahmen sich ernstlich vor, Rom durch die Schönheit der Gebäude über alle Städte der Welt zu erheben und es ist angenehm zu lesen, was Strabo hiervon erzählt [Geogr. L. V.]. Dennoch haben diese außerordentlichen Bestrebungen von den besten aus allen Teilen Griechenlandes versammelten Baumeistern nichts, als die einzige römische Ordnung herausgebracht, die doch nur aus einer Vereinigung der korinthischen und ionischen besteht.
Nach Erlöschung der Familie der Cäsaren fing in Rom die Baukunst an zu fallen. Man verließ nach und nach die edle Einfalt der Griechen und überhäufte alles mit Zierraten. Die Gebäude nahmen den Charakter der Sitten, die allen großen despotischen Höfen gemein sind, an: ein Gepränge, das die Augen verblenden sollte, kam in die Stelle der wahren Hoheit und Größe. Von dieser Art sind verschiedene noch aus diesen Zeiten vorhandene Werke, als; die Triumphbogen der Kaiser Severus, des M. Aur. Antoninus, des Constantinus; besonders aber der Bäder des Diokletianus. So wie das Reich an Hoheit abnahm, sank auch die Baukunst. Die Römer brachten sie auch nach Constantinopel, wo sie sich viele Jahrhunderte in einem Stande der Mittelmäßigkeit erhalten hat. In Italien wurde man immer mehr und mehr für die guten Verhältnisse. gleichgültig und verlor sie zuletzt ganz. Als sich nach dem Untergang des Reichs, die Goten, Longobarden und danach die Saracenen in ihren eroberten Ländern festgesetzt hatten, unternahmen sie große Gebäude, an denen nur noch wenige Spuren des guten Geschmacks übrig blieben; fast gar alle Regeln der Schönheit wurden aus den Augen gesetzt; desto mehr aber wurde das mühsame, das gezierte, das seltsame und einigermaßen abenteuerliche gesucht.
Mitten in diesen Zeiten des barbarischen Geschmacks der Baukunst wurden die meisten Städte in Deutschland und die meisten Kirchen im ganzen Okzident gebaut, an denen wir das Gepräge einer über alle Regeln ausgeschweiften Bauart noch jetzt sehen. Diese Gebäude setzen durch ihre Größe, durch die unermessliche Verschwendung der Zierrate, durch die gänzliche Vernachlässigung der Verhältnisse, in Erstaunen. Doch finden sich noch hin und wieder Spuren des nicht ganz erloschenen Geschmacks. An der Marcuskirche in Venedig, die zwischen den Jahren 977 und 1071 gebaut worden, ist noch etwas von wahrer Pracht und von guten Verhältnissen übrig; und in derselben Stadt ist die Kirche Sancta Maria formosa bei nahe noch im antiken Geschmack, im Jahr 1350 von Paulo Barbetta gebaut.
Aus den großen Gebäuden der mittlern Zeiten, die in verschiedenen Städten Italiens noch zu sehen sind, lässt sich ziemlich deutlich sehen, wie durch diese Zeiten sich noch immer etwas von dem guten Geschmack der Baukunst erhalten hat. Im Jahre 1013 wurde die Kirche zu St. Miniat in Florenz angelegt, die in einem erträglichen Geschmack gebaut ist und im Jahr 1016 wurde der Grund zu dem Dom in Pisa gelegt. Der Baumeister desselben war ein Grieche aus Dulichium, den die Italiener Buschetto nennen. Die Pisaner, die damals einen großen Handel nach Griechenland trie ben, ließen marmorne Säulen von alter Arbeit daher bringen, die an diesem Gebäude angebracht wurden. Bei dieser Gelegenheit ließen sie auch Maler und Bildhauer aus Griechenland kommen. Um dieselbe Zeit fing man auch in Rom, Bologna und Florenz an zu bauen. Um das Jahr 1216 baute ein gewisser Marchione, der zugleich ein Bildhauer war, die schöne Kapelle von Marmor in der Kirche Sta. Maria Maggiore in Rom.
Einer der größten Baumeister der mittlern Zeiten war ein Deutscher, den man den Meister Jacob nennte. Er setzte sich in Florenz, wo er das große Franziskanerkloster gebaut hat. Sein Sohn, den die Welschen Arnolfo Lapo nennen, baute die Kirche des heiligen Kreuzes in Florenz und gab die Zeichnung zu der prächtigen Kirche de Sancta Maria de fiore. Dieser starb im Jahre 1200.
Die kleinen Reste des guten Geschmacks breiteten sich doch in diesen Zeiten nicht außerhalb Italien aus. An allen den erstaunlichen Gebäuden dieser Zeit, die noch jetzt von dem ehemaligen Reichtum der Niederlande zeugen, ist bei der unbegreiflichen Verschwendung der Arbeit wenig Gesundes. Dieses muss man auch von dem Münster in Straßburg sagen, welches im 13. Jahrhundert aufgeführt worden und unter die erstaunlichsten Gebäude der Welt gehört. Der Baumeister desselben war ein gewisser Erwin von Steinbach.
Vergleiche ferner:
- (Hegel, Vorl. z. Ästhetik) u.a.:
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-